Sicherheitskonzepte

Debatte um Sicherheit in Zügen

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Nach dem Angriff vom vergangenen Freitag wird europaweit über eine Verschärfung der Bahnsicherheit nachgedacht. Sollten Fahrgäste in Zügen genauso stark kontrolliert werden wie Reisende an Flughäfen?  

Sicherheitsüberprüfung wie an Flughäfen illusorisch

Mit Blick auf den vereitelten Anschlag im Thalys-Zug warnte die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) vor zu großen Erwartungen an die Sicherheitskräfte: Die Sicherheit durch verstärkte Polizeipräsenz zu erhöhen scheitere allein schon an der Masse der Fahrgäste, sagte DPolG-Chef Rainer Wendt in einem Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Jeden Tag nutzen 7,3 Millionen Menschen die Deutsche Bahn. Selbst wenn wir jeden einzelnen der aktuell 40.000 Bundespolizisten nur für diese Aufgabe einsetzen würden, käme niemals eine flächendeckende Überwachung zustande“, erklärte Wendt. Eine Sicherheitsüberprüfung wie etwa im Flugzeug sei schlichtweg illusorisch, so der Gewerkschaftschef.  

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält einen Einsatz von Sicherheitsbegleitern in Zügen nach dem Vorbild der „Sky-Marshalls“ im Luftverkehr zwar für sinnvoll, aber ebenfalls für kaum machbar. „Zurzeit haben wir noch nicht mal genug Personal, um Taschendiebe zu stellen“, sagte GdP-Vize Jörg Radek in einem Interview mit n-tv. Und er fügte hinzu: „Wir haben zwei Milliarden Bahnreisende jährlich.“ Schlüssel für mehr Sicherheit sei die Personalstärke der Bundespolizei.

Sicherheitsvereinbarung zwischen Bundespolizei und Bundesbahn  

Schon jetzt kämpft die Bundespolizei, die auch für Luft- und Grenzsicherheit zuständig ist, nach Auskunft  von DPolG-Chef Rainer Wendt mit einem Fehlbestand von 3000 Beamten. Auch würden aktuell viele Kräfte abgestellt, um den Kollegen in Bayern zur Hand zu gehen. „Unsere Prioritäten liegen aktuell bei der Sicherung von Flüchtlingseinrichtungen und der Bewältigung der Aufgaben, die sich durch die Einwanderung ergeben.“  Auf Bahnhöfen seien derzeit rund 5000 Bundespolizisten im Einsatz. „Mehr wünschen kann man sich natürlich immer“, erklärte der DPolG-Chef. Diese kooperierten gut mit den Mitarbeitern der Deutschen Bahn, die ihren Bestand in den vergangenen Jahren um mehrere Hundert Kräfte aufgestockt habe. Daher sei die Sicherheit auf Bahnhöfen und in Zügen schon jetzt sehr hoch.

Die Bundespolizei hat mit der Bahn im Jahr 2000 eine Sicherheitsvereinbarung geschlossen, in der neben Videoüberwachung und einem Informationsaustausch auch Präventionsmaßnahmen vorgesehen sind. Zur aktuellen Situation teilte ein Sprecher  lediglich mit: „Die Deutsche Bahn steht in dauerhaftem Austausch mit den Sicherheitsbehörden und passt ihre Sicherheitsvorkehrungen an die Empfehlungen der Behörden an.“

Die europäischen Regelungen für Kontrollen auf Bahnstrecken

Derzeit werden in der EU lediglich die Passagiere der Eurostar-Züge zwischen dem europäischen Festland und Großbritannien so scharf kontrolliert wie an Flughäfen. Das liegt allerdings auch daran, dass Großbritannien nicht Teil des europäischen Schengenraumes ist, in dem Reisefreiheit ohne systematische Passkontrollen gilt. Auch in Spanien, wo am 11. März 2004 Anschläge auf Vorstadtzüge in Madrid verübt wurden, sind Kontrollen auf langen Strecken üblich. Seit dem 1. Mai gibt es auch an bestimmten großen italienischen Bahnhöfen Sicherheitskontrollen vor dem Einstieg in den Zug.

Anders in Deutschland, Frankreich oder der Schweiz: Hier werden die Zugreisenden keinen Kontrollen vor dem Einstieg unterworfen, die Polizei patrouilliert jedoch in großen Bahnhöfen. Seit den islamistischen Anschlägen im Januar im Großraum Paris hat Frankreich seine Patrouillen noch einmal verstärkt, im Großraum Paris gilt nach wie vor die höchste Terrorwarnstufe. Spezialkräfte mit dem Gewehr im Anschlag sind auf jedem größeren Bahnhof unterwegs.

Um für internationale Züge oder Intercitys eine wirkliche Sicherheitskontrolle zu schaffen, wäre wie beim Eurostar „ein komplett geschlossener Bereich“ vonnöten, sagt der französischen Bahnchef Guillaume Pepy. Das Kontrollsystem von Flughäfen auf alle wichtigen Bahnhöfe zu übertragen, hält er nicht für realistisch: „Entweder man macht das umfassend, oder es ist nicht wirklich effizient.“

Belgien verschärft Bahnsicherheit

Als einziges Land hat bisher Belgien direkt nach dem Thalys-Angriff seine Bahnsicherheit verschärft. Die belgisch-französischen Patrouillen in Thalys-Schnellzügen und die Polizeistreifen an internationalen Bahnhöfen wurden verstärkt. Auch die Gepäckkontrollen wurden ausgeweitet. Ministerpräsident Charles Michel will nun bei dem Sondertreffen der zuständigen Minister aus Belgien und den Nachbarländern weitere Maßnahmen besprechen lassen – „insbesondere Personen- und Gepäckkontrollen“.

Am Freitag hatte ein Mann in einem Schnellzug von Amsterdam nach Paris mit einer Pistole geschossen, bevor er von drei Amerikanern und einem Briten überwältigt wurde, darunter zwei US-Soldaten in Zivil. Frankreichs Präsident Hollande hatte die vier Männer für ihr Eingreifen mit dem höchsten Orden seines Landes ausgezeichnet und sie im Elysée-Palast zu Rittern der Ehrenlegion ernannt.

Quellen:

Neue Osnabrücker Zeitung:http://www.noz.de/deutschland-welt/politik/artikel/609591/polizeigewerkschaft-sicherheit-wie-im-flugzeug-im-zug-illusorisch#gallery&0&0&609591 (abgerufen am 26.08.2015)

n-tv: http://www.n-tv.de/ticker/Vereitelte-Thalys-Attacke-befeuert-Debatte-ueber-Sicherheit-im-Zug-article15785656.html (abgerufen am 26.08.2015)

 jus/AFP/dpa