Bezüglich der Frage einer Brandverursachung hat das Oberlandesgericht München geurteilt, dass ein weiterer Vortrag des Geschädigten für das Eingreifen der Grundsätze über den Anscheinsbeweis nicht erforderlich ist, wenn feuergefährliche Arbeiten vorgenommen werden und ein räumlicher und zeitlicher Zusammenhang zur Entstehung eines Brandes besteht.
Dem unten vermerkten Urteil des Oberlandesgerichts München (OLG) vom 04.02.2025 lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Sachverhalt
Die Klägerin macht als Gebäudeversicherer einer Wohnungs- und Grundstücksgesellschaft Schadensersatzansprüche wegen eines Brandschadens an Gebäuden geltend. Im Rahmen der Errichtung des Gebäudekomplexes beauftragte die Versicherungsnehmerin der Klägerin die Beklagte zu 1) mit der Durchführung von Abdichtungs- und Spenglerarbeiten. Im Rahmen dieses Auftrages nahmen die Beklagten zu 2) und zu 3) als Arbeitnehmer der Beklagten zu 1) für diese am 08.07.2020 Arbeiten an den Freisitzen des Objektes, insbesondere am Haus B vor.
Flüssiggasbrenner
Die Arbeiten erfolgten arbeitsteilig dergestalt, dass der Beklagte zu 2) die Unterseite der aufzubringenden Bitumenbahnen mittels eines Flüssiggasbrenners erhitzte und der Beklagte zu 3) diese erhitzten Bitumenbahnen dann auf der Oberfläche des Freisitzes aufbrachte. Diese Arbeiten waren zwischen 11:15 Uhr und 11:30 Uhr abgeschlossen. Die Beklagten zu 2) und zu 3) verließen um 14:00 Uhr die Baustelle.
Der Flüssiggasbrenner wurde auf dem Freisitz mit verriegeltem Ventil und geschlossenem Regler am Brenner zurückgelassen. Im weiteren Verlauf kam es zu einem Brand des Gebäudekomplexes, der in der folgenden Nacht auf den 09.07.2020 gegen 01:20 Uhr von Anwohnern bemerkt wurde.
Streitgegenständliche Ersatzansprüche
Leistungen der Klägerin an ihre Versicherungsnehmerin zur Schadensregulierung sind bereits erfolgt. Nach derzeitiger Kenntnis geht die Klägerin von einem Schaden in Höhe von 1.575.957,53 € aus. Die Klägerin machte die streitgegenständlichen Ersatzansprüche vorgerichtlich gegenüber der Haftpflichtversicherung der Beklagten geltend, die aber eine Haftung der Beklagten nicht anerkannte.
Das Erstgericht hat die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe die Verursachung des Brandes durch die Beklagten nicht nachgewiesen. Es könne dahinstehen, ob ein Anscheinsbeweis zum Tragen komme, dieser sei jedenfalls entkräftet. Es bestehe die ernsthafte Möglichkeit, dass der Brand durch unbekannte Dritte verursacht worden sei, da die Baustelle frei zugänglich und der Freisitz über das nicht gesicherte Baugerüst oder die Tiefgarage jederzeit erreichbar gewesen sei und Anwohner mehrfach den Aufenthalt von Jugendlichen auf dem Baustellengelände vor allem in den Abend- und Nachtstunden bemerkt hatten.
Ungesicherte Zurücklassen des Gasbrenners
Auch durch das ungesicherte Zurücklassen des Gasbrenners hätten die Beklagten den Brand nicht zurechenbar verursacht, da ein vorsätzliches unbefugtes Betreten der Baustelle und eine anschließende vorsätzliche oder fahrlässige Brandverursachung durch Dritte nicht dem Verantwortungsbereich der Beklagten zuzurechnen seien. Diese hätten angesichts der bestehenden Sicherheitsvorkehrungen nicht damit rechnen müssen, dass Unbefugte die Baustelle betreten und den Gasbrenner benutzen könnten.
Die Berufung der Klägerin war erfolgreich. Das OLG stellt fest, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin und deren Versicherungsnehmerin den Schaden zu ersetzen, der durch das Brandereignis entstanden ist und noch entstehen wird. Dem Urteil entnehmen wir auszugsweise:
Anscheinsbeweis bei der Feststellung von Brandursachen
„Der Anscheinsbeweis erlaubt bei typischen Geschehensabläufen den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs oder eines schuldhaften Verhaltens ohne exakte Tatsachengrundlage, sondern aufgrund von Erfahrungssätzen als aus allgemeinen Umständen gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen …
Typizität bedeutet dabei nicht, dass die Verkettung bei allen Sachverhalten dieser Gruppe immer vorhanden ist. Sie muss aber so häufig vorkommen, dass die Wahrscheinlichkeit, einen solchen Fall vor sich zu haben, sehr groß ist … Die Tatsachen, aus denen nach einem solchen Erfahrungssatz auf eine typischerweise eintretende Folge oder (umgekehrt) eine bestimmte Ursache geschlossen werden kann, müssen entweder unstreitig oder mit Vollbeweis bewiesen sein …
Ein Anscheinsbeweis kommt grundsätzlich auch bei der Feststellung von Brandursachen in Betracht. Werden feuergefährliche Arbeiten vorgenommen und besteht ein räumlicher und zeitlicher Zusammenhang, so ist ein weiterer Vortrag des Geschädigten für das Eingreifen der Grundsätze über den Anscheinsbeweis nicht erforderlich. Insbesondere muss nicht der konkrete Kausalverlauf geklärt werden …“
(…)
Keine Erschütterung des Anscheinsbeweises
„Der Anscheinsbeweis greift nicht ein, wenn das Schadensgeschehen Umstände aufweist, die es ernsthaft als möglich erscheinen lassen, dass der Schadensfall anders abgelaufen ist als nach dem ,Muster‘ der der Anscheinsregel zugrunde liegenden Erfahrungstypik. Die häufig nicht auszuschließende reine Denkmöglichkeit, dass ein bestimmtes Schadensereignis auch durch eine andere Ursache ausgelöst worden ist als diejenige, für die ein Anscheinsbeweis spricht, reicht jedoch noch nicht aus, um den Anscheinsbeweis zu erschüttern.
Der Hinweis auf eine solche Möglichkeit eines anderen Verlaufs entkräftet deshalb den Anscheinsbeweis noch nicht. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzukommen, die wegen dieser Abweichungen des Sachverhalts von den typischen Sachverhalten einen solchen Geschehensablauf als ernsthafte, ebenfalls in Betracht kommende Möglichkeit nahelegen.
Diese Umstände, aus denen sich die ernste Möglichkeit einer anderen Ursache ergeben soll, müssen gegebenenfalls vom Gegner des Beweispflichtigen zur Überzeugung des Tatrichters nachgewiesen werden (BGH, Urt. v. 03.07.1990 – VI ZR 239/89, juris Rn. 16 …).
Konkrete Anhaltspunkte für andere Ursache nicht ersichtlich
Nach diesem Maßstab liegt keine Erschütterung des Anscheinsbeweises vor. Wie bereits ausgeführt … sind konkrete Anhaltspunkte für eine andere Ursache nicht ersichtlich. Umstände, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit einer anderen Ursache ergibt, sind nicht nachgewiesen …
Die Zeugin R. … musste nicht vernommen werden. Die Zeugin soll dazu vernommen werden, dass sie glaube, zur Nachtzeit Schritte auf dem Gerüst der gegenständlichen Gebäude gehört zu haben, dass sie immer wieder Jugendliche zur Nachtzeit gehört habe und glaube, dass von diesen Partys auf oder in der Baustelle gefeiert wurden … Diese Aussage, ihre Richtigkeit unterstellt, ist jedoch derart unkonkret, dass hieraus nicht die ernsthafte Möglichkeit einer anderen Ursache folgen kann …
Trocknung von Bauteilen mit Brennerflamme
Auch weitere Feststellungen zum Voranstrich … können unterbleiben. Wie sich aus dem Vortrag der Beklagten ergibt, hatte der Sachverständige vermutet, dass möglicherweise einige Bauteile mit der Brennerflamme getrocknet werden mussten, um die Abdichtung erstellen zu können. Dem treten die Beklagten entgegen mit der unter Beweis gestellten Behauptung, dass ausgeschlossen sei, dass Bauteile mit der Brennerflamme erwärmt worden seien, da in diesem Fall der Voranstrich des Untergrunds der Bitumenbahnen zu brennen begonnen hätte.
Auf die Vermutung des Sachverständigen kommt es jedoch nicht an. Denn ob eine Trocknung von Bauteilen mit der Brennerflamme erfolgt ist, ist nicht von Bedeutung, hieraus wird der Anscheinsbeweis nicht hergeleitet. Vielmehr folgt der Schluss auf die Brandverursachung durch die Beklagten zu 2) und zu 3) aus dem Umstand, dass die Beklagten zu 2) und zu 3) auf engem Raum in unmittelbarer Nähe zu einer brandgefährdeten Umgebung Arbeiten mit einer heißen Flamme durchgeführt haben.“
Verschulden
Dies gilt auch für das Verschulden der Beklagten zu 2) und zu 3) im Rahmen ihrer deliktischen Haftung, wenn – wie hier – eine objektive Verletzung der Verkehrssicherungspflicht und eine Verletzung eines Schutzgesetzes vorliegt (vgl. Grüneberg/Grüneberg, BGB, 83. Aufl. 2024, § 823 Rn. 54, 81).
Eine Entlastung gelingt den Beklagten nicht. Aufgrund der Gefährlichkeit der vorgenommenen Arbeiten durften die Beklagten nicht einfach darauf vertrauen, dass die Wände nicht brennbar seien, ohne dies überprüft zu haben. Die Beklagten führen selbst aus, dass sie keine Kenntnis darüber hatten, dass sich hinter dem Putz kein massives Mauerwerk befindet …
Dass sie keine Kenntnis haben konnten (weil der Bereich nicht einsehbar gewesen sei und kein Hinweis erfolgt sei), ist unzutreffend. Vielmehr wäre den Beklagten eine Erkundigung bei der Versicherungsnehmerin, der Vertragspartnerin der Beklagten zu 1), ohne Weiteres möglich gewesen.“
Oberlandesgericht München, Urt. v. 04.02.2025 – 9 U 2443/24 Bau e
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Fundstelle Bayern 17/2025, Rn. 182.