Rechtliches Sicherheit

Verkehrsunfall zwischen jugendlichem Radfahrer und Pkw

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Das Oberlandesgericht Celle hatte in einem Berufungsverfahren über Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall eines jugendlichen Radfahrers mit einem Pkw zu entscheiden.

Der Jugendliche war mit seinem Fahrrad auf einem Gehweg entgegen der zugelassenen Fahrtrichtung unterwegs, als ein Pkw aus einer Ausfahrt auf die Fahrbahn fahren wollte. Dabei kam es zur Kollision des Fahrrads mit dem Pkw. Das Landgericht (LG) hatte die Schadensersatzklage des Jugendlichen gegen die Pkw-Fahrerin und deren Haftpflichtversicherung abgewiesen (LG Lüneburg, Urt. v. 10.07.2024 – 3 O 137/23).

Rechtssache ohne grundsätzliche Bedeutung

Eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung ist nicht erforderlich. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Die Berufung hat nach vorläufiger Beurteilung auch offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Dabei ist der Senat gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die vom LG festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Das Urteil des Landgerichts ist nicht zu beanstanden

Im vorliegenden Fall ist unter keinem der vorgenannten Gesichtspunkte eine Änderung der angefochtenen Entscheidung des LG veranlasst.

Maßgebliche Erwägungen

Hierfür sind folgende Erwägungen maßgeblich: Die Beklagte haftet vorliegend grundsätzlich für die Folgen des Verkehrsunfalls aus § 7 Abs. 1, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, §§ 249, 253 BGB. Denn der Kläger hat durch den Verkehrsunfall und damit bei dem Betrieb des von der Beklagten zu 1) geführten und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Kraftfahrzeugs im Sinne des § 7 Abs. 1 StVG Verletzungen erlitten.

Ein Fall höherer Gewalt gem. § 7 Abs. 2 StVG ist von den Beklagten zutreffend nicht geltend gemacht worden. Die Haftung der Beklagten zu 2) ist auch nicht gem. § 17 Abs. 3 StVG wegen Vorliegens eines unabwendbaren Ereignisses ausgeschlossen.

Unabhängig davon, dass der Unfall – wie das LG zutreffend ausführt – für die Beklagte zu 1) nicht unabwendbar war, können sich die Beklagten hierauf bei einem Unfall unter Beteiligung eines nicht motorisierten Verkehrsteilnehmers von vornherein nicht berufen.

Anspruchsminderndes Eigenverschulden des Radfahrers

Der Kläger hat gegen § 1 Abs. 2 StVO verstoßen, weil er den Gehweg entgegen der für Fahrradfahrer zugelassenen Fahrtrichtung befahren hat. Vorliegend stand nach der vom LG eingeholten amtlichen Auskunft des Landkreises H., dass das Befahren des Gehwegs mit dem Fahrrad zwar in Fahrtrichtung, nicht aber entgegen der Fahrtrichtung zulässig ist.

Dieses Verhalten muss sich der Kläger – wie das LG ebenfalls richtig angenommen hat – als anspruchsminderndes Mit- bzw. Eigenverschulden nach § 9 StVG, § 254 Abs. 1 BGB entgegenhalten lassen. Insbesondere weil der Kläger verkehrswidrig den nicht in dieser Fahrtrichtung freigegebenen Gehweg benutzte, hätte er besonders vorsichtig sein sowie bedenken müssen, dass Kraftfahrer nicht nur im Bereich einmündender untergeordneter Straßen, sondern auch bei der Ausfahrt aus einem Grundstück und dem Einbiegen auf eine Vorfahrtstraße nach rechts mit Verkehr von rechts häufig nicht rechnen.

Der Verkehrsverstoß des Klägers war – wie der Unfallhergang gezeigt hat – auch kausal für das Unfallgeschehen.

Im Rahmen der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsanteile hat das LG dem Verkehrsverstoß des Klägers bereits ein erhebliches Gewicht beigemessen. Die insoweit vom LG in Ansatz gebrachte Haftungsquote ist jedenfalls nicht zu Lasten der Beklagten zu 2) zu beanstanden.

(…)

Amtlicher Leitsatz

1. Bei Unfällen zwischen einem aus einer Ausfahrt kommenden Kfz (§ 10 StVO) und einem den Gehweg befahrenden Radfahrer (Verstoß gegen §§ 1 Abs. 2 Satz 2, Abs. 5 StVO), soweit der Radfahrer älter als 10 Jahre und keine Aufsichtsperson i. S. d. § 2 Abs. 5 Satz 3 StVO ist, kommt in der Regel eine Schadensteilung in Betracht, die sich nach den Umständen des Einzelfalls richtet.

2. Ist ein unfallursächlicher schuldhafter Verkehrsverstoß des Kraftfahrzeugführers nicht nachgewiesen, kann grundsätzlich auch die Alleinhaftung des Radfahrers erwogen werden, wenn bei diesem ein grober Verkehrsverstoß feststeht.

3. Wenn es sich bei einem Unfallteilnehmer nicht um einen Erwachsenen, sondern noch um einen Jugendlichen handelt, der aufgrund seiner noch nicht abgeschlossenen Entwicklung und geringeren Lebenserfahrung weitaus sorgloser und nicht so umsichtig im Straßenverkehr agiert wie ein Erwachsener, ist dies bei der Haftungsabwägung zu beachten.

OLG Celle, Beschl. v. 15.10.2024 – 14 U 143/24

Den vollständigen Beitrag lesen Sie im RdW-Kurzreport 10/2025, Rn. 130.