Eine Arbeitnehmerin war in einem Museum im Servicebereich eingesetzt. Einen Arbeitsvertrag hatte sie aber nicht mit dem Museum, sondern einem anderen Unternehmen abgeschlossen. Dieses Unternehmen erbrachte auf vertraglicher Grundlage seit 2004 den „Besucherservice“ für das Museum. Bis 2006 verfügte das Unternehmen auch über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.
Der Umfang der zu erbringenden Leistungen war zwischen dem Museum und dem Unternehmen vertraglich näher festgeschrieben. Dem Unternehmen war die gesamte Besucherbetreuung übertragen, die es durch eigenes Personal zu leisten hatte. Hierzu hatte es sog. Hosts und Gruppenkoordinatoren zur Verfügung zu stellen. Es hatte zudem einen sog. Projektkoordinator zu benennen, der die Hosts und Gruppenkoordinatoren zu betreuen und Weisungen zu erteilen hatte. Das Museum wiederum setzte sog. Senior Hosts ein, mit denen sich der Projektkoordinator bei der Ausübung des Weisungsrechts absprechen musste. Die Senior Hosts sollten zudem den Gruppenkoordinatoren gegenüber weisungsbefugt sein.
Das von dem Unternehmen zur Verfügung gestellte Personal war verpflichtet, an den von dem Museum veranstalteten und finanzierten Schulungen und Einweisungen teilzunehmen. Für Schäden, die durch die Hosts und Gruppenkoordinatoren bei der Durchführung der Besucherbetreuung verursacht werden, sollte jedoch das Unternehmen haften.
Die Arbeitnehmerin war 2010 bis 2012 vorwiegend als Gruppenkoordinatorin, im Übrigen als Host, eingesetzt. Sie hatte Gruppen- und Einzelgäste in allen Eingangs- und Lobbybereichen des Museums zu betreuen, sie willkommen zu heißen und Auskünfte zu erteilen.
Ende 2012 ging die Arbeitnehmerin in Mutterschutz und anschließend in Elternzeit. Aus der Elternzeit heraus wandte sie sich an das Museum und machte geltend, mit diesem in einem Arbeitsverhältnis zu stehen, da das Unternehmen über keine Genehmigung zur Arbeitnehmerüberlassung verfüge. Das Museum wies das Ansinnen mit der Begründung zurück, es liege kein Fall der (unerlaubten) Arbeitnehmerüberlassung vor, sondern das beauftragte Unternehmen erbringe eine Dienstleistung. Ausschließlich das Unternehmen habe das fachliche und disziplinarische Weisungsrecht über die Hosts und Gruppenkoordinatoren ausgeübt.
Diese Auffassung teilte das Bundesarbeitsgericht1 allerdings nicht.
Folgen unwirksamer Arbeitnehmerüberlassung
Fehlt dem Verleiher eines Arbeitnehmers die Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung, so ist nicht nur der Vertrag zwischen dem Arbeitnehmer und dem Verleiher unwirksam (vgl. 9 Nr. 1 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, AÜG). Zum Schutz des Arbeitnehmers fingiert das Gesetz zugleich das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG).
Voraussetzung für diese gesetzlichen Folgen ist jedoch, dass der Arbeitnehmer einem Dritten überlassen wird, er also im Betrieb des Entleihers eingegliedert und seine Arbeit nach den Weisungen des Entleihers und in dessen Interesse ausführt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist dabei nicht jeder drittbezogene Arbeitseinsatz eine Arbeitnehmerüberlassung. Diese sei vielmehr durch eine spezifische Ausgestaltung der Vertragsbeziehung zwischen Verleiher und Entleiher einerseits und zwischen Verleiher und Arbeitnehmer andererseits sowie durch das Fehlen einer arbeitsvertraglichen Beziehung zwischen Arbeitnehmer und Entleiher gekennzeichnet.
Von der Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden sei die Tätigkeit eines Arbeitnehmers bei einem Dritten aufgrund eines Werk- oder Dienstvertrages. In diesen Fällen werde der Unternehmer für einen anderen tätig. Er organisiert die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolgs notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibe für die Erfüllung der in dem Vertrag vorgesehenen Dienste verantwortlich. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrages eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen den Weisungen des Unternehmers.
Ausübung der Weisungsbefugnis maßgeblich
Über die rechtliche Einordnung des Vertrages zwischen dem Dritten und dem Arbeitgeber entscheide nicht die von den Parteien gewünschte Rechtsfolge, sondern der Geschäftsinhalt. Ausgehend hiervon sei die Arbeitnehmerin in den Geschäftsbetrieb des Museums eingegliedert worden. Das beauftragte Unternehmen habe also nicht einen Dienstleistungsvertrag mit eigenen Arbeitnehmern erfüllt, sondern dem Museum Arbeitnehmer überlassen.
Ausschlaggebend für diese rechtliche Beurteilung waren vor allem die zwischen dem Museum und dem Unternehmen getroffenen Vereinbarungen, wonach die Senior Hosts des Museums den Gruppenkoordinatoren gegenüber weisungsbefugt sein sollten. Dieses dem Museum eingeräumte Weisungsrecht sei in keinerlei Hinsicht, weder zeitlich noch sachlich, beschränkt gewesen. Die Übertragung eines so umfassenden Weisungsrechts sei geradezu kennzeichnend für einen auf die Überlassung von Arbeitnehmern gerichteten Vertrag.
Hinzu komme, dass die Hosts und Gruppenkoordinatoren verpflichtet waren, an den von dem Museum organisierten und finanzierten Fortbildungsveranstaltungen teilzunehmen. Eine solche Zuweisung von Schulungsmaßnahmen sei für einen Dienstvertrag ungewöhnlich.
Aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts handelte es sich somit um einen Fall der Arbeitnehmerüberlassung. Da das Unternehmen über keine Genehmigung zur Arbeitnehmerüberlassung mehr verfügte, traten die im Gesetz vorgesehenen Rechtsfolgen einer unzulässigen Arbeitnehmerüberlassung ein. Die Arbeitnehmerin stand deshalb in einem (fingierten) Arbeitsverhältnis zu dem Museum.
Anmerkung:
Am 21.10.2016 hat der Bundestag weitreichende Änderungen des AÜG beschlossen, die zum 01.04.2017 in Kraft treten werden. Dazu gehört u.a. das Verbot verdeckter Arbeitnehmerüberlassung. Anders als bisher muss die Arbeitnehmerüberlassung von Anfang an als solche bezeichnet werden. Wird hiergegen verstoßen, die Arbeitnehmerüberlassung also etwa als Werk- oder Dienstvertrag bezeichnet, so wird sie ebenso wie die unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung behandelt, auch wenn der Verleiher über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verfügt.
1 Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20.09.2016 – 9 AZR 735/15
Besprochen inRdW Kurzreport 5/2017