Die Verwendung elektronischer Entgeltabrechnungen per Online-Portal wird immer häufiger realisiert. Rechtlich ausreichend ist sie allerdings nur, wenn sich Arbeitnehmer mit dem Empfang elektronischer Erklärungen ausdrücklich oder konkludent einverstanden erklärt haben oder ein solches Vorgehen mit dem Betriebsrat vereinbart ist.
Ein Mitarbeiter ist seit dem 01.12.2000 im Fuhrpark eines Unternehmens beschäftigt. Mit Schreiben vom 08.03.2019 informierte das Unternehmen ihn darüber, dass Verdienstabrechnungen anstelle der bisherigen Ausdrucke künftig nur noch verschlüsselt in einem neuen Online-Portal zur Einsicht und zum Ausdruck bereitgestellt würden. Zur Gewährleistung der Umstellung sollte der Mitarbeiter ein bestimmtes Verfahren durchlaufen, um ein eigenes personalisiertes Passwort zu schaffen. Anschließend wären der Ausdruck und das Abspeichern von Lohnabrechnungen von zuhause aus oder an eigens auf dem Betriebsgelände bereitgestellten Terminals möglich. Dieser Neuerung widersprach der Mitarbeiter. Ihm wurden seit September 2019 die ihn betreffenden Abrechnungen nicht mehr ausgedruckt zur Verfügung gestellt.
Die Informationen befanden sich nach der Ankündigung des Unternehmens nur noch in digitaler, elektronischer Form im Online-Portal. Der Mitarbeiter erhob deshalb Klage auf Erteilung monatlicher Abrechnungen in Papierform.
Zugang in elektronischer Form nicht ohne Zustimmung des Arbeitnehmers
Das Arbeitsgericht hat das beklagte Unternehmen zur Erteilung der Abrechnungen verurteilt. Hinsichtlich der Erteilung der Abrechnungen in Papierform wurde die Klage abgewiesen. Begründet hat das Arbeitsgericht seine Entscheidung damit, dass die beklagte Arbeitgeberin zwar eine Abrechnung zur Verfügung gestellt habe. Das Hochladen und Bereitstellen der Lohnabrechnungen im Online-Portal stellte allerdings keine nach § 108 Absatz 1 Gewerbeordnung (GewO) geforderten Erfüllungshandlungen dar. Denn hiernach sei auch ein Zugang der Lohnabrechnung nach Maßgabe des § 130 BGB an den Arbeitnehmer erforderlich. Die Lohnabrechnungen müssten so auf den Weg zum Arbeitnehmer gebracht werden, dass sie in seinen Machtbereich gelangten und der Arbeitnehmer unter gewöhnlichen Umständen von der Erklärung Kenntnis nehmen könne. Ein Zugang in elektronischer Form sei nur dann ausreichend, wenn der Arbeitnehmer dieser Art des Zugangs ausdrücklich oder konkludent zugestimmt habe.
Die beklagte Arbeitgeberin war mit dieser Entscheidung nicht einverstanden und legte Berufung ein. Zur Begründung bezog sie sich unter anderem darauf, dass das Gesetz kein Zustimmungserfordernis durch den Arbeitnehmer vorsehe. Die Ersetzung der Schriftform durch die elektronische Form nach § 126a BGB bedürfe zwar prinzipiell des ausdrücklichen oder stillschweigenden Einverständnisses. Aufgrund der von ihr zur Verfügung gestellten Terminals sei aber kein Einverständnis erforderlich. Ausreichend sei, dass die Abrechnung dem Arbeitnehmer so zugehe, dass er nach gewöhnlichen Umständen von ihnen Kenntnis nehmen könne. Wegen der Terminals im Betrieb seien die Abrechnungen in den Machtbereich des Mannes an seinem Arbeitsplatz gelangt. Die Situation sei identisch mit einem Postfach für den Arbeitnehmer an seinem Arbeitsplatz, für das ebenfalls kein Einverständnis des Arbeitnehmers erforderlich sei.
Online-Portal ist nicht automatisch „Machtbereich“ des Arbeitnehmers
Die Landesarbeitsrichter stimmten dem Arbeitsgericht darin zu, dass die Abrechnungen von der Arbeitgeberin in der nach § 108 GewO erforderlichen Textform des § 126b BGB erstellt worden seien.1 Deswegen sei sie nicht zur Erteilung in Papierform zu verurteilen.
Nach dieser Vorschrift habe der Arbeitgeber jedoch nicht nur die Verpflichtung, eine Lohnabrechnung zu erstellen und dem Arbeitnehmer den Zugang zu der erstellten Abrechnung zu ermöglichen. Er sei vielmehr auch verpflichtet, dem Arbeitnehmer die Lohnabrechnungen zu erteilen. Das Online-Portal sorge nicht dafür, dass die Lohnabrechnungen in den Machtbereich des Arbeitnehmers gelangten. Nur wenn er ausdrücklich oder konkludent sein Einverständnis mit dem Empfang elektronischer Erklärungen erklärt habe, reiche dieser Übermittlungs- bzw. Bereitstellungsweg für Lohnabrechnungen aus. Der Arbeitgeberin sei zwar zuzugeben, dass angesichts der zwischenzeitlichen technischen Entwicklungen Erklärungen elektronischer Form üblich geworden seien und das Abrufen von Lohnabrechnungen unter Verwendung eines Passwortes auf dem Online-Portal dem Mitarbeiter zum einen ohne weiteres möglich gewesen wäre, zum anderen die Einführung der elektronischen Lohnabrechnungen der Vereinfachung der betrieblichen Abläufe und der Vermeidung von Papierverbrauch dienten.
Nach der bestehenden Regelung des § 108 GewO reiche aber allein die Bereitstellung von Lohnabrechnungen in einem Online- Portal eben nicht aus. Sei ein Arbeitnehmer mit diesem Übermittlungsweg nicht einverstanden, vereitle er auch nicht in rechtsmissbräuchlicher Weise den Zugang der entsprechenden Erklärungen.
Praxistipp
Im entschiedenen Verfahren dürfte es sich um einen Einzelfall handeln. Ob diese Rechtsprechung auf andere Fälle übertragen werden kann, muss im Detail geprüft werden. Sollte beispielsweise die Zurverfügungstellung der Entgeltabrechnungen per Online-Portal mit dem Betriebsrat vereinbart worden sein, bedarf es nicht der Zustimmung der einzelnen Arbeitnehmer. Ansonsten ist zu untersuchen, ob eine ausdrückliche oder konkludente Zustimmung vorliegt. Im Zweifelsfall kann die Abrechnung an die dienstliche Mailadresse eines sich gegen die Nutzung von Online-Portalen wehrenden Arbeitnehmers geschickt werden.
1 LAG Hamm, Urteil vom 23.09.2021 – 2 Sa 179/21
Entnommen aus RdW Kurzreport, Heft 9/2022, Rdnr. 147.