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Entziehung der Fahrerlaubnis bei hohem Aggressionspotenzial

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Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hat im Fall einer Fahrerlaubnisentziehung im Zusammenhang mit hohem Aggressionspotenzial des Betroffenen beschlossen, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf dessen Nichteignung schließen darf, wenn dieser das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt.

Nach Anordnung durch die Fahrerlaubnisbehörde legte der Fahrerlaubnisinhaber ein medizinisch-psychologisches vom 19.04.2022 vor. Dieses kam zum Ergebnis, es sei zu erwarten, dass er auch künftig erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche bzw. strafrechtliche Bestimmungen verstoßen werde, sodass dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen sei. Die zugrunde liegende Begutachtungsanordnung war dabei auf mehrere Straftaten im Zeitraum von 2012 bis 2019 gestützt worden.

Erstbegutachtung

Ausschlaggebend für die Beibringungsaufforderung war insbesondere eine Verurteilung zu einer mehrmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen eines vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung am 15.06.2019.

Mit Bescheid vom 23.06.2022 entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Betroffenen die Fahrerlaubnis und forderte ihn unter Androhung eines Zwangsgelds auf, seinen Führerschein innerhalb einer Woche ab Zustellung des Bescheids abzugeben.

Ferner ordnete sie die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an. Nach dem Ergebnis des Gutachtens vom 19.04.2022 sei er ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen. Am 15.07.2022 erhob der Betroffene Widerspruch, über den bislang noch nicht entschieden wurde.

Nochmalige Begutachtung angekündigt

Zur Begründung seines Widerspruchs hatte er vorgetragen, er betreibe als Einzelunternehmer einen kleinen Gartenbaubetrieb und sei aus beruflichen Gründen dringend auf seine Fahrerlaubnis angewiesen. Zudem erhob er eine Reihe von Einwänden gegen das vorgelegte Gutachten und verwies u.a. auf eine positive Einschätzung seiner Bewährungshelferin vom 25.03.2022 zum Rückfallrisiko.

Am 15.09.2022 teilte der Betroffene des Weiteren mit, er wolle sich im Widerspruchsverfahren einer nochmaligen Begutachtung der bisherigen Begutachtungsstelle unterziehen.

Beschwerde beim VGH erfolglos

Daraufhin forderte die Fahrerlaubnisbehörde ihn am 23.09.2022 erneut auf, binnen drei Monaten ein medizinisch-psychologisches Gutachten vorzulegen. Der Betroffene teilte dann im Oktober 2022 mit, eine neue Begutachtungsstelle gewählt zu haben, bat Ende Dezember 2022 um eine Fristverlängerung, da er erst im kommenden Januar einen Termin erhalten habe, und beanstandete Ende Februar 2023 die Fragestellung für das Gutachten.

Ein weiteres Gutachten brachte er in der Folge nicht bei. Nachdem die Fahrerlaubnisbehörde ankündigte, den Widerspruch alsbald der Regierung von Oberbayern vorzulegen, ließ der Betroffene einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stellen, den das Verwaltungsgericht (VG) mit Beschluss vom 24.07.2023 ablehnte.

Keine Beibringung eines weiteren Gutachtens

Bei summarischer Prüfung erweise sich die Entziehung der Fahrerlaubnis als rechtmäßig. Nach dem vorgelegten Gutachten, das verwertbar und insbesondere inhaltlich nachvollziehbar sei, sei er als ungeeignet zum Führen eines Fahrzeuges anzusehen.

Aus der auf Wunsch des Betroffenen erlassenen Aufforderung zur Beibringung eines weiteren Gutachtens im Widerspruchsverfahren ergebe sich nichts anderes. Dagegen richtete sich die Beschwerde des Betroffenen beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH). Die Beschwerde blieb ohne Erfolg.

Fahrerlaubnisentziehung bei Nichteignung verpflichtend

Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der VGH gem. § 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO beschränkt ist, ergab sich nicht, dass die Entscheidung des VG zu ändern und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen wäre.

Zu seiner Entscheidung hat der VGH im Wesentlichen dargelegt, dass nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des StVG, die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen hat, wenn sich ihr Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist.

Gutachtenanordnung bei hohem Aggressionspotenzial

Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) gilt dies insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist.

Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken begründen, dass der Inhaber einer Fahrerlaubnis zum Führen eines Kraftfahrzeugs ungeeignet oder bedingt geeignet ist, finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung.

Nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 FeV kann die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung (medizinisch-psychologisches Gutachten) angeordnet werden bei Straftaten, die im Zusammenhang mit der Kraftfahreignung stehen, insbesondere, wenn Anhaltspunkte für ein hohes Aggressionspotenzial bestehen.

Schluss auf Nichteignung zulässig

Weigert sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen, oder bringt er der Fahrerlaubnisbehörde das von ihr geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf diese gem. § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen.

Der Schluss aus der Nichtvorlage eines angeforderten Fahreignungsgutachtens auf die fehlende Fahreignung ist dann gerechtfertigt, wenn die Anordnung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig war.

Bei feststehender Ungeeignetheit ist die Entziehung der Fahrerlaubnis zudem zwingend, ohne dass der Fahrerlaubnisbehörde ein Ermessensspielraum zukommen würde. Dies gilt auch bei Nichtvorlage eines zu Recht geforderten Fahreignungsgutachtens.

(…)

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 10.10.2023 – 11 CS 23.1476

Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Gemeindeverwaltung Rheinland-Pfalz 2/2025, Rn. 9.