Das Verwaltungsgericht München (VG) hatte sich mit der Frage des Kostenersatzes für Feuerwehreinsätze und in diesem Zusammenhang mit dem Begriff des „Einsatzes“ i. S. d. BayFwG in Abgrenzung zum „Ausrücken“ zu beschäftigen.
Sachverhalt
Die Klägerin wendet sich gegen ihre kostenmäßige Inanspruchnahme durch die Beklagte für ein Tätigwerden deren Freiwilliger Feuerwehr. Am 07.09.2021 entfernten Beschäftigte der Klägerin an der Grenze einer Baustelle zu einer höher gelegenen Straße Baustützen.
Nachdem danach die Böschung der Straße leicht abrutschte und sich Risse im Böschungsbereich zeigten, alarmierte die Polizei die Freiwillige Feuerwehr der Beklagten über die Feuerwehreinsatzzentrale. Das Alarmschreiben der Feuerwehreinsatzzentrale vom 07.09.2021 enthielt den „Hinweis: an der Baustelle – Baustützen entfernt – Straße könnte abrutschen / POL vor Ort“.
Die Freiwillige Feuerwehr sperrte in Abstimmung mit der Polizei zunächst den betroffenen Straßenabschnitt und regelte danach den Verkehr auf der dem Baugrundstück abgewandten Fahrbahn durch wechselweise Durchleitung.
Sämtliche Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr waren zunächst mit der Sperrung und dann mit der Verkehrsumleitung befasst, nicht mit irgendwelchen Maßnahmen auf der Baustelle selbst. Nachdem der Bauhof auf dem betroffenen Straßenabschnitt Absperrungen aufgestellt hatte, rückte die Freiwillige Feuerwehr wieder ab.
Mit Bescheid vom 08.04.2022 verpflichtete die Beklagte die Klägerin zum Ersatz der „durch den Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr“ am 07.09.2021 entstandenen Kosten in Höhe von 667,14 EUR.
Mit Schreiben vom 05.05.2022 legte die Klägerin Widerspruch ein. Dieser wurde vom Landratsamt zurückgewiesen. Mit Klage vom 13.12.2022 beantragte die Klägerin, den Kostenbescheid der Beklagten und den Widerspruchsbescheid des Landratsamts aufzuheben. Die Klage war erfolgreich.
Dem Urteil entnehmen wir:
Rechtsgrundlage für den Kostenersatz für Feuerwehreinsätze
„Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 Bayerisches Feuerwehrgesetz (BayFwG) können die Gemeinden nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen Ersatz der notwendigen Aufwendungen verlangen, die ihnen durch Ausrücken, Einsätze und Sicherheitswachen gemeindlicher Feuerwehren (Art. 4 Abs. 1 und 2 BayFwG) oder durch Einsätze hilfeleistender Werkfeuerwehren (Art. 15 Abs. 7 BayFwG) entstanden sind.
Nach Art. 4 Abs. 1 BayFwG werden der abwehrende Brandschutz und der technische Hilfsdienst durch gemeindliche Feuerwehren (Freiwillige Feuerwehren, Pflichtfeuerwehren, Berufsfeuerwehren) und nach Maßgabe des Art. 15 BayFwG durch Werkfeuerwehren besorgt (Satz 1). Die gemeindlichen Feuerwehren sind öffentliche Einrichtungen der Gemeinde (Satz 2).
Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BayFwG sind die Feuerwehren verpflichtet, Sicherheitswachen zu stellen, wenn dies von der Gemeinde angeordnet oder aufgrund besonderer Vorschriften notwendig ist und die Sicherheitswache rechtzeitig angefordert wird. Gemäß Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayFwG ist das Absichern, Abräumen und Säubern von Schadensstellen nur insoweit ihre Aufgabe, als es zur Schadensbekämpfung oder Verhinderung weiterer unmittelbar drohender Gefahren notwendig ist.
Nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 2 BayFwG kann Kostenersatz nach Absatz 1 verlangt werden für sonstige Einsätze im technischen Hilfsdienst, mit Ausnahme der Einsätze oder Tätigkeiten, die unmittelbar der Rettung oder Bergung von Menschen und Tieren dienen.
Zum Ersatz der Kosten ist nach Art. 28 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayFwG verpflichtet, wer in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 2 die Gefahr, die zu dem Einsatz der Feuerwehr geführt hat, verursacht hat oder sonst zur Beseitigung der von der Feuerwehr behobenen Gefahr verpflichtet war.
Art. 7a Gesetz über Zuständigkeiten im Verkehrswesen (ZustGVerk) regelt, dass zur Sicherung von Einsatz- und Übungsstellen sowie von Veranstaltungen – vorbehaltlich anderer Entscheidungen der Straßenverkehrs- und Straßenbaubehörden sowie der Polizei – Führungsdienstgrade der Feuerwehr oder die von ihnen im Einzelfall damit beauftragten Mannschaftsdienstgrade und Helfer die Befugnisse der Polizei nach § 36 Abs. 1, § 44 Abs. 2 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) und der Straßenverkehrsbehörde nach § 45 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 5 StVO ausüben und die nötigen Verkehrszeichen und -einrichtungen anstelle der Baulastträger oder Eigentümer der Straße nach § 45 Abs. 5 Satz 1 StVO aufstellen dürfen.“
Abgrenzung der Begriffe „Einsatz“ und „Ausrücken“
„Sowohl der von der Beklagten als Rechtsgrundlage für den … Kostenersatz herangezogene Art. 28 Abs. 2 Nr. 2 BayFwG als auch Art. 7a ZustGVerk setzen … als Tatbestandsmerkmal einen ,Einsatz‘ bzw. eine ,Einsatzstelle‘ (eine ,Übungsstelle‘ oder eine ,Veranstaltung‘ lag hier offensichtlich nicht vor) voraus.
Das BayFwG enthält keine gesetzliche Definition des Begriffes ,Einsatz‘. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat aber unter Verweis auf den Wortlaut des Art. 28 Abs. 1 Satz 1 BayFwG klargestellt (… BayVGH, Urt. v. 27.06.2012 – 4 BV 11.2549 – Juris), dass Art. 28 BayFwG zwischen zwei Phasen des Tätigwerdens unterscheidet: Der Phase des ,Ausrückens‘, wozu nicht nur das Verbringen von Einsatzkräften, Fahrzeugen und sonstigem Material zum eigentlichen Einsatzort zählt, sondern etwa auch eine vor Ort durchgeführte Erkundung der Lage zum Zweck der Gefahrerforschung …, und der Phase des ,Einsatzes‘.
Der Zeitpunkt, an dem ein ,Ausrücken‘ in einen ,Einsatz‘ (im kostenrechtlichen Sinne) umschlägt, liegt im Beginn des unmittelbar der Brandbekämpfung oder Hilfeleistung dienenden Personal- und Geräteeinsatzes, nicht dagegen schon z. B. in einer vor Ort durchgeführten Erkundung der Lage zum Zwecke der Gefahrenerforschung (… vgl. für einen Fall von lediglich Transport von Personal und Material zu einem potentiellen Einsatzort, der Gefahrerforschung sowie der Vorbereitung eines etwaigen Einsatzes [Absperren der Straße, Abstellen Einsatzfahrzeuge, Vorbereiten Hydrant etc.] ohne unmittelbare Maßnahmen der Gefahrenabwehr: VG München, Urteil vom 27.6.2023 – M 13 K 20.5924 – juris … – rechtskräftig).
Dem entsprechend kann es sich bei einer ,Schadensstelle‘ im Sinne des Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayFwG, bei der insbesondere auch das ,Absichern‘ nur unter den dort genannten Voraussetzungen Aufgabe der Feuerwehr ist, nur um eine solche handeln, an der ein Einsatz der Feuerwehr stattfindet.“
Rein verkehrsregelnde Maßnahmen kein Einsatz
„Im hier zu entscheidenden Fall ist in dem Tätigwerden der Freiwilligen Feuerwehr der Beklagten am 07.09.2021 kein Einsatz im Sinne des Art. 28 Abs. 2 Nr. 2 BayFwG zu sehen. Es kam schon nach dem Wortsinn nicht zu einer ,technischen Hilfeleistung‘, die das Personal der Freiwilligen Feuerwehr mit seiner Ausbildung, seinem Wissen und seiner Erfahrung oder deren technische Ausstattung mit Feuerwehrfahrzeugen und/oder spezifischer Ausrüstung und Geräten oder Material erfordert hätte.
Das Tätigwerden der Freiwilligen Feuerwehr beschränkte sich nach den ohne Weiteres glaubhaften Ausführungen des in der mündlichen Verhandlung als Zeugen einvernommenen Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr und damaligen Einsatzleiters vielmehr darauf, zunächst den von einer potenziellen Abrutschung betroffenen Straßenabschnitt komplett zu sperren und danach den Verkehr auf der dem Baugrundstück abgewandten Fahrbahn wechselweise durchzuleiten, also auf rein verkehrsregelnde Maßnahmen.
Es kam gerade nicht zu einem Einsatz der Freiwilligen Feuerwehr auf dem Baugrundstück selbst in Form von Tätigkeiten, die ein weiteres Abrutschen hätten verhindern sollen, wie beispielsweise in dem vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Urteil vom 26.03.2009 (4 B 06.828 – juris …) entschiedenen Fall, in dem die dortige Freiwillige Feuerwehr zur Absicherung eines Hanges gegen weiteres Abrutschen erforderliche Maßnahmen traf, Sperren mittels Sandsäcken errichtete und Sperrwände aufstellte (vgl. Rn. 6 des Urteils).
Absicherung der Böschung durch Bauhof
Im hier vorliegenden Fall hat der Kommandant der Feuerwehr seiner Aussage nach gar nicht mitbekommen, was auf der Baustelle selbst für Maßnahmen zur Absicherung gegen eine weitere Hang-Abrutschung getroffen worden sind. Nach den Ausführungen der Bevollmächtigten der Beklagten … wurde eine Absicherung der Böschung durch den Bauhof vorgenommen.
Daran ändern auch die von der Bevollmächtigten der Beklagten im Schriftsatz … nahezu wörtlich zitierten Ausführungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs unter Rn. 29 im Urteil vom 21.11.20192) (4 B 19.649 – juris …) nichts. Denn an der entscheidenden Stelle hat diese den Passus ,Wird wie hier nach einem Verkehrsunfall die Schadensstelle nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2 BayFwG abgesichert, so handelt die Feuerwehr im Rahmen ihrer gesetzlichen Pflichtaufgaben; …‘ abgeändert in ,Wird wie hier nach einem derartigen Ereignis …‘.
Dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs lag eine Fallkonstellation zu Grunde, in der es wegen eines Verkehrsunfalls sehr wohl zu einem Einsatz der dortigen Freiwilligen Feuerwehr kam. Ohne einen solchen Bezug zu einem Einsatz würden rein verkehrsregelnde Maßnahmen der Freiwilligen Feuerwehr selbst zum Einsatz hochstilisiert, was im geltenden Recht keine Grundlage findet.“
(…)
Verwaltungsgericht München, Urt. v. 30.04.2024 – M 13 K 22.6185
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Fundstelle Bayern 21/2024, Rn. 242.