Zwei Unternehmen handelten mit Gebrauchsgütern; die Sortimente waren zum größten Teil identisch. Die Geschäftsbetriebe befanden sich etwa 400 Meter voneinander entfernt.
Ein Mitarbeiter der Firma A verteilte auf der Zufahrtsstraße zur Firma B Handzettel. Der Werbende wandte sich insbesondere gezielt an Autofahrer, die auf dem Zufahrtsbereich zur Firma B im Stau standen. Er verteilte die Handzettel der Firma A verschiedentlich auch durch geöffnete Autofenster.
Dies wollte der Inhaber der Firma B nicht hinnehmen und zog vor Gericht. Er verlangte festzustellen, dass es die Mitarbeiter der Firma A zu unterlassen haben, im Einfahrtsbereich zum Geschäftsbetrieb der Firma B gezielt und individuell Kunden anzusprechen und Handzettel zu verteilen; beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main1 mit Erfolg.
Abwerben von Kunden grundsätzlich zulässig
Zunächst stellten die Richter klar, dass das Abwerben von Kunden zum Wesen des Wettbewerbs gehöre und daher nur unter besonderen Umständen als unlauter angesehen werden könne. Es bedürfe also einer unangemessenen Einwirkung des Werbenden auf Kunden, die dem Mitbewerber sozusagen bereits zuzurechnen seien. Es müssten zwei Voraussetzungen für eine unlautere Kundenabwerbung vorliegen: Die angesprochenen Kunden müssen bereits dem Mitbewerber zuzurechnen sein, und es muss in unangemessener Weise auf sie eingewirkt worden sein.
Kunden der Firma B
Nach Überzeugung der Richter hatten die Verteiler der Werbeflyer Verbraucher angesprochen, die sich auf dem Weg zum Geschäft der Firma B befunden hatten und damit bereits als deren Kunden anzusehen waren. Unerheblich sei insoweit, dass auf diesem Weg auch noch andere Betriebe angesiedelt waren. Denn die Verteiler der Handzettel erreichten nahezu sämtliche Kunden, die sich auf dem Weg zur Firma B befanden. Die Aktion zielte im Übrigen ganz offensichtlich gerade auf diesen Umstand ab.
Somit seien die angesprochenen Kunden bereits dem Unternehmen B zuzurechnen.
Unangemessene Einwirkung
Eine unangemessene Werbemaßnahme liege vor, wenn die potentiellen Kunden des Konkurrenten unzumutbar belästigt würden. Davon war im vorliegenden Fall nach Einschätzung des Gerichts auszugehen.
Die werbenden Personen traten an Autos heran, deren Fahrer und Beifahrer sich aufgrund der Verkehrslage dem Ansprechen und der Zettelverteilung nicht ohne Weiteres entziehen konnten. Häufig hatte sich eine Stausituation gebildet, die die Fahrzeuge zum Stehenbleiben oder zum Langsamfahren zwang. In einer derartigen Situation sei es schwierig, dem Werbenden auszuweichen. Es liege vielmehr nahe, dass zahlreiche Autofahrer den Handzettel allein deshalb entgegengenommen hätten, um nicht unhöflich zu erscheinen oder bei Ablehnung anderweitig stärker bedrängt zu werden.
Ob die Verteiler der Werbeflyer – wie behauptet – teilweise an die Scheiben der Fahrzeuge klopften, um die Fahrer zum Öffnen zu bewegen, sei insoweit nicht mehr entscheidend. Das Verhalten der werbenden Mitarbeiter der Firma A sei als unzumutbare Belästigung der Kunden der Firma B zu bewerten.
Anmerkung:
Das Oberlandesgericht Frankfurt/Main wertet das Verteilen von Handzetteln im Zufahrtsbereich eines Konkurrenzunternehmens allerdings nicht generell als wettbewerbswidrig. So sei etwa das unaufdringliche Verteilen von Handzetteln an Fußgänger durch eine klar als Werbender erkennbare Person im Allgemeinen nicht zu beanstanden. Erst die Gesamtumstände – wie im vorliegenden Fall – also das Herantreten an verkehrsbedingt haltende Autofahrer, führe zur Unlauterkeit der Werbemaßnahme.
1 Urteil des OLG Frankfurt/M. vom 6. Oktober 2016 – 6 U 61/16, besprochen in RdW 2017 Rn. 65