Rechtliches

Abwerbeverbote zwischen Unternehmen

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Unternehmen vereinbaren Abwerbeverbot

Zwei Unternehmen (X und Y) aus dem Nutzfahrzeuggeschäft, gehörten zu derselben Firmengruppe. Nachdem Unternehmen X von einem Drittunternehmen aufgekauft wurde, schlossen X und Y einen Kooperationsvertrag, um den gemeinsamen Vertrieb ihrer Fahrzeuge weiter fortzusetzen. Der Vertrag enthielt in § 12 Abs. 1 folgenden Text:

Jede Partei verpflichtet sich, während sowie bis drei Jahre nach Beendigung dieses Vertrages keine Mitarbeiter der anderen Partei direkt oder indirekt abzuwerben. Für jeden Fall einer Zuwiderhandlung gegen die Bestimmung in Satz 1 zahlt die verstoßende Partei an die andere Partei eine Vertragsstrafe in Höhe von zwei Bruttojahresgehältern (…) des betreffenden Mitarbeiters, der unter Verstoß gegen die Verpflichtung gemäß Satz 1 von der betreffenden Partei abgeworben wird, wobei zur Berechnung der Vertragsstrafe das Bruttojahresgehalt des betreffenden Mitarbeiters maßgeblich ist, das er im Jahr vor Verwirkung der Vertragsstrafe bezogen hat.“

Nachdem Unternehmen X den Kooperationsvertrag Ende 2006 kündigte, erklärten im August 2009 zwei Mitarbeiter des Unternehmens Y die Kündigung und wechselten zum Unternehmen X.

Das Unternehmen Y behauptete, der damalige Geschäftsführer des anderen Unternehmens habe die Mitarbeiter abgeworben und verklagte es auf Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 383.770,52 €. Unternehmen X war der Ansicht, das Abwerbeverbot sei unverbindlich und ohnehin nicht einklagbar.

BGH entscheidet arbeitnehmerfreundlich

Der Streit ging im Revisionsverfahren hoch bis zum Bundesgerichtshof (BGH). Dieser entschied: die Vertragsstrafe ist nicht einklagbar. Zur Begründung führte das Gericht aus: Grundsätzlich – das heißt mit Ausnahmen – stellen Abwehrverbote sogenannte Sperrabreden dar, § 75f Handelsgesetzbuch (HGB). Die Vorschrift lautet:

„Im Falle einer Vereinbarung, durch die sich ein Prinzipal einem anderen Prinzipal gegenüber verpflichtet, einen Handlungsgehilfen, der bei diesem im Dienst ist oder gewesen ist, nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen anzustellen, steht beiden Teilen der Rücktritt frei. Aus der Vereinbarung findet weder Klage noch Einrede statt.“

Dies ergebe sich aus Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Sinn und Zweck des § 75f HGB. Dem reinen Wortlaut nach versteht man unter einer Abwerbung von Arbeitnehmern das Einwirken auf einen arbeitsvertraglich gebundenen Arbeitnehmer mit dem Ziel, diesen zum Arbeitsplatzwechsel zu bewegen. In den Anwendungsbereich der Norm müssten danach nur solche Vereinbarungen fallen, nach der sich Unternehmen gegenseitig verpflichten, nur Arbeitnehmer einzustellen, die sich von sich aus an den potentiellen Arbeitgeber gewandt haben. Der BGH bedenkt dabei aber zu Recht, dass der Anwendungsbereich der Norm nicht von dem konkreten Formulierungsgeschick der Parteien abhängen kann.

Die §§ 74 ff. HGB sollen die Interessen des Arbeitnehmers an seinem beruflichen Fortkommen nach Ende des Anstellungsverhältnisses schützen. Das Interesse des Arbeitgebers daran, sich durch Wettbewerbsverbote vor einer Abwanderung seines Personals zur Konkurrenz zu schützen, tritt dahinter zurück. Der BGH weist in seinem Urteil darauf hin, dass dafür der Arbeitgeber die Möglichkeit hat, mit seinen Mitarbeitern Wettbewerbsverbote zu vereinbaren. Und das Interesse des Arbeitnehmers wird durch Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützt, dass dem Einzelnen das Recht auf berufliche Selbstbestimmung einräumt.

Daneben betont der BGH, dass eine Abwerbung fremder Mitarbeiter sich schon aus den Konsequenzen eines freien Wettbewerbs ergibt und auch erlaubt ist. Arbeitgeber hätten keinen Anspruch darauf, dass der Bestand ihrer Mitarbeiter vor Konkurrenzunternehmen geschützt wird. Die erste Kontaktaufnahme am Arbeitsplatz ist zulässig.

Ausnahmen bestehen jedoch für die Fälle, so der BGH,

  • bei denen das Verhalten des abwerbenden Unternehmers eine unlautere geschäftliche Handlung darstellt oder
  • das Abwerbeverbot eine bloße Nebenbestimmung ist, die einem besonderen Vertrauensverhältnis der Unternehmen oder einer besonderen Schutzbedürftigkeit eines Unternehmens Rechnung trägt. So beispielsweise bei:

    • Due Diligence
    • Abspaltung
    • Vertriebsvereinbarung.

In diesen Fällen überwiege nämlich das Interesse des Arbeitgebers – geschützt durch sein Recht auf wirtschaftliche Betätigungsfreiheit, Art. 2 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1 GG – an einer gerichtlichen Durchsetzbarkeit des Abwerbeverbots den Belangen des Arbeitnehmers.

Abwerbeverbote und Einstellungsverbote nicht einklagbar

Darüber hinaus, betont der BGH, dürfen Wettbewerbsverbote ohnehin nicht länger als zwei Jahre nach Vertragsende wirksam sein. Diese waren hier längst überschritten.

Die Entscheidung des BGH ist konsequent. Wenn Einstellungsverbote unstreitig – aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes – nicht durchsetzbar sind, sollte dies auch für Abreden gelten, in denen sich Unternehmen wechselseitig das Abwerben ihrer Mitarbeiter verbieten. Ausnahmen lässt der BGH zu und berücksichtigt damit besondere Arbeitgeberinteressen. Eine praxistaugliche Entscheidung.

Quelle:

BGH, Urteil vom 30.04.2014 – I ZR 245/12

Zur Sperrabrede auf Lexeakt.de (zuletzt abgerufen am 09.10.2014)