Sicherheit

Individuelle Kennzeichnung von Polizeibeamten? – Eine Zwischenbilanz

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Staatliche Transparenz versus Schutz der Beamten

 

Durch Kennzeichnungspflichten sollen die im Rechtsstaatsprinzip verankerte Kontrollierbarkeit staatlicher Macht effektuiert und die Transparenz staatlichen Handelns gestärkt werden. Die Feststellung der Identität eines Amtswalters bildet den notwendigen Ausgangspunkt strafrechtlicher Ermittlungen. Insoweit ermöglicht die Identifizierbarkeit eine gerichtliche Sanktionierung rechtswidrigen polizeilichen Handelns und ist auch als Maßnahme zur Verminderung von Polizeigewalt zu sehen. Weiteres legitimes Ziel von Kennzeichnungs-
pflichten ist die Konkretisierung der eigenverantwortlichen Amtsausübung i. S. d. § 36 Abs. 1 BeamtStG. Danach tragen Beamte für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung. Diese kann gestärkt werden, wenn Polizeibeamte den Bürgern nicht als anonymer Teil einer uniformierten Berufsgruppe entgegentreten.

Die Einführung einer Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte ist auch Mittel zur Selbstdisziplinierung. Polizeibeamte neigen – wie andere Menschen auch – aus der Anonymität heraus signifikant häufiger zu gewalttätigen Übergriffen.

Neben einer Beeinträchtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung werden gegen Kennzeichnungspflichten vor allem mögliche Gefährdungen der Polizeibeamten eingeworfen. Diese könnten durch die De-Anonymisierung Ziel von Gewalt und Bedrohung werden und willkürliche bzw. falsche Anschuldigungen gegen die Beamten seien zu befürchten. Diese Befürchtungen sind ernst zu nehmen. Art. 33 Abs. 5 GG begründet einen Anspruch auf Fürsorge. Der Dienstherr hat Leben, Gesundheit und Persönlichkeitsrechte des Beamten und seiner Angehörigen zu schützen, soweit die Gefährdung dieser Rechtsgüter aus der amtlichen Tätigkeit resultiert.

 

Kein Persönlichkeitsschutz bei der Amtsausübung

 

Die streitige Frage, in welchem Umfang sich Beamte auf das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung berufen können, wird in der rechtlichen Diskussion nur unzureichend behandelt. Teils wird problemlos von einer umfassenden Grundrechtsgeltung ausgegangen. Dies ist unzutreffend. Es besteht kein Recht an einer anonymen Amtsführung. Unstreitig können sich Beamte nur im dienstrechtlichen Grundverhältnis vollumfänglich auf die Grundrechte berufen.Damit ist der Bereich umfasst, in dem der Beamte nicht nach außen, gegenüber dem Bürger, tätig wird, sondern in dem er selbst als Individuum gegenüber seinem Dienstherrn berechtigt oder verpflichtet ist. Ist dies nicht der Fall, kommt eine Anwendbarkeit des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung grundsätzlich nicht in Betracht. Es ist abwegig, anzunehmen, dass öffentliche Bedienstete während der Ausübung amtlicher Tätigkeiten gegenüber dem Bürger »ihre Persönlichkeit frei entfalten«, sich »selbst verwirklichen« usw. Einziges legitimes Motiv der Tätigkeit eines Amtswalters ist der gesetzliche Aufgabenvollzug. Amtliche Tätigkeit ist keine Betätigung von Freiheit, sondern treuhänderischer Dienst für das Gemeinwohl. Im Übrigen gilt es an einen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts erinnern. Dieses führt zur Veröffentlichung personenbezogener Informationen in Internetauftritten von Behörden aus: »Mit der Nennung des Namens, der Dienstbezeichnung, der dienstlichen Telefonnummer und der dienstlichen E-Mail-Adresse des Beamten werden keine in irgendeiner Hinsicht schützenswerten personenbezogenen Daten preisgegeben, sodass sich die Frage einer für Eingriffe in individuelle Rechte erforderlichen Ermächtigungsgrundlage nicht stellt.«

Für die Frage der Grundrechtsgeltung ist entscheidend, ob sich die Kennzeichnungspflichten vorrangig auf die Persönlichkeit oder auf den Amts- oder Funktionsinhaber beziehen. Dies ist eindeutig zu beantworten. Die Kennzeichnung ist auf die Dienstzeit beschränkt und betrifft den Amtswalter nicht als Privatperson (anders als das Verbot des Tragens von sichtbarem Körperschmuck oder Tätowierungen), sondern als Teil seiner Beschäftigungsbehörde und knüpft damit allein an die Funktion des Polizeibeamten als Amtsträger an. Die namentliche Kennzeichnung regelt allein die Form des Außenkontakts des Vollzugsbeamten mit dem Bürger.

 

Praxishinweis:

Dies ist ein aktueller Auszug aus: „Deutsches Polizeiblatt“ 3/2017 (DPolBl), S. 28-30 des RICHARD BOORBERG VERLAGES, ISSN 0175-4815.