Rechtliches

BVerfG: Keine allgemeine Pflicht für Versammlungsteilnehmer, sich auszuweisen

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Filmt die Polizei eine Versammlung, ist sie nicht ohne Weiteres berechtigt, die Identität von Versammlungsteilnehmern festzustellen, die ihrerseits Polizeikräfte filmen. Dies entschied in einer aktuellen Entscheidung das Bundesverfassungsgericht und konkretisierte damit – vor dem Hintergrund der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung – die Voraussetzung für polizeiliche Personenfeststellungen (Az. 1 BvR 2501/13).

Das Filmen von Polizisten

Der zugrundeliegende Vorfall spielte sich bei einer angemeldeten Demonstration in Göttingen im Jahr 2011 ab. Die Polizei hatte dort Ton- und Bildaufnahmen der Demonstration angefertigt. Eine Teilnehmerin erweckte bei den Polizeibeamten den Eindruck, sie würde ihrerseits die Polizisten filmen. Daraufhin forderten die Polizeibeamten deren Begleiter auf, sich auszuweisen. Dieser folgte der Aufforderung, klagte aber später gegen die Maßnahme. Die angerufenen Verwaltungsgerichte wiesen die Feststellungsklage ab. Sie bemängelten u.a., dass es sich bei der Maßnahme der Identitätsfeststellung um keinen gravierenden Eingriff gehandelt habe.

Die Richter des Bundesverfassungsgerichts werteten die Identitätsfeststellung zwar auch als einen verhältnismäßig geringgewichtigen Grundrechtseingriff. Trotzdem bejahten sie einen Grundrechtsverstoß. Sie vermissten in dem konkreten Einzelfall einen ausreichenden Grund für die Identitätsfeststellung. Danach sind nur bei konkreter Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut Identitätsfeststellungen zulässig.

Gefahr für ein polizeiliches Schutzgut

Die Polizei hatte die Gefahr gesehen, dass die Aufnahmen unzulässig im Internet verbreitet werden könnten, unter Verstoß gegen das Kunsturhebergesetz. Das genügte dem Gericht aber nicht. Erforderlich, so die Richter seien „hinreichend tragfähige Anhaltspunkte“ dafür, dass die Aufnahmen auch veröffentlicht werden sollten.

Hintergrund ist, dass das Kunsturhebergesetz nicht die bloße Anfertigung von Bildern verbietet und unter Strafe stellt, sondern erst deren unbefugte Verbreitung.

Da in verfassungskonformer Auslegung des Kunsturhebergesetzes davon auszugehen sei, dass unzulässige Lichtbilder nicht auch stets verbreitet werden, so die Richter, hätte die Sicherheitsbehörde im entschiedenen Fall nicht einfach von einer unzulässigen Verbreitung der Bilder ausgehen dürfen. Andernfalls würden Betroffene aus Furcht vor polizeilichen Maßnahmen auch zulässige Aufnahmen unterlassen.

Das Argument, ein anderer Grund für die Aufnahmen als eine Veröffentlichung im Internet sei nicht ersichtlich gewesen, ließen die Richter dabei nicht gelten. Die Aufnahmen, so die Richter, hätten auch in Reaktion auf die polizeilicherseits gefertigten Bilder erfolgt sein können, etwa zur Beweissicherung für etwaige Rechtsstreitigkeiten.

Quelle:

Entscheidung das Bundesverfassungsgerichts vom 24.07.2015 (Az. 1 BvR 2501/13).