Rechtliches

Kein Schadensersatz bei offener Autotür

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Wer in ein Fahrzeug ein- oder aussteigt, muss sich so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Das urteilte das Amtsgericht München mit Blick auf die Straßenverkehrsordnung (StVO).[1] Eine Fahrzeughalterin, dessen Ehemann die Autotür offengelassen oder geöffnet hatte – das stand nach dem Prozess nicht eindeutig fest – und in die dann ein anderes Fahrzeug krachte, bekam den Schaden nicht voll ersetzt.

Ausgangsfall

Auf einem Supermarktparkplatz im Münchener Stadtteil Aubing krachte ein Auto an einem Dienstag im März 2020 in die Fahrertür eines geparkten Fahrzeugs. Der Fahrer wollte sein Auto in die freie Parkbucht links neben dem geparkten Wagen rangieren. Dabei stieß er mit seinem Fahrzeug gegen die offene Fahrertür. Auf dem Fahrersitz saß der Ehemann der Fahrzeughalterin, aß und telefonierte. Die Halterin behauptete, die Fahrertür sei bereits mehrere Minuten vor dem Crash offen gewesen. Der Fahrer des anderen Fahrzeugs entgegnete, die Türe sei erst während er einparkte und damit kurz vor dem Zusammenstoß „plötzlich und unvermittelt geöffnet“ und gegen sein Fahrzeug gestoßen worden. Die Halterin klagte auf Schadenersatz, da die Versicherung des anderen Autofahrers nur die Hälfte des entstandenen Schadens in Höhe von rund 6.000 € zahlte.

Fahrzeugtür bereits geöffnet?

Das Amtsgericht München gab der Halterin kein Recht. „Das Gericht hat der Entscheidung eine alleinige Haftung der Klagepartei zugrunde gelegt“, hieß es in dem Urteil. Unstreitig war für das Gericht, dass es zum Zusammenstoß des einparkenden Wagens mit der Fahrertür des bereits geparkten Autos gekommen war. Aber war die Tür tatsächlich bereits geöffnet? Das Gericht vernahm den Ehemann, den Beklagten, eine Zeugin und holte ein Sachverständigengutachten ein. Doch dass die Autotür, wie von der Halterin behauptet, bereits mehrere Minuten offen gestanden hätte, konnte vor Gericht nicht bewiesen werden. Die Aussagen der Zeugin widersprachen sich mit dem Sachverständigengutachten. Die Angaben des Ehemannes und des Beklagten waren ebenfalls gegensätzlich, sodass das Gericht keinem der beiden mehr Glauben schenken konnte.

Sorgfaltsanforderung für gesamten „Ein- oder Aussteigevorgang“

Für eine schuldhafte Sorgfaltspflichtverletzung des Türöffners – des telefonierenden Ehemannes – spreche „der Beweis des ersten Anscheins“. Gemäß § 14 StVO muss sich, wer in ein Fahrzeug ein- oder aussteigt, so verhalten, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Diese Sorgfaltsanforderung gelte für die gesamte Dauer eines Ein- oder Aussteigevorgangs, also für alle Vorgänge, die in einem unmittelbaren zeitlichen und örtlichen Zusammenhang damit stehen, wobei der Vorgang des Einsteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre, der Vorgang des Aussteigens erst mit dem Schließen der Fahrzeugtüre und dem Verlassen der Fahrbahn beendet sei.

Zwar könne § 14 StVO nicht direkt angewendet werden, da der Parkplatz hier kein öffentlicher gewesen sei. Die Sorgfaltsnorm sei hier jedoch im Rahmen einer Pflichtenkonkretisierung des allgemeinen Rücksichtnahmegebots zu beachten. Dies gilt laut Gericht umso mehr, weil für jeden Benutzer grundsätzlich jederzeit mit Ein- und Aussteigevorgängen sowie mit Ein-, Auspark- und Rangiermanövern zu rechnen ist, sodass grundsätzlich erhöhtes Augenmerk auf derartige Vorgänge zu legen ist. Nur der Vollständigkeit halber hielt das Gericht in seinem Urteil fest, dass, auch wenn die Autotür – wie hier nicht nachgewiesen werden konnte – bereits mehrere Minuten offen gestanden hätte, erheblich risikobehaftet und vor dem Hintergrund der eingangs dargestellten Pflichten zur wechselseitigen Rücksichtnahme sorgfaltswidrig gewesen wäre.

Entnommen aus RdW Kurzreport, Heft 7, Rn. 115


[1] Amtsgericht München, Urteil vom 27.10.2021 – 343 C 106/21.