Sicherheit

Auf dem Weg zu einer neuen Sicherheitsarchitektur in Deutschland

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Zum 1. Juli 2020 übernimmt das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat die Zuständigkeit für das Bewachungsrecht vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Deutschland folgt damit einem Modell, das nahezu alle europäischen Nachbarstaaten erfolgreich etabliert haben. Das Potential dieser Änderung wird im Gesamtzusammenhang deutlich. In dem die Zuständigkeit für das Bewachungsrecht und die Bundespolizei im selben Ministerium liegt kann das Verhältnis von Polizeien und privaten Sicherheitsdienstleistern in eine wohl orchestrierte Sicherheitsarchitektur überführt werden. Nachfolgend wird neben aktuellen Fragestellungen bei Sicherheitsdienstleistern, auch die Situation von Polizeien thematisiert, hier könnte zum Beispiel ein Musterpolizeigesetz zu einer Harmonisierung der von Diversität geprägten Situation in Deutschen Polizeien führen.

Auf dem Weg zu einer Neuen Sicherheitsarchitektur

Die wichtigsten Akteure in einer nationalen Sicherheitsarchitektur sind Geheimdienste, Polizeien, kommunale Ordnungsdienste und private Sicherheitsdienstleister. Die Deutsche Sicherheitsarchitektur kann wie folgt optimiert werden:

  • Qualität der Aufgabenerfüllung bei Polizeien und Dienstleistern optimieren.
  • Polizeien von Aufgaben entlasten, und/oder enger mit privaten Dienstleistern verzahnen.
  • Fähigkeiten privater Sicherheitsdienstleister passgenau an Bedarfe anpassen, die private und staatliche Kunden nachfragen und die von Polizeien und Kommunale Diensten nicht bedient werden.
Besonderheiten Deutscher Polizeien

Die Deutschen Polizeien zeichnen sich im internationalen Vergleich durch drei Besonderheiten aus:

  1. Das Aufgabenspektrum der Polizeien. Im internationalen Vergleich leisten deutsche Polizeien außerhalb ihrer Kernaufgaben einige Zusatzaufgaben, die andere Staaten nicht oder teilweise nicht bieten; das sind u.a. Schutz von Veranstaltungen, Verkehrserziehung, Verkehrsunfallaufnahme, Transportbegleitung von Schwertransporten, Präventionsberatung.
  2. Das hohe Ausbildungsniveau der Polizeien. Ein deutscher Polizeibeamter hat eine Mindestausbildung von rund 2 bis 2,5 Jahren, das ist im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hoch. Ergänzend sei erwähnt, dass Deutschland trotz hoher und damit teurer Mindestqualifikation eine, im europäischen Vergleich, mittelhohe Polizeidichte aufweist. Ein Polizeibeamter kommt auf 229 Einwohner.
  3. Das Ausbildungskonzept der sogenannten „Laufbahnausbildung“. Die Ausbildung von Polizeibeamten zielt heute darauf ab, dass Polizeibeamte als Generalisten in einem breiten Aufgabenspektrum einsetzbar sind. So sind beispielsweise Bereitschaftspolizisten für Demonstrationen, Sachbearbeiter für Jugendkriminalität und Verkehrsüberwacher identisch ausgebildet.
Aktuelle Fragestellungen der Polizeien
  1. Wie kann die Polizeiarbeit in Deutschland vereinheitlich werden? Wie wird das Musterpolizeigesetz aussehen, das im Koalitionsvertrag der aktuellen Bundesregierung angekündigt ist?
  2. Wie werden hochspezialisierte Experten in die Polizeien integriert, wenn diese die „Laufbahnausbildung“ zum Generalisten nicht brauchen, wie z.B. Schwerlastverkehrskontrolleure, Wirtschaftsermittler, Spurensicherer, Verkehrserzieher  und Präventionsberater. Tatsächlich wurden in den letzten Jahren bereits Direkteinstiege für IT-Spezialisten und Wirtschaftsermittler geschaffen, jeweils in Kombination mit einer polizeispezifischen Kurzausbildung. In welchem Umfang werden zukünftig Generalisten oder Spezialisten eingesetzt? Wie werden Zuständigkeiten und Ausbildungskonzepte mit dem Bundesamt für Güterverkehr abgestimmt, das laut eigenen Angaben jährlich über 500.000 Lkw- und Kraftomnibuskontrollen mit eigenem Personal durchführt?
  3. Wie werden Berufsbilder für einfache Tätigkeiten in die Polizeien integriert? Das sind Kurzausgebildete mit eingeschränkten Befugnissen in einem begrenzten Aufgabenspektrum. Die Diversität der Lösungen ist in den Bundesländern hoch. Beispielsweise haben rund die Hälfte der Bundesländer zur effektiven Bewältigung von Bewachungsaufgaben sogenannte Wachpolizeien aufgebaut. Wie können neben den Wachpolizisten auch andere „kurz und gezielt“ Ausgebildete die Polizeiarbeit effizienter machen, zum Beispiel bei erkennungsdienstlichen Behandlungen, in der Verkehrsregelung, Verkehrserziehung, Präventionsberatung?
  4. In welchem Umfang werden einfache oder hochspezialisierte Aufgaben von Polizeien an private Dienstleister übertragen, als Alternative zur Bearbeitung bestimmter Aufgaben durch Polizeien? Mustergültig ist die sogenannte Beleihung bei Luftsicherheitskontrollen, die von privaten Dienstleistern in Zusammenarbeit und unter Aufsicht der Bundespolizei erfolgen, siehe http://sicherheitsmelder.de/xhtml/articleview.jsf?id=1433243111_35. Zukünftig dürfte die Rollenverteilung von staatlichen und privaten Akteuren für die Aufgabenfelder Objektschutz und Veranstaltungen zu prüfen sein, ferner ist die Schwerlastverkehrsbegleitung seit Jahren in Diskussion.
Sicherheitsdienstleister in Deutschland

In Deutschland wurde erst im Jahr 1996 ein Unterrichtungsverfahren als 40stündige Mindestqualifikation für Mitarbeitende von privaten Sicherheitsdienstleistern eingeführt. Dieser 40-Stunden-Mindeststandart gilt bis heute als Berufseinstiegsqualifikation. Darüber hinaus wurden in den zurückliegenden knapp 25 Jahren ausdifferenzierte Ausbildungsstrukturen entwickelt, die von Industrie und Handelskammern und Hochschulen angeboten werden, siehe: Qualifikationsmodelle der Sicherheitswirtschaft im Überblick

Aktuelle Fragestellungen bei Sicherheitsdienstleistungen
  • Berufseinstiegsqualifizierung: In der Masse werden heute von Kunden die günstigsten Leistungen abgerufen, die von Mitarbeitern mit 40 oder 80stündiger Qualifizierung erfüllt werden. Fraglich ist, ob eine so geringe Mindestqualifizierung weiterhin zulässig sein wird.
  • Sicherheitspartnerschaften. Wie gestaltet sich eine eng verzahnte Zusammenarbeit zwischen Polizeien und Sicherheitsdienstleistern? Wie gestaltet es sich wenn Behörden Aufträge an Sicherheitsdienstleister vergeben? Momentan werden in etlichen Bundesländern und Kommunen sogenannte Sicherheitspartnerschaften zwischen staatlichen und privaten Akteuren geschlossen, um beispielsweise aktuelle Fahndungsinformationen auszutauschen oder City-Streifen durch Sicherheitsdienstleister zu regeln.
  • Rechtssicherheit: Wie werden Qualifizierungsmodelle und Rechtsrahmen gestaltet, um im Sicherheitsdienst Abwehrsprays, Schlagstöcke, Fesselungsmittel und Schutzhunde zu führen und einzusetzen? Wie ist der Rechtsrahmen wenn Detektive/Privatermittler personenbezogene Daten erheben, verarbeiten und weitergeben?
  • Bürokratie beim Führen von Schusswaffen. Jüngste Verschärfungen im Waffenrecht führen in einigen Details zu praxisfernen Genehmigungen, zwei Beispiele: Wenn die Polizei Polizeischutz für eine bedrohte Person oder ein bedrohtes Objekt ablehnt, kann diese Person oder das Objekt vom privaten Dienstleister Personen- oder Objektschutz erhalten. Jedoch darf der Sicherheitsdienstleister erst nach mehreren Wochen Bürokratielaufzeit eine Dienstleistung mit Schusswaffe anbieten. Ein anderes Beispiel ist: Wenn ein privater Interventionsdienst bei einem Einbruchalarm eine Schusswaffe führt (und hierfür alle Erlaubnisse hat), darf der Interventionsdienst bei der Rückfahrt nicht bei einem anderen Einbruchalarm intervenieren, wenn dort keine Erlaubnis für das Führen der Schusswaffe vorliegt. Praktisch bedeutet das heute, dass selbst wenn sich der Interventionsdienst in der Nähe des zweiten Alarms befindet, muss zuerst die Schusswaffe am Wohn- oder Dienstort sicher verwahrt werden, um dann die Intervention ohne Schusswaffe durchzuführen.
  • Aktuell vom Bewachungsrecht ungeregelte Direktanstellungen: Heute darf ein Türsteher seine Tätigkeit ausführen, ohne seine Zuverlässigkeit und Ausbildung nachzuweisen, wenn er von einem Objektbetreiber direkt angestellt ist. Jedoch ist bereits heute die Beauftragung des Türstehers als externer Dienstleister untersagt, wenn Zuverlässigkeit und Mindestqualifikation nicht vorliegen.

 

Quellen: