Rechtliches

Krankschreibung per WhatsApp ist unzulässig

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Die Ausstellung von ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen per Ferndiagnose als WhatsApp-Nachricht verstößt gegen die ärztliche Sorgfaltspflicht. Dies gilt auch dann, wenn es sich lediglich um einfache und leichtere Erkrankungen, etwa Erkältungen, handelt (LG Hamburg).

Ein Unternehmen bot auf seiner Internetplattform für 9 Euro eine gültige Krankschreibung von einem mit ihr zusammenarbeitenden Arzt für Patienten an, die an einer Erkältung litten. Die Krankschreibung erfolgte über WhatsApp oder per Post. Der Anbieter warb u. a. wie folgt: »Und so gehts: Symptome einschicken, Risiken ausschließen, Daten eingeben, einfach bezahlen, fertig! Sie verschwenden nicht wertvolle Genesungszeit für einen Arzt- besuch und stecken niemanden im Wartezimmer an.«

Ein Berufsverband hielt dieses Angebot von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen allein aufgrund einer Ferndiagnose für wettbewerbswidrig und unlauter. Dem hielt der Anbieter entgegen, dass die von ihm beworbene Erteilung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nicht zu beanstanden sei. Der für ihn tätige Arzt könne schließlich im Einzelfall per Telefon oder auch Video-Chat Rücksprache mit dem Patienten halten und so etwaige Zweifelsfragen klären.

Das Landgericht Hamburg1 gab jedoch der Unterlassungsklage des Berufsverbands in vollem Umfang statt.

Verstoß gegen ärztliche Sorgfaltspflicht

Die Werbung für die Krankschreibung per WhatsApp war nach Auffassung des Gerichts unlauter, sodass der Anbieter verpflichtet war, dies künftig zu unterlassen.

Die Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im Wege der Ferndiagnose verstoße gegen die ärztliche Sorgfalt. Insoweit bestimme die Musterberufsordnung, dass Ärzte bei der Ausstellung ärztlicher Gutachten und Zeugnisse mit der notwendigen Sorgfalt zu verfahren und nach bestem Wissen ihre ärztliche Überzeugung auszusprechen hätten. Damit sei es jedenfalls nicht zu vereinbaren, über den Einzelfall hinausgehend Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen selbst bei nur leichteren Erkrankungen wie Erkältungen sozusagen automatisch ohne persönlichen Kontakt zu erteilen.

Die nach der Berufsordnung notwendige Sorgfalt bei der Ausstellung ärztlicher Atteste erfordere grundsätzlich einen unmittelbaren Kontakt zwischen Arzt und Patienten, sei es, dass der Patient die Praxis des Arztes aufsuche oder der Arzt einen Hausbesuch mache. Nur so könne der Arzt sich den erforderlichen unmittelbaren Eindruck vom tatsächlichen Gesundheitszustand des Patienten verschaffen und ihn ggf. konkreter untersuchen. Ohne diesen persönlichen Kontakt kann der Arzt nicht mit der gebotenen Sorgfalt feststellen, ob der Patient tatsächlich an der von ihm vermuteten oder behaupteten Erkrankung leidet.

Dabei könne – so das Gericht weiter – im Normalfall auch bei leichteren Erkrankungen für die Ausstellung einer Krankschreibung nicht auf den unmittelbaren Kontakt mit dem Patienten verzichtet werden, zumal eine Krankschreibung die arbeitsrechtliche Grundlage für den Anspruch des Patienten auf Entgeltfortzahlung gegenüber seinem Arbeitgeber sei. Ein sorgfältiges ärztliches Attest setze daher zuverlässige Feststellungen sowohl zu der Person des Patienten als auch zu seiner Erkrankung voraus. Beides sei ohne persönliche Augenscheinnahme und Kontakt zwischen Arzt und Patienten hier nicht gewährleistet.

Denn die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung werde allein nach den Angaben des Patienten zu seiner Person und zu seiner angeblichen Erkrankung ausgestellt. Eine Verifizierung dieser Angaben sei selbst dann nicht möglich, wenn der Arzt Rücksprache mit ihm per Telefon oder Video-Chat halte.

Im Übrigen sei die für die Bescheinigung einer Arbeitsunfähigkeit vorausgesetzte »Schwere der Erkrankung« nicht ohne unmittelbaren persönlichen Eindruck des Arztes zuverlässig einzuschätzen. Somit gelangte das Gericht abschließend zu der Überzeugung, dass die Ausstellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im Wege der Ferndiagnose gegen die ärztliche Sorgfaltspflicht verstoße und daher unzulässig sei.

1 Urteil des Landgerichts Hamburg vom 03. 09. 2019 – 406 HK O 56/19, besprochen in RdW 4/2020, Rn 69.