Der Einzelfall ist ganz entscheidend dafür, ob der Arbeitgeber die durch die heimliche Videoüberwachung erlangten Kenntnisse in einem gegen die ausgesprochene Kündigung erhobenen Klageverfahren als Beweis verwenden darf oder nicht. Die Voraussetzungen der Zulässigkeit solcher Überwachungsmaßnahmen hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) zuletzt in einem Urteil vom 21.11.2013 (Az.: 2 AZR 797/11) konkretisiert.
Die Entscheidung der Richter
Die BAG-Richter hatten im Hinblick auf die Verwertung eines derartigen Videos als Beweismittel festgestellt: »Informationen und Beweismittel, die der Arbeitgeber mittels einer heimlich durchgeführten Videoüberwachung gewonnen hat, unterliegen nicht allein deshalb einem prozessualen Verwendung- und Verwertungsverbot, weil der Zweck der Beobachtung nicht auf ihre Gewinnung gerichtet war. Auch bezogen auf einen sogenannten Zufallsfund muss aber das Interesse des Arbeitgebers an der prozessualen Verwendung und Verwertung der Daten und/oder Beweismittel höher zu gewichten sein als das Interesse des Arbeitnehmers an der Achtung seines durch Art. 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 GG gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Davon kann nur ausgegangen werden, wenn es um den Nachweis eines strafbaren Verhaltens oder einer ähnlich schwerwiegenden Pflichtverletzung des Arbeitnehmers geht und die Informationsbeschaffung und -verwertung selbst dann nicht unverhältnismäßig ist.«
Der konkrete Fall
Im entschiedenen Fall war um die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgerechten Kündigung einer Mitarbeiterin eines Getränkemarktes gestritten worden, die der Arbeitgeber ausgesprochen hatte. In dem Getränkemarkt war eine Videokamera zur Überwachung des Kassenbereichs sowie der Ein- und Ausgänge installiert, über die alle Mitarbeiter informiert waren. Die Kamera erfasste nicht die eigentlichen Kassiervorgänge. Nachdem bei einer Revision Leergutdifferenzen in Höhe von mehr als 7 000 € festgestellt worden waren und die Kontrollen des Lagerbestandes und Warenausganges keine Hinweise auf Unregelmäßigkeiten ergeben hatten, vermutete der Arbeitgeber die Ursache der Differenzen im Kassenbereich und vereinbarte mit dem Betriebsrat die Durchführung einer verdeckten Videoüberwachung für die Dauer von vier Wochen, die von einer Fachfirma durchgeführt werden sollte.
Diese Firma sollte auch die Auswertung der Daten übernehmen. Aus den Videoaufzeichnungen ging hervor, dass sich unter der Leergutkasse ein Plastikbehälter befand, in dem Geld aufbewahrt wurde (sogenannte Klüngelgeld-Kasse). Es war außerdem zu erkennen, dass die dann gekündigte Mitarbeiterin diesem Behältnis an drei Tagen Geld entnahm und in ihre Hosentasche steckte. Diese Mitarbeiterin war vom Arbeitgeber bereits einige Zeit zuvor abgemahnt worden, weil sie entgegen einer ausdrücklichen Anweisung nach Dienstschluss Wechselgeld in Höhe von 300 € mit nach Hause genommen hatte, statt es im Kassenbüro abzugeben. Dieses Geld hatte die Mitarbeiterin wieder zurückgegeben.
Die Klage der Mitarbeiterin, die sich im Hinblick auf die Videoaufzeichnungen auf ein Beweisverwertungsverbot berief, hatte Erfolg: Die auf die Überwachung gestützte Kündigung der Kassiererin wurde aufgehoben.
Verwertungsverbot wegen Verstoßes gegen das Persönlichkeitsrecht
Die Richter gingen im konkreten Fall von einem prozessualen Verwertungsverbot aus. Ob dies aus § 6 b BDSG oder aus § 32 BDSG folgt, ließen sie offen. Nach ihrer Ansicht ergab sich das Verwertungsverbot aus einer Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die nicht durch überwiegende Beweisinteressen des Arbeitgebers gerechtfertigt war. Dieses Recht schützt in seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch die Befugnis eines Menschen, selbst darüber zu entscheiden, ob Filmaufnahmen von ihm gemacht und möglicherweise gegen ihn verwendet werden dürfen.
Dieser Grundsatz wird durch die Bestimmungen des BDSG konkretisiert, denn diese regeln, in welchem Umfang Eingriffe in Rechtspositionen zulässig sind. Liegt keine Einwilligung des Betroffenen vor, ist die Datenverarbeitung nur zulässig, wenn eine verfassungsgemäße Rechtsvorschrift sie erlaubt. Fehlt es an der erforderlichen Ermächtigungsgrundlage oder liegen deren Voraussetzungen nicht vor, ist die Erhebung, Verarbeitung und/oder Nutzung personenbezogener Daten verboten.
Die gesetzlichen Regelungen
Nach § 6 b ist die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen grundsätzlich erlaubt, wenn und soweit sie zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen. Nach § 32 Absatz 1 Satz 1 BDSG dürfen personenbezogene Daten eines Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn es für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder nach dessen Begründung für seine Durchführung oder Beendigung erforderlich ist. Nach Satz 2 dürfen zur Aufdeckung von Straftaten personenbezogene Daten eines Beschäftigten nur dann erhoben, verarbeitet oder genutzt werden, wenn zu dokumentierende tatsächliche Anhaltspunkte den Verdacht begründen, dass der Betroffene im Beschäftigungsverhältnis eine Straftat begangen hat, die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung zu deren Aufdeckung erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse des Beschäftigten am Ausschluss der Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung nicht überwiegt, insbesondere Art und Ausmaß im Hinblick auf den Anlass nicht unverhältnismäßig sind.
Beweisinteresse allein nicht ausreichend
Im entschiedenen Fall hielten die Richter die Verwertung des heimlich gewonnenen Videomaterials auch unter Berücksichtigung der Grundsätze des BDSG unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt für zulässig. Denn – so die Richter: Greift die prozessuale Verwertung eines Beweismittels in das allgemeine Persönlichkeitsrecht einer Prozesspartei ein, überwiegt das Interesse an der Verwertung der Videoaufnahmen und der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege das Interesse am Schutz dieses Grundrechts nur dann, wenn weitere – über das schlichte Beweisinteresse hinausgehende – Aspekte hinzutreten. Das Interesse, sich ein Beweismittel zu sichern, reicht allein nicht aus. Vielmehr muss sich gerade diese Art der Informationsbeschaffung – also die Beschaffung der Information durch Videoüberwachung- und diese Art der Beweiserhebung – also die Beweiserhebung durch Ansehen des Videos – als gerechtfertigt erweisen.
Das Fazit
Heimliche Videoüberwachung und die Verwertung entsprechender Aufzeichnungen sind nur dann gerechtfertigt (und als Beweis verwertbar), wenn – der konkrete Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer anderen schweren Verfehlung zu Lasten des Arbeitgebers besteht, weniger einschneidende Mittel zur Aufklärung des Verdachts ergebnislos ausgeschöpft sind, die verdeckte Videoüberwachung damit das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist und – sich dieser Verdacht gegen einen zumindest räumlich und funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern richtet.
Quelle:
Das Recht der Wirtschaft – RdW-Kurzreport Heft 16/2015, S. XV.