Rechtliches

Fotodokumentation von Parkverstößen – Anmerkungen aus datenschutzrechtlicher Perspektive

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Zwei Urteile des Verwaltungsgerichts Ansbach vom November 2022 haben die Aufmerksamkeit auf datenschutzrechtliche Aspekte im Zusammenhang mit der Anzeige von verbotswidrig auf Fuß- und Gehwegen geparkten Kraftfahrzeugen gelenkt. Gegenstand dieser weithin beachteten Urteile ist die Übermittlung von Fotoaufnahmen solcher Fahrzeuge an die zuständigen Polizeidienststellen jeweils durch eine Privatperson.

Der Beitrag befasst sich am Beispiel dieser Entscheidungen mit der Anwendbarkeit der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) auf diese Sachverhalte, den Fragen nach einem berechtigten Interesse an einer solchen Datenverarbeitung durch eine Privatperson, die nicht individuell von dem Falschparken betroffen ist, der Abgrenzung zum Allgemeininteresse und der Erforderlichkeit einer solchen Fotodokumentation sowie mit der Abwägung zwischen den Interessen der Privatperson und des betroffenen Fahrzeughalters.

Problemstellung

Die beiden mit den Urteilen des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 2. November 2022 – AN 14 K 21.01431[1] und AN 14 K 22.00468[2] – entschiedenen Fälle reihen sich ein in ein weitverbreitetes Phänomen der privaten Übermittlung von Fotoaufnahmen falsch geparkter Fahrzeuge an die zuständigen Behörden, die mittels Apps oder Webseiten zur vereinfachten Meldung befeuert wird. Teilweise wird dieses Vorgehen auch von einzelnen Behörden unterstützt.[3] Nach einer Schätzung aus dem Jahr 2021 werden in Deutschland von Privaten jährlich mehr als 300 000 Fotos von verbotswidrig parkenden Fahrzeugen aufgenommen.[4]

Allein einem Fall, mit dem das Amtsgericht Magdeburg befasst war, lagen 400 von einer einzigen Privatperson in einem Zeitraum von drei Monaten fotografierte Kfz-Kennzeichen zugrunde.[5] Nach dem vom Verwaltungsgericht Ansbach in dem Verfahren AN 14 K 21.01431 festgestellten Sachverhalt hatte der Kläger in zahlreichen Fällen Anzeige wegen im Stadtgebiet von München verbotswidrig geparkten Kraftfahrzeugen erstattet und Lichtbilder dieser Kraftfahrzeuge mit deren Kennzeichen gefertigt, die er den zuständigen Polizeidienststellen mittels eines Internet- Portals übermittelte.

Die Münchener Polizei schaltete das Landesamt für Datenschutzaufsicht ein mit der Bitte um Prüfung, ob ein Datenschutzverstoß der die Anzeigen erstattenden Person vorliege, da diese nicht in unmittelbarer Nähe zu den betreffenden Orten wohne und eine persönliche Betroffenheit nicht geltend gemacht habe. Nach Anhörung des Klägers sprach das Landesamt für Datenschutzaufsicht mit Bescheid vom 30. Juni 2021 eine datenschutzrechtliche Verwarnung aus, weil in den 17 der Beurteilung zugrunde liegenden Fällen weder eine Einwilligung der Fahrzeughalter für die Aufnahmen der verbotswidrig parken- den Fahrzeuge und deren Übermittlung an die Polizeidienststellen noch ein berechtigtes Interesse des Klägers dafür vorgelegen habe.

Er sei nicht selbst betroffen gewesen, da die Fahrzeuge so im Straßenraum geparkt gewesen seien, dass sie keine Gefährdung dargestellt hätten. In dem Fall, der dem Verfahren AN 14 K 22.00468 zugrunde liegt, hatte der dortige Kläger ebenfalls in München mehrfach verbotswidrig geparkte Fahrzeuge fotografiert, an denen er mit seinem Fahrrad vorbeigekommen war, und die Aufnahmen jeweils mit einer Anzeige an die zuständige Polizeidienststelle weitergeleitet. Mit Bescheid vom 28. Januar 2022 sprach das Landesamt, das auch hier von der Polizei mit der Bitte um Prüfung eines Verstoßes gegen die DS-GVO eingeschaltet worden war, ebenfalls eine Verwarnung gegen die betreffende Privatperson aus, weil für das Fotografieren und Weiterleiten der Kfz-Kennzeichen kein Erlaubnistatbestand des Art. 6 Abs. 1 DSGVO greife und insbesondere kein hinreichend berechtigtes Interesse vorliege.

In beiden Urteilen hob das Verwaltungsgericht die Bescheide des Landesamts auf und bejahte ein berechtigtes Interesse der Kläger im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Buchst. f DS-GVO, eine Ordnungswidrigkeit auch unter Übermittlung eines Lichtbildes an die Polizei anzeigen zu können. Aus Erwägungsgrund 50 Satz 9 der DS-GVO folge, dass es als ein berechtigtes Interesse des Verantwortlichen an einer Datenverarbeitung im Anwendungsbereich der DS-GVO verstanden werden könne, wenn die Datenverarbeitung dem Hinweis der zuständigen Behörden auf eine mögliche Straftat diene.

Da dies auch für Zuwiderhandlungen gelte, die im innerstaatlichen Recht nicht als „strafrechtlich“ eingestuft würden, seien „auch die Ordnungswidrigkeiten des deutschen Rechts als Straftaten im unionsrechtlichen Kontext der DSGVO anzusehen“.[6] Eine persönliche Betroffenheit sei für das Vorliegen eines berechtigten Interesses nicht erforderlich. Der Grundsatz der Datenminimierung erfordere allerdings, dass die Ablichtung und Übermittlung nicht auch andere Personen oder Kennzeichen unbeteiligter Fahrzeuge erfasse. Daneben könnten Parkverstöße, wie die vom Kläger dokumentierten, eine abstrakte Unfallgefahr erhöhen und damit auch die zumindest abstrakte Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit des Klägers.

Die Übermittlung der Aufnahmen sei auch erforderlich, weil es den Polizeidienststellen „im Vergleich zu einer meist durch subjektive Eindrücke geprägten Schilderung einer begangenen Ordnungswidrigkeit“ erleichtere, „ihr Ermessen bezüglich der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten auszuüben“.[7] Dem stünden keine überwiegenden Interessen der betroffenen Person entgegen, weil kein Anspruch auf Anonymität im Straßenverkehr bestehe und eine Anzeige auch durch Privatpersonen erfolgen könne, der Eingriff in das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten als geringfügig anzusehen sei und das Interesse der betroffenen Person, nicht wegen der Begehung einer Ordnungswidrigkeit belangt zu werden, nicht schutzwürdig sei.

Hervorzuheben ist, dass in diesen Fällen nicht die Befugnis der jeweiligen Privatperson infrage gestellt war, Anzeige wegen dem Falschparken zu erstatten. Zu hinterfragen ist vielmehr die Berechtigung einer Privatperson, die von einem Verkehrsverstoß nicht individuell betroffen ist, zusätzlich zu einer Anzeige einen Verkehrsverstoß mit Fotos zu dokumentieren, um diese den zuständigen Behörden zu übermitteln.

Anwendbarkeit der DS-GVO

Das Verwaltungsgericht hat die Anwendbarkeit der DS-GVO und die durch Art. 78 Abs. 1 DS-GVO europarechtlich vorgegebene Klagebefugnis bejaht. Bei der Fertigung der Aufnahmen und deren Weiterleitung handelt es sich um die Verarbeitung personenbezogener Daten. Dies sind nicht nur Informationen, die sich auf eine identifizierte natürliche Person beziehen, sondern auch solche Informationen, die die Identifizierung einer natürlichen Person ermöglichen, wie insbesondere eine Kennnummer (Art. 4 Nr. 1 DS-GVO).

Dazu gehört auch das Kfz- Kennzeichen, das den zuständigen Behörden die Identifizierung und Ermittlung des Halters ermöglicht. Durch die Aufnahmen, die das Kfz-Kennzeichen erkennen lassen, und deren Übermittlung an die Polizeidienststellen handelt es sich damit um die „Verarbeitung“ personenbezogener Daten, die nach der Legaldefinition des Art. 4 Nr. 2 DS-GVO ausdrücklich auch das Erheben, das Erfassen, die Verwendung und die Übermittlung personenbezogener Daten umfasst.

Die Fertigung der Aufnahmen und deren Weiterleitung ist keine der Anwendung der DSGVO entzogene Aktivität der Privatperson, da jedenfalls mit der zur Übermittlung an die Polizeidienststellen gefertigten Aufnahmen des öffentlichen Verkehrsraum die Privatperson den Bereich der ausschließlich persönlichen oder familiären Tätigkeiten im Sinne des Art. 2 Abs. 2 Buchst. c DS-GVO verlässt.

Die Problemstellung ergibt sich jedoch aus der vom Verwaltungsgericht bejahten Frage, ob diese Datenverarbeitung durch den Privaten durch eine Rechtsgrundlage gedeckt ist. Art. 6 Abs. 1 Buchst. a bis f DS-GVO legt erschöpfend und abschließend die Rechtsgründe fest, auf deren Grundlage eine Verarbeitung personenbezogener Daten zulässig ist.[8] Dies wird im Wortlaut der Vorschrift, wonach die Verarbeitung nur rechtmäßig ist, wenn sie auf mindestens einen der dort genannten Rechtsgründe gestützt ist, eindeutig zum Ausdruck gebracht.[9]

Liegt keine Einwilligung der betroffenen Person vor, ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nur dann rechtmäßig, wenn sie erforderlich ist für die Erfüllung eines Vertrags oder die Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen, für die Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung, zum Schutz lebenswichtiger Interessen, zur Wahrnehmung einer Aufgabe im öffentlichen Interesse oder Ausübung öffentlicher Gewalt oder zur Wahrung berechtigter Interessen.

(…)

Fazit

Die Frage der Abgrenzung eines berechtigten Interesses, das zu einer Erhebung und Weiterleitung personenbezogener Daten berechtigt, vom Allgemeininteresse stellt sich bei Bildaufnahmen von verbotswidrig geparkten Fahrzeugen und der Übermittlung dieser Aufnahmen durch Private an die zuständigen Behörden in besonderer Weise. Mit der Fokussierung auf diese Frage erschöpft sich jedoch die datenschutzrechtliche Problematik keineswegs.

Nicht Gegenstand der streitbefangenen Verwarnungen und damit auch nicht der Urteile des Verwaltungsgerichts, aber ebenfalls datenschutzrechtlich relevant ist insbesondere die Fragestellung nach den Informationspflichten (Art. 13, 14 DS-GVO) der Privatperson und deren Pflicht zur Löschung der Bildaufnahmen (Art. 17 DS-GVO).

Bei der Verwendung von Internet-Portalen für die Übermittlung stellt sich darüber hinaus die Frage, ob sich deren Rolle auf die eines bloßen Auftragsverarbeiters nach Art. 28 DS-GVO beschränkt[10] oder eine gemeinsame Verantwortlichkeit der die Aufnahmen übermittelnden Privatperson mit dem Portalbetreiber nach Art. 26 DS-GVO vorliegt, und in welcher Weise die beiderseitigen Funktionen und datenschutzrechtlichen Pflichten und Beziehungen ausgestaltet sind.[11]

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in den Bayerischen Verwaltungsblättern 7/2023, S. 217.

[1] VG Ansbach, U.v. 02.11.2022 – AN 14 K 21.01431 – BayVBl. 2023, 241.

[2] VG Ansbach, U.v. 02.11.2022 – AN 14 K 22.00468 – openJur 2022, 23207.

[3] Delventhal, ZD-Aktuell 2022, 01448.

[4] Wanser, ZD-Aktuell 2021, 05574.

[5] Wanser, ZD-Aktuell 2021, 05574.

[6] VG Ansbach (Fn. 1) Rn. 74.

[7] VG Ansbach (Fn. 1) Rn. 82.

[8] EuGH, U.v. 22.06.2021, Latvijas Republikas Saeima – C-439/19 – BeckRS 2021, 15289 Rn. 99.

[9] Vgl. auch Erwägungsgrund 40 der DS-GVO.

[10] So Lehr/Becker, ZD 2022, 370/371 f.

[11] Wanser, ZD-Aktuell 2021, 05574.