Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Landgerichts Detmold gegen den selbsternannten »Führerscheinkönig« in Teilen aufgehoben. 20 der 37 Betrugstaten seien verjährt, entschied das Gericht in Karlsruhe.1 Jetzt muss das Gericht in Detmold erneut entscheiden.
1.200 € für einen neuen Führerschein
Der sog. Führerscheinkönig hatte über verschiedene Internetseiten vom Jahresanfang 2012 bis zum Jahresanfang 2018 angeboten, bei der Beantragung englischer Führerscheine zu helfen. Dafür verlangte er 1.200 €. Was er den zahlreichen Autofahrern, die ihren deutschen Führerschein verloren hatten und auf seine Dienste eingestiegen waren, verschwieg: Für den englischen Schein benötigt man einen Wohnsitz in England. Keiner seiner zahlreichen Kunden erhielt einen Führerschein.
37 Betrugsfälle – 9 mal versucht
Das Landgericht Detmold verurteilte den Anbieter wegen Betrugs in 37 Fällen und versuchten Betrugs in 9 Fällen unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus einer Vorverurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und drei Monaten.2 Seine Frau erhielt eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Die Verteidiger hatten dafür plädiert, den Unternehmer freizusprechen. Der »Führerscheinkönig« ging gegen das Urteil in Revision.
BGH: Viele Fälle verjährt
Der BGH entschied, 20 der 37 Taten seien bereits verjährt. Die Taten betreffen die Jahre 2012 und 2013. Die Richter hoben daher die Gesamtstrafe auf. Das Landgericht muss nun erneut entscheiden, wie lange der Unternehmer in Haft muss.
Anmerkung der Redaktion
Der sog. Führerscheintourismus war viele Jahre lang eine beliebte Methode, um die Sperrfrist nach einem Führerschein-Entzug zu umgehen. Viele deutsche Verkehrssünder pilgerten nach Polen oder Tschechien und kehrten mit frischen Ausweisen zurück. Die deutschen Behörden mussten die EU-Dokumente anerkennen – ob sie wollten oder nicht. Der ADAC schätzte die Zahl der »Führerscheintouristen « damals auf 50.000 bis 80.000.
Zunächst setzte das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2010 der Praxis einen Riegel vor – der Europäische Gerichtshof folgte. Die Richter in Luxemburg entschieden im Jahr 2012: Deutsche Behörden müssen die Führerscheine aus dem europäischen Ausland nicht anerkennen, wenn der Betroffene keinen Wohnsitz in dem jeweiligen Land zum Zeitpunkt des Erwerbs hatte. Nötig seien »unbestreitbare Informationen« aus dem Land, in dem der Verkehrssünder sein Papier erworben hatte, dass er dort nicht wohnte. Dies gelte auch dann, wenn in dem Papier fehlerhaft der Wohnsitz in dem jeweiligen EU-Land eingetragen war. Für die Anerkennung muss sich der Wohnsitz 185 Tage in dem Land befunden haben. Wenn nicht, wird das Dokument in Deutschland nicht akzeptiert.
Betroffene machen sich strafbar, wenn sie dennoch mit dem Auto auf deutschen Straßen erwischt werden. Für die betreffenden EU-Länder gilt diese Regelung übrigens nicht. Sie dürfen die Führerscheine ausstellen.
1 Bundesgerichtshof, Urteil vom 20.07.2021 – 4 StR 439/20
2 Landgericht Detmold, Urteil vom 20.05.2020 –26 KLs-23 Js 1207/15-11/18
Besprochen in RdW 2021, Heft 20, Rn. 397