Organisations- und Führungskonzepte

„Sicherheit ist ein Kernanliegen“: Bericht vom Sicherheitstag 2017 der ASW NRW

© ASW NRW
Podiumsdiskussion: v. links: Dr. Michael Kiefer, Eckhard Neumann, Christine Kipke, Dr. Hans-Jakob Schindler, Friedrich Christian Haas, Dirk H. Bürhaus

„Sicherheit ist ein Kernanliegen“: Das ist für Christian Vogt eine ganz entscheidende Aussage. Und so stellte er diesen Satz auch in den Mittelpunkt seiner Begrüßung zum diesjährigen Sicherheitstag der Allianz für Sicherheit in der Wirtschaft Nordrhein-Westfalen e.V. (ASW NRW) unter dem Motto „Globaler Terrorismus vor der Haustür: Unterschätzte Gefahr für deutsche Unternehmen“. „Wie steht es um die Gefahrenabwehr in deutschen Unternehmen? Diese Fragen wollen wir mit unserem Sicherheitstag beantworten“, sagte der Sicherheitsexperte und Vorstandsvorsitzende der ASW NRW zur Begrüßung. Mehr als 100 Sicherheitsverantwortliche aus Unternehmen und Vertreter der öffentlichen Hand waren auf Einladung der Allianz für Sicherheit beim Chemieunternehmen Lanxess in Köln zusammengekommen, um sich von renommierten Fachleuten über aktuelle Themen informieren zu lassen.

„Lagebild Terrorismus“: Bedrohungslage sowie Herausforderungen

Den Auftakt machte Burkhard Freier, Chef des Landesamtes für Verfassungsschutz Nordrhein-Westfalen. Er zeichnete ein „Lagebild Terrorismus“ und stellte die aktuelle Bedrohungslage sowie die daraus resultierenden Herausforderungen dar – immer mit Blick auf die Wirtschaft. Vor allem islamistischer Terrorismus und der gewaltbereiter werdende Linksextremismus wirken sich erheblich auf Gesellschaft und Wirtschaft gleichermaßen aus, stellte Freier heraus. Im Blick auf die Wirtschaft werden im jihadistischen Diskurs vor allem die Auswirkungen von Anschlägen thematisiert. Hier folgt man der allgemeinen Zielsetzung jihadistischer Propaganda, die eine Destabilisierung westlicher Staaten verfolgt: so propagiert der sog. „IS“ Auswirkungen von Anschlägen wie das Schließen von Grenzen, eine Schwächung der Tourismusbranche und der Infrastruktur ebenso wie das Ansteigen der Kosten für die innere Sicherheit der betroffenen Staaten als große Erfolge“. Und der Linksextremismus schaffe stärker vernetzte Strukturen, in denen Aktionen gegen Unternehmen und Projekte bereits im Vorfeld detailliert geplant werden.

Dazu kämen die steigenden Risiken durch Ausspähung und Sabotage, die die Wirtschaft und die öffentliche Hand regelmäßig beträfen. Burkhard Freier plädiert daher dazu, Sicherheit in Unternehmen zur „Chefsache“ zu machen, die Mitarbeiter ständig für diese Themen zu sensibilisieren und Verantwortlichkeiten im Krisenfall zu definieren, damit kurzfristige Entscheidungen zum Schutz der Organisation unmittelbar getroffen werden können. Er wies auch auf Risiken durch Cyber-Kriminalität, Wirtschaftsspionage und Ausspähung hin: „Die Schäden für die deutsche Wirtschaft belaufen sich aktuell auf 55 Milliarden Euro jährlich.

Private Sicherheitsdienstleister zwischen Service und Terrorabwehr

Dirk H. Bürhaus, Geschäftsführer von German Business Protection GmbH, stellte das Thema „Private Sicherheitsdienstleister im Spannungsfeld zwischen Service und Terrorabwehr“ vor. Zum einen ging er auf die Entwicklung und die Situation der privaten Sicherheitswirtschaft in Deutschland ein und plädierte dafür, dass alle Beteiligten der Sicherheitsdebatte an gemeinsamen Konzepten arbeiten sollten, um echten Schutz zu gewährleisten. „Technische Lösungen sind nicht alles“, sagte er. Zum anderen stellte Dirk H. Bürhaus die Frage, was die Wirtschaft eigentlich tatsächlich im Bereich der Sicherheit braucht. Sein Ansatz: „Professionelle Sicherheitsunternehmen bieten Leistungen aus einer Hand und prozessuale Unterstützung, wenn sie in den Sicherheitsprozess eingebunden werden.“ Das reiche von typischen Sicherheitsservices bis zur umfassenden IT-Security – auch um den unternehmerischen Erfolg zu verbessern. Das sei im Ausland übrigens anders: Dort sei die Beratung viel wichtiger als in Deutschland.

Terrorfinanzierung und Internetkommunikation

Terrorismusexperte Dr. Hans-Jakob Schindler von den Vereinten Nationen nahm die Vorlage von Burkhard Freier in seinem Vortrag „Internationalen Aspekte der terroristischen Bedrohung für deutsche Unternehmen und die neuesten Entwicklungen im Sanktionsregime des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen“ auf. Er gab einen Einblick in die aktuelle Sicherheitslage, stellte die Entwicklungen der verschiedenen Terrororganisationen dar und erläuterte die Funktionsweise der Terrorfinanzierung, die sich mittlerweile auch in Bereichen wie Investitionen und Betrugsfällen bewege, aber weiterhin natürlich auch Erpressung, Entführung etc. Wie Dr. Hans-Jakob Schindler betonte, stelle diese mit das größte Problem der Zukunft dar. „Die Summen, die Terrororganisationen einnehmen und einsetzen können, sind erheblich. Organisationen wie dem Islamischen Staat stehen viele Millionen US-Dollar zur Verfügung.“

Ebenfalls betonte er, dass alle Möglichkeiten der Internetkommunikation genutzt würden, die nur sehr schwierig von Sicherheitsbehörden kontrolliert werden könnten. „Das wirft natürlich viele Fragen auf, wie mit dem Schutz von Internetnutzern umgegangen werden soll. Sollen diese grundsätzlich kontrolliert werden oder nicht?“ Hinsichtlich der Auswirkungen auf die Wirtschaft sagt Dr. Hans-Jakob Schindler, dass die Behörden eng mit der Privatwirtschaft kommunizieren und kooperieren müssten. „Wir können den Unternehmen nicht den Hahn zudrehen. Die Wirtschaft soll sich an den Vorgängen beteiligen, wenn beispielsweise Sanktionen aufgestellt werden.“ In seinen Augen müssten deutsche Unternehmen vor allem bei Auslandseinsätzen in Afghanistan, dem Irak etc. mit Erpressungen, Entführungen, Drohungen, Cyberangriffen und anderen Gefahren rechnen. Ebenso könne es zu Reputationsverlusten und Missbrauch von Unternehmensstrukturen durch lokale Partner kommen.

Bedeutende Haftungsfragen

Friedrich Christian Haas (AKE SKABE GmbH) warnte Unternehmen davor, Haftungsfragen rund um die Terrorismusabwehr auf die leichte Schulter zu nehmen – Terrorrisiko verpflichtet zur Prävention. Aus Compliance-Gründen sei es sehr wichtig, die Anti-Terror-Verordnungen der Europäischen Union (wozu unter anderem ein Kontaktverbot zu terrorverdächtigen Personen und Organisationen gehört) einzuhalten, sonst könne dies zu einer Strafverfolgung für Unternehmen und Unternehmer führen. Friedrich Christian Haas betont zudem, dass die Gemengelage sehr breit gefächert sei und es dementsprechend viele potenzielle Täter gebe. „Wichtig ist: Terroristen sind gut organisiert und planen ihre Aktivitäten sehr genau. Unternehmen müssen sich deshalb sehr genau fragen, wie sie durch Prävention Anschläge verhindern können. Entscheidend ist, die Erfolgsaussichten durch gezielte Maßnahmen für den Attentäter zu minimieren. Dazu gehört beispielsweise die Früherkennung des Täters, aber auch, das Personal laufend zu sensibilisieren und zu schulen.“

Täterfrüherkennung: Terror-Prävention

“Über „Täterfrüherkennung-Terror-Prävention jenseits von Videoüberwachung und Security“ sprach Eckhard Neumann von SIGNUM Consulting. Er erläuterte, wie sich Unternehmen vor Gefährdern schützen können, damit keine Mitarbeiter mit einer falschen Identität Schaden anrichten können. Gerade die sogenannten Innentäter seien gefährlich, sie könnten beispielsweise Daten stehlen oder Ähnliches. Sein Fazit: „Unternehmen sind in der Personalprävention schlecht vorbereitet. Sie wissen oftmals nicht, dass Bewerber und/oder Mitarbeiter auffällig beziehungsweise straffällig geworden sind, oder es wird zu wenig sorgfältig gearbeitet, weil es schnell gehen muss.“ Akut seien deshalb Maßnahmen wie das „Pre-Employment-Screening“, um die Bewerberdaten genau zu analysieren und zu verifizieren und dadurch Risiken zu reduzieren.

Warum radikalisieren sich junge Menschen?

Wichtige Impulse gab es auch von dem bekannten Islamwissenschaftler Dr. Michael Kiefer, Universität Osnabrück, im Vortrag „Warum radikalisieren sich junge Menschen? – Faktoren und Hintergründe“. Sein Fokus liegt auf der salafistischen Bewegung, die nur „gut“ und „schlecht“ kennt und deren Funktionsweisen und Selbstverständnis er eingehend erläuterte. Er weiß: „Radikalisierungsprozesse sind vielschichtig und unterschiedlich, es kommen viele Faktoren zusammen. Das macht es schwierig, präventiv tätig zu werden.“ Ein Radikalisierungsfaktor ist eine soziale Benachteiligung, wenn Bewerber beispielsweise aufgrund ihrer Herkunft abgelehnt werden und keine Zukunftschancen sehen. Zudem sei Radikalisierung so gut wie immer ein Gruppengeschehen. „Das ist auch für Unternehmen sehr wichtig. Auch Kollegen können sich gemeinsam radikalisieren. Daher sollten Unternehmen darauf achten, keine Ausgrenzung zuzulassen, um diese Faktoren nicht zu begünstigen“, sagt Michael Kiefer. Ein vielleicht erstaunliches Ergebnis: „Viele Radikale kennen sich mit dem Islam gar nicht aus. Daher ist Radikalisierung keine ausschließliche Frage der Religiosität.“

„Wir sind sehr zufrieden mit dem Verlauf der Veranstaltung. Wir haben sehr gute Impulse für die tägliche Arbeit mit Sicherheitsfragen erhalten und die Teilnehmer auf einen hochaktuellen Wissensstand gebracht. Redner wie Burkhard Freier, Dr. Hans-Jakob Schindler und Dr. Michael Kiefer sind wirklich etwas Besonderes, und auch die übrigen Referenten haben praxisnah und anschaulich über wirklich relevante Fragestellungen berichtet“, fasst Christian Vogt zusammen.