Organisations- und Führungskonzepte Prävention

Bedrohungen erkennen, bevor sie eskalieren – Teil 2

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Nachdem in Teil 1 zum Thema Bedrohungsmanagement dessen Fundament erörtert wurde, fokussiert Teil 2 auf weitere zentrale Aspekte – wie etwa das Zusammenspiel von Verlässlichkeit und Anpassungsfähigkeit –, die erforderlich sind, um ein wirksames Bedrohungsmanagement zu schaffen.

Neben der so essenziellen Vernetzung aller relevanten Akteure braucht wirksames Bedrohungsmanagement vor allem eines: Vertrauen und Vertraulichkeit im Umgang mit sensiblen Informationen. Oft geht es bei ersten Hinweisen um sehr persönliche, teils schambesetzte Beobachtungen, ungeprüfte Vorwürfe oder Situationen, die für Betroffene und Meldende emotional belastend sind.

Hohes Maß an Sensibilität vonnöten

Umso wichtiger ist ein professioneller, respektvoller Umgang mit diesen Informationen – diskret, strukturiert und nachvollziehbar. Nur wenn sich Mitarbeitende darauf verlassen können, dass ihre Hinweise vertraulich behandelt und nicht vorschnell bewertet werden, entsteht die Offenheit, die es braucht, um Risiken frühzeitig zu erkennen und dann den Mut aufzubringen, diese zu melden.

Ein hohes Maß an Sensibilität gegenüber den Meldenden und der Schutz personenbezogener Daten sind daher kein formaler Zusatz, sondern Grundbedingung für funktionierendes Bedrohungsmanagement – insbesondere in einem organisationalen Umfeld, das auf Vertrauen und Zusammenarbeit angewiesen ist.

Zusammenspiel von Verlässlichkeit und Anpassungsfähigkeit

Prozessuale Verlässlichkeit und flexible Strukturen klingt zunächst nach einem Widerspruch – ist es aber nicht. Ein wirksames Bedrohungsmanagement erfordert einerseits prozessuale Verlässlichkeit – also klar definierte Abläufe, Zuständigkeiten und Kommunikationswege, die im Ernstfall sofort greifen. Standardisierte Prozesse bieten Orientierung, schaffen Handlungssicherheit und gewährleisten, dass Warnsignale nicht übersehen oder falsch eingeschätzt werden.

Gleichzeitig müssen diese Strukturen ausreichend flexibel sein, um auf die individuellen Dynamiken eines konkreten Falls reagieren zu können. Denn Bedrohungsszenarien verlaufen selten linear oder nach Schema F. Vielmehr braucht es ein System, das standardisierte Grundlagen mit der Fähigkeit zur situativen Anpassung verbindet – beispielsweise durch interdisziplinäre Fallkonferenzen, abgestufte Eskalationsstufen oder die Möglichkeit, externe Expertise zeitnah einzubinden.

Erst das Zusammenspiel von Verlässlichkeit und Anpassungsfähigkeit gekoppelt mit Sensibilität und Vertraulichkeit machen Bedrohungsmanagement in der Praxis wirklich handlungsfähig.

Was braucht es noch …

Was braucht es noch, um „vor die Lage“ zu kommen? Wachsamkeit im Umgang mit potenziellen Bedrohungssignalen ist ein wesentlicher Bestandteil der Unternehmenskultur – doch sie allein reicht nicht aus. Entscheidend ist, dass alle Mitarbeitenden wissen: die erste Wahrnehmung oder Meldung eines ungewöhnlichen Verhaltens kann bei ganz unterschiedlichen Personen ankommen – etwa bei Führungskräften, Standortverantwortlichen oder auch bei Sozialpartner und Personalräten.

Diese ersten Ansprechpersonen müssen in der Lage sein, eine erste grobe Einschätzung vorzunehmen: Handelt es sich um eine substanzielle Bedrohung oder eher um eine flüchtige Äußerung ohne konkreten Hintergrund? Ist die Situation kritisch oder unkritisch zu bewerten? Dafür braucht es ein Grundverständnis von Risikodynamiken, klare interne Ansprechwege und vor allem ein gut funktionierendes, interdisziplinär vernetztes System, das Meldungen sinnvoll einordnet und professionell weiterbearbeitet – bevor aus Unsicherheit Untätigkeit wird.

Forum Bedrohungsmanagement

Weiterführende Impulse, Praxisaustausch und aktuelle Entwicklungen zum Thema finden sich im Forum Bedrohungsmanagement e.V. – einer interdisziplinären Plattform für Fachleute aus Sicherheit, Personal, Psychologie und Organisationsentwicklung. Wer Bedrohungsmanagement als gemeinsame Verantwortung versteht und weiterentwickeln möchte, findet dort Raum für Vernetzung, Diskussion und konkrete Handlungshilfen.