Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat entschieden, dass die Annahme im Regelfall gerechtfertigt ist, dass ein Erlaubnisinhaber Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird, wenn dessen Zuordnung als „Reichsbürger“ auf Basis äußerer Tatsachen gerechtfertigterweise anzunehmen ist.
Im Rahmen eines Bußgeldverfahrens wegen eines Verkehrsverstoßes übersandte die Erlaubnisinhaberin dem Polizeiverwaltungsamt am 24.10.2022 einen mit „AKZEPTANZ“ überschriebenen, handschriftlich unterzeichneten Brief, in dem sie u. a. ausführt, das Schreiben erhalten und als Angebot erkannt zu haben. Dieses nehme sie an, wenn u. a. eine notarielle Beglaubigung der Gründungsurkunde der Bundesrepublik Deutschland sowie des Bundeslandes Bayern vorgelegt werde; andernfalls gehe sie davon aus, dass der Absender „privat vertragsrechtlich und Ihre Behörde nach Firmen- und Vertragsrecht als Unternehmen“ handele und arbeite.
Zugehörigkeit zur „Reichbürgerszene“
In einem anlässlich dieses Schreibens geführten Telefonat mit der Polizei hat sich die Erlaubnisinhaberin davon distanziert, „Reichsbürgerin“ zu sein. Sie sehe eine (medial weit verbreitete) Durchsuchungsaktion bei „Reichsbürgern“ als PR-Gag und als „fake“ an. Ihr Schreiben vom 24.10.2022 sei ein „Versuchsballon“ gewesen, sie habe es im Internet gefunden und austesten wollen, wie die Behörde reagiere.
Ausweislich polizeilicher Erkenntnisse hat die Erlaubnisinhaberin wenige Tage nach dem Telefonat an einem Vortrag des „Reichsbürgers“ M. teilgenommen. Über diese Erkenntnisse informierte die Polizei das Landratsamt, das nach Anhörung mit Bescheid vom 26.04.2023 unter Verweis auf die fehlende Zuverlässigkeit
- den Jagdschein der Erlaubnisinhaberin für ungültig erklärte und einzog (Nr. 1),
- die Waffenbesitzkarte widerrief (Nr. 3) und
- zur Abgabe der Dokumente verpflichtete (Nr. 2; Nr. 4).
Im Übrigen wurden
- entsprechende Nebenanordnungen nach § 46 WaffG erlassen (Nr. 5) sowie
- ein Zwangsgeld und die Sicherstellung angedroht (Nr. 6).
Die Erlaubnisinhaberin hat gegen den gesamten Bescheid mit Schriftsatz vom 30.05.2023 Anfechtungsklage erhoben. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt sie ebenfalls erfolglos.
Bei waffenrechtlicher Zuverlässigkeitsprüfung Prognose erforderlich
Nach § 45 Abs. 2 WaffG ist eine Erlaubnis nach diesem Gesetz zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Dies ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i. V. m. § 5 WaffG insbesondere der Fall, wenn sich die Erlaubnisinhaberin im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses als unzuverlässig i. S. v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG erweist. Die Zuverlässigkeitsprüfung ist grundsätzlich prospektiv ausgerichtet und verlangt die Vornahme einer Prognose.
Bei Zuordnung als „Reichsbürger“ im Regelfall Negativprognose
Im Regelfall ist die Annahme gerechtfertigt, dass ein Erlaubnisinhaber insbesondere i. S. d. § 5 Abs. 2 Nr. 2 a) WaffG Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird, wenn auf Basis von äußeren Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er „Reichsbürger“ ist bzw. der „Reichsbürgerszene“ zuzuordnen ist.
Dieser Prognosezusammenhang bzw. Erfahrungssatz ist in der Rechtsprechung anerkannt und wird auch durch das klägerische Vorbringen nur pauschal, aber nicht substanziiert in Zweifel gezogen. Gleiches gilt für die entsprechenden jagdrechtlichen Vorschriften.
Bestimmung des Begriffs „Reichsbürger“
Mit dem Wort „Reichsbürger“ bzw. der Rede von der Nähe oder der Zuordnung zur so bezeichneten Szene oder Bewegung wird das Vorliegen und Offenbaren von spezifischen Ansichten, Einstellungen, Denk- und Handlungsmustern des Erlaubnisinhabers auf den Begriff gebracht, die die entsprechende Prognose rechtfertigen.
Es kommt deshalb nicht auf eine persönliche und konkrete organisatorische Verbindung des betroffenen Erlaubnisinhabers in eine Reichsbürgerszene oder Reichsbürgerbewegung hinein an. Es kommt auch nicht darauf an, ob sich der Betreffende selbst als Reichsbürger bezeichnet oder versteht.
Feststellung verfestigter „Reichsbürger-Haltung“ Frage des Einzelfalls
Ob eine Person eine – ausreichend verfestigte – „Reichsbürger-Haltung“ zum Ausdruck gebracht hat und deshalb als waffenrechtlich unzuverlässig angesehen werden kann, ist eine Frage des Einzelfalls. Es kommt auf eine Gesamtwürdigung aller Umstände, insbesondere der Persönlichkeit des Betroffenen und seiner prozessualen und außerprozessualen Verhaltensweisen und Einlassungen an.
Die Ermittlung der einschlägigen Tatsachen erfolgt dabei nach Maßgabe des Art. 24 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BayVwVfG durch die Waffenbehörde bzw. nach § 86 Abs. 1 VwGO durch das VG. Allein eine polizei- oder verfassungsschutzbehördliche Einschätzung, dass ein Erlaubnisinhaber der „Reichsbürgerbewegung“ zuzuordnen ist, genügt für sich genommen nicht.
(…)
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 16.07.2025 – 24 ZB 25.201
Den vollständigen Beitrag lesen in der Fundstelle Baden-Württemberg 19/2025, Rn. 276.