Auch Mitfahrer können bei einem Verkehrsunfall haften. Der Fahrgast eines Taxis haftet, wenn er die Autotür öffnet und dadurch einen Zusammenstoß mit einem vorbeifahrenden Fahrzeug verursacht, so das Landgericht Saarbrücken (LG). Welche Verhaltensweisen bei der Ermittlung der Haftungsquote kommen in Betracht?
Eine Autofahrerin war in einer Spielstraße im Saarland mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit von 20 km/h unterwegs gewesen. Das Auto der Frau stieß dabei gegen die hintere linke Fahrzeugtür eines Taxis. Der Fahrgast hatte, nachdem er sich zuvor umgesehen hatte, vorsichtig die Tür um ca. 70 – 80 cm geöffnet. Nach Angaben des Fahrgasts sei die Beifahrertür schon geraume Zeit geöffnet gewesen, als die Fahrzeuge kollidierten.
Fahrgast haftet voll
Die vorbeifahrende Autofahrerin verklagte sowohl den Fahrgast als auch die Versicherung des Taxiunternehmens auf Erstattung ihrer Unfallschäden. Das Amtsgericht Merzig (AG) gab der Autofahrerin in vollem Umfang recht: Es sei nicht gelungen, den Anscheinsbeweis für einen Verstoß gegen § 14 Abs. 1 StVO zu widerlegen. Nach der Regelung in der StVO muss der Ein- oder Aussteigende zuvor ausschließen, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer gefährdet wird. Nach den Grundsätzen der Beweisführung im Prozess entfaltet der Anscheinsbeweis eine sog. Indizwirkung. Wenn dieser typische Geschehensablauf von der Gegenseite nicht mit konkreten Anhaltspunkten widerlegt wird, dann gilt dieser als nachgewiesen. Dahingegen tritt – nach Ansicht des AG – die Betriebsgefahr der Autofahrerin komplett hinter dem Sorgfaltsverstoß des aussteigenden Fahrgasts zurück. Die dagegen eingelegte Berufung beim LG Saarbrücken hatte teilweise Erfolg.1
Das LG urteilte, dass dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch der Autofahrerin gegen den Fahrgast und die Versicherung als Gesamtschuldner gegeben ist. Allerdings sei eine Mitschuld der vorbeifahrenden Autofahrerin von 25% gegeben. Dementsprechend sei die Ersatzpflicht nach diesem Verhältnis zwischen den Parteien zu teilen.
Betriebsgefahr wegen Geschwindigkeitsüberschreitung erhöht
In der Sache monierte das LG, dass das AG die Betriebsgefahr der Vorbeifahrenden komplett missachtet hat. Nach § 7 StVG haften grundsätzlich Fahrzeugfahrer/-halter für Schäden, die sich aus dessen Betrieb ergeben (sog. Betriebsgefahr). Nur ausnahmsweise, wenn etwa der andere Unfallbeteiligte den Unfall schwer zu verschulden hat, wirkt sich die Betriebsgefahr nicht aus. Vorliegend kollidierten die beiden Fahrzeuge in einem verkehrsberuhigten Bereich, wo eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 7 km/h vorgeschrieben sei. Die vorbeifahrende Autofahrerin sei mit 20 km/h erheblich zu schnell gefahren, was ihre Betriebsgefahr objektiv erhöht habe. Daraus folge eine Haftungsreduzierung um 25%.
1 LG Saarbrücken, Urteil vom 11.02.2022 – 13 S 135/21.
Entnommen aus RdW-Kurzreport Heft 11, Rn. 187.
