Brasilien ein Sommermärchen?
Die WM 2014 war für die deutsche Mannschaft ein voller Erfolg. Für die Brasilianer? – Na ja: Abgesehen von der katastrophalen Leistung des Nationalteams ist es Brasilien gelungen, ein großartiges und auch sicheres Fußballfest zu veranstalten. Unternehmen sollten aber für ihre Geschäfte und ihre reisenden Mitarbeiter vor Ort beachten, dass sich das Leben in Brasilien doch signifikant von den Zeiten des WM-Trubels und erst recht vom deutschen Alltag unterscheidet. Es wird empfohlen, Reisen nach Brasilien weiterhin unbedingt mit den Sicherheitsabteilungen oder Sicherheitsbeauftragten abzustimmen.
Bei aller Freude am Fußball in der Sportberichterstattung in den letzten Wochen, kann das Sicherheitsthema Brasilien nicht alleine einem interessierten Expertenkreis überlassen bleiben. In der Halbzeitpause des grandiosen Spiels Deutschland gegen Brasilien stand es bereits 5:0. Überschwängliche Freude bei den deutschen Fans, Entsetzen bei den Brasilianern. Ungewöhnlich war, dass Klaus Kleber im ZDF Heute Journal bei seiner Live-Schalte nach Belo Horizonte bei einer Frage journalistisch hartnäckig blieb, ohne den „Teufel an die Wand malen“ zu wollen: Es ging um die Frage der Sicherheitslage, von der befürchtet werden konnte, dass die niederschmetternde Heimniederlage der Brasilianer als Zündstoff dienen könnte. Wie kam es, dass ausgerechnet während dieses Fußballfestes, Sicherheitsfragen so explizit thematisiert wurden, ohne dass akut etwas passiert war ? Klaus Kleber bezog sich natürlich zu Recht auf Ereignisse vor genau einem Jahr, die trotz allen Jubelns nicht aus dem Auge verloren werden sollten.
Massenproteste im Vorfeld der WM
Während des ersten Halbfinales des Confederations Cups (Brasilien gegen Uruguay – 2:1), der WM-Generalprobe, protestierten am 27. Juni 2013 geschätzt 50.000 Menschen; zunächst friedlich. Als Randalierer jedoch versuchten, die Absperrungen um die Sicherheitszone des Mineirão-Stadion zu durchbrechen, kippte die Sicherheitslage. Vermummte warfen Molotowcocktails und Autos wurden angezündet. Die Polizei reagierte mit Tränengas und Gummigeschossen. Die Bilanz: Mehrere Verletzte, fast 60 Festnahmen und ein Toter, der im Chaos der Krawalle von einer Brücke stürzte.
Zur Erinnerung: Die Gewaltausschreitungen waren Bestandteil der mehrtägigen landesweiten Massenproteste Ende Juni 2013, vor allem in den Metropolen São Paulo, Rio de Janeiro, Brasilia sowie eben Belo Horizonte. Konkreter Anlass waren Preiserhöhungen von Bustickets im Cent-Bereich. Aber dies wurde zum stellvertretenden Symbol für die grundlegenden sozialen Probleme im Land: Allgemeine Armut beziehungsweise die ungerechte Vermögensverteilung sowie die Korruption in Politik und Verwaltung. Zum Zeitpunkt der Proteste lag das brasilianische Wirtschaftswachstum nur bei 0,6 Prozent. Die Inflationsrate stieg in der ersten Jahreshälfte 2013 auf über 6 Prozent, dabei stiegen die Lebensmittelpreise sogar um 13 Prozent. Als Kontrast dazu stand die anstehende Fußballweltmeisterschaft. Obwohl der Ballsport so heiß geliebt wird wie der Karneval, forderten die Demonstranten, die Ausgaben für die WM von ca. 11 Mrd. Euro besser in Schulen, Universitäten und Krankenhäuser zu investieren.
Was kommt nach dem Schock?
Der amtierenden Präsidentin Dilma Roussef steht politisch das Wasser bis zum Hals. Wenn schon die Wirtschaft stagniert und die sozialdemokratischen Politikversprechen nicht eingelöst werden können, sollte der Präsidentin wenigstens ein nationaler Triumph auf dem Rasen bei den anstehenden Wahlen am 5. Oktober Vorschub leisten. Die verheerende 7:1 Niederlage stürzte jedoch das Volk in eine emotionale Krise, die WM als Imageprojekt der Regierung ist gescheitert.
Die Frage, die sich stellt: Was kann passieren, wenn das Land aus seinem kollektiven Schock erwacht und die sozialen Fragen des vergangenen Jahres erneut aufgeworfen werden? Die Ausgangslage wäre mit der vom vergangenen Jahr völlig vergleichbar. Die Probleme sind kein bisschen gelöst, die Olympiade 2016, das nächste milliardenverschlingende Imageprojekt, steht vor der Tür und der Wahlkampf für die Präsidentschaftswahl in drei Monaten bietet Anlass zu Demonstrationen.
Sicherheit in brasilianischen Metropolen
Die WM war selbstverständlich eine mit besonders hohen Sicherheitsstandards abgesicherte Veranstaltung und die internationalen Gäste bewegten sich in relativ geschützten Stadtbereichen. Aber auch das schönste Fußballfest geht zu Ende, dementsprechend werden die spezifischen Sicherheitsmaßnahmen reduziert. Am Beispiel des – nun deutschlandweit bekannten – Austragungsortes Belo Horizonte kann die differente Sicherheitslage brasilianischer Metropolen für Geschäftsreisende und Expats nachvollzogen werden:
- Die Sicherheitslage für internationale Gäste in Belo Horizonte ist weniger problematisch als in Rio de Janeiro oder São Paulo. Kidnapping und Raubüberfälle sind deutlich seltener. Wie in vielen lateinamerikanischen Städten herrscht dabei in Belo Horizonte eine ausgeprägte Trennung zwischen Stadtgebieten mit hoher Armut und Gebieten mit hohem Lebensstandard. Entsprechend stark variiert das Sicherheitslagebild. Generell ist das schachbrettartige Stadtzentrum als relativ sicher zu bewerten.
- Entführungen, bei denen die Opfer gezwungen werden, Geld am Automaten abzuheben, scheinen in Belo Horizonte noch kein signifikantes Problem zu sein, wohl aber in Rio de Janeiro und São Paulo.
- In den vergangenen Jahren ging aber die Zahl der Morde in Belo Horizonte auf bis zu 35 pro 100.000 Bewohner und lag damit deutlich über der von Rio de Janeiro mit 24 und São Paulo mit 13 und ohne Frage über Deutschland mit knapp unter einem. Die im Vergleich hohe Mordrate ist auch dem Umstand geschuldet, dass Initiativen zur Kriminalitätsbekämpfung in den letzten Jahren auf Rio de Janeiro und São Paulo konzentriert wurden.
- Für Drogenverkäufe und auch das Unterschieben von Drogen mit anschließender Denunziation bei korrupten Polizisten werden gezielt Ausländer ausgesucht. Gerade in Bars und Nachtclubs ist hier besondere Vorsicht geboten, auch bezüglich von K.O. Tropfen in Getränken.
- Günstig sind jedoch die Klimabedingungen aufgrund der Höhenlage: Für Brasilien typische medizinische Risiken wie Malaria oder Dengue-Fieber treffen auf Belo Horizonte nur bedingt zu.
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