Rechtliches

Absender einer E-Mail – Träger der Darlegungs- und Beweislast

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Nicht nur bei der Zustellung einer schriftlichen Kündigung ist auf deren ordnungsgemäßen Zugang und gegebenenfalls Nachweis hierüber zu achten. Auch bei E-Mails gilt nach der Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts Köln, dass der Absender den Zugang darlegen und beweisen muss.1

Ein Pilot hatte bei einer Fluggesellschaft eine Ausbildung zum Piloten absolviert. Er hatte deswegen einen Schulungsvertrag über eine fliegerische Grundschulung zum Flugzeugführer mit seiner Arbeitgeberin abgeschlossen. In diesem Vertrag hatte er sich verpflichtet, sich mit einem Eigenanteil in Höhe von 60.000 € an den Kosten der Ausbildung zu beteiligen. Daneben schlossen die Parteien einen „Darlehensvertrag zum Schulungsvertrag“ ab.

Mit diesem Vertrag wurde der Eigenanteil aus dem Schulungsvertrag finanziert. Unter anderem hieß es, dass auf die Rückzahlung des Darlehens verzichtet würde, wenn dem Darlehensnehmer, also dem zukünftigen Piloten, aus betrieblichen Gründen, insbesondere mangels Bedarfs an Flugzeugführern, nicht innerhalb von fünf Jahren nach Beendigung der Schulung die Übernahme in ein Cockpit-Arbeitsverhältnis angeboten würde. Die Frist für ein solches Angebot endete am 26.10.2018.

Der Fall

Mit Schreiben vom 25.10.2018, das dem Piloten postalisch am 27.10.2018 zuging, bot die Fluggesellschaft ihm einen Arbeitsplatz an. Die Fluggesellschaft behauptete, dem Piloten am 25.10.2018 – also vor Fristablauf – eine Mail mit diesem Angebot geschickt zu haben. Der Pilot behauptete hingegen, diese Mail erst am 28.10.2018 erhalten zu haben.

Am 23.11.2018 schlossen die Parteien einen Arbeitsvertrag über die Tätigkeit als Flugzeugführer ab. Ab dem Monat Mai 2019 zog die beklagte Fluggesellschaft vom Gehalt des Piloten jeweils 500 € monatlich als Darlehensrückzahlung ab, sodass bis Dezember 2020 ein Betrag in Höhe von 10.000 € geleistet wurde.

Mit seiner Klage im August 2020 begehrte der klagende Pilot u.a. die Rückzahlung der einbehaltenen Darlehensbeträge, da ihm das Schreiben vom 25.10.2018 erst am 27.10.2018 per Post und am 28.10.2018 per E-Mail zugegangen sei. Die Beklagte trug vor, sie habe dem Kläger am 25.10.2018 eine E-Mail nebst Anlagen übersandt.

Berufung erfolglos

Das Arbeitsgericht gab dem Begehren des Klägers auf Rückzahlung der 10.000 € statt. Es hielt die einfache Behauptung, das Angebot sei dem Kläger mit der Mail vom 25.10.2018 versandt worden, in Anbetracht der Umstände dieses Falles nicht für ausreichend. Die Beklagte habe auch nicht bestritten, dass der Kläger das postalische Schreiben erst am 27.10.2018 und eine weitere auf den 28.10.2018 datierte E-Mail erhalten habe.

Die insoweit von der Beklagten eingelegte Berufung blieb auch in Anbetracht ihrer Behauptung, beim Mailkonto des Klägers müsse ein Systemfehler vorgelegen haben, denn sie habe die E-Mail vom 25.10.2018 rechtzeitig abgeschickt, erfolglos. Nach Meinung der Landesarbeitsrichter stand dem Kläger ein Anspruch auf Rückzahlung der 10.000 € zu. Denn die Übernahme in ein Cockpit- Arbeitsverhältnis sei dem Kläger nicht innerhalb der vereinbarten Frist angeboten worden. Das Schreiben vom 25.10.2018 habe der Kläger unstreitig erst am 27.10.2018 erhalten. Bezüglich der E-Mail vom 25.10.2018 reiche es nicht aus, auf das angebliche Versendungsdatum abzustellen.

Entscheidend sei auch hier gemäß § 130 Abs. 1 BGB, wann die E-Mail dem Kläger zugegangen, also in seinen Machtbereich geraten sei, sodass er nach allgemeinen Umständen von ihr habe Kenntnis erlangen können. Die Kammer folgte nicht der Auffassung, dass nach dem Beweis des ersten Anscheins eine versandte E-Mail als beim Empfänger eingegangen gelte, wenn nicht eine Rückmeldung wegen Unzustellbarkeit erfolgt sei. Es sei technisch nicht sicher, dass eine Mail nach ihrem Versenden auf einem Server eingehe, der dem Empfänger zuzurechnen sei. Wie auch bei einfacher Post sei es technisch möglich, dass eine Nachricht nicht ankomme. Das Risiko könne nicht dem Empfänger aufgebürdet werden. Zudem habe der Versender die Möglichkeit, eine Lesebestätigung anzufordern.

Im entschiedenen Fall habe die Beklagte den Zugang der E-Mail nebst Anlagen nicht dargelegt. Sie haben nur routinemäßige Abläufe beschrieben und behauptet, dass eine E-Mail an den Kläger versandt worden sei. Das reiche nicht aus. Schon deshalb sei davon auszugehen, dass der Zugang des Beschäftigungsangebots mit der Folge der Rückzahlungsverpflichtung des Klägers nicht rechtzeitig erfolgt sei.

Praxistipp

Die Entscheidung zeigt deutlich, welche Risiken auch mit der Zusendung von E-Mails verbunden sind. Insbesondere wenn es um folgenschwere Sachverhalte geht, ist von der Verwendung einer E-Mail abzusehen, wenigstens eine Lesebestätigung anzufordern. Eine solche Bestätigung löst aber auch nicht das Problem, wenn sie nicht vom Empfänger genutzt wird. Deshalb ist in solchen Angelegenheiten dringend zu empfehlen, andere und rechtssichere Nachweiswege für den Zugang zu wählen.

 

1 LAG Köln, Urteil vom 11.01.2021 – 4 Sa 315/21.

Entnommen aus RdW-Kurzreport 16/2022, Rn. 264