Rechtliches

Private Router sorgen für öffentliche Netzabdeckung – ein umstrittener Vorgang

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Die umstrittenen öffentlichen Hotspots von Unitymedia sind legal. Dies entschied in einem aktuellen Urteil der BGH in Karlsruhe. Der Kölner Kabelnetzbetreiber Unitiymedia hatte öffentliche Hotspots über ein zweites WLAN-Signal auf den Routern seiner Kunden eingerichtet. Dagegen hatte die Verbraucherzentrale geklagt, weil Unitymedia bei seinen Kunden nicht deren Einwilligung einholte. Der BGH entschied jetzt, dass ein Widerspruchsrecht der Kunden ausreiche und es keiner ausdrücklichen Einwilligung bedarf.

Die Vorgeschichte

Der Kölner Kabelnetzbetreiber Unitymedia hatte seine Kunden zu Beginn des Jahres 2016 in einem Anschreiben darüber informiert, dass Unitymedia die Konfiguration der WLAN-Router, die das Unternehmen während der Vertragslaufzeit seinen Kunden zur Nutzung zur Verfügung stellt, zum Aufbau eines flächendeckenden öffentlich nutzbaren WLAN-Netzes so ändern werde, dass auch Dritte auf diese Router zugreifen und sich mit dem Internet verbinden können, soweit sie Unitymedia-Kunden sind. Hierzu werde auf dem Router ein separates WLAN-Signal aktiviert, welches getrennt vom privaten WLAN-Netz des jeweiligen Kunden Dritten einen Zugang zum Internet eröffnet.

Im Anschreiben von Unitymedia hieß es auszugsweise:

„In den kommenden Wochen wird auf Ihrem WLAN-Router automatisch ein separates WLAN-Signal aktiviert. Dieses WLAN-Signal arbeitet absolut getrennt von Ihrem privat genutzten WLAN-Netz. Das heißt: ihre Sicherheit, ihre Privatsphäre und die garantierte Bandbreite bleiben zu jeder Zeit gewährleistet.“

Jeder Kunde habe die Möglichkeit, der Freischaltung des zusätzlichen Signals auf seinem privat genutzten Unitymedia-Router innerhalb von 4 Wochen zu widersprechen. Auch zu einem späteren Zeitpunkt könne der aktivierte öffentliche Wifi-Spot auf Kundenverlangen gesperrt werden. Kunden, die von dieser Sperrung Gebrauch machten, könnten dann jedoch auch andere öffentlich Unitymedia-Spots nicht mehr benutzen.

 Im Übrigen wurde auf die „Besonderen Geschäftsbedingungen“ auf der Rückseite des Anschreibens verwiesen.

Die Verbraucherzentrale als hierzu qualifizierte Einrichtung iSd § 8 III Nr. 3 UWG mahnte Unitymedia ab. Sie sah in der unaufgeforderten Einrichtung eines öffentlich zugänglichen Wifi-Spots auf privat genutzten Unitymedia-Routern eine unzumutbare Belästigung von Verbrauchern nach § 7 I UWG und eine aggressive geschäftliche Handlung nach § 4a I UWG. Sie verlangte von Unitymedia eine Unterlassung der Aktivierung des separaten WLAN-Signals, wenn dies mit den Verbrauchern nicht vertraglich bindend vereinbart wurde und diese kein Einverständnis gegeben hätten. Unitymedia kam diesem Unterlassungsverlangen nicht nach.

Die Geschäftsbedingungen von Unitymedia sahen außerdem vor, dass Kunden die Stromversorgung ihres Routers nicht über einen längeren Zeitraum unterbrechen durften, damit Unitymedia jederzeit das öffentlich nutzbare Wifi-Netzwerk gewährleisten könne. Die Verbraucherzentrale hielt dies für eine unangemessene Einschränkung der Lebensführung der betroffenen privaten Haushalte. Zu diesem Punkt gab Unitymedia eine entsprechende Unterlassungserklärung ab.

Der Verfahrensgang

Auf Klage der Verbraucherzentrale NRW entschied das Landgericht Köln für die Klägerin (Urt. V. 9.5.17; AZ. 31 O 227/16). Die Richter untersagten es Unitymedia, das separate, öffentlich nutzbare WLAN-Signal, ohne vorheriges Einverständnis der Kunden auf den Routern, die von Unitymedia-Kunden in ihren Privathaushalten genutzt wurden, zu aktivieren. Das Gericht war der Auffassung, das Unternehmen hätte seine Kundschaft vorher ausdrücklich um Zustimmung bitten müssen (sogenannte Opt-in Lösung). Die ohne Verlangen aufgedrängte Zusatznutzung des Routers sei eine unzumutbare Belästigung gemäß § 7 I UWG, vergleichbar mit unverlangt zugesandten Kreditkarten (BGH im Urteil vom 3.3.11; I ZR 167/09).

Auf die Berufung der Beklagten entschied das OLG am 2.2.18 (6 U 85/17) zugunsten von Unitymedia. Zwar sei das Vorgehen von Unitymedia durch die Übersendung des Informationsschreibens und die Aufschaltung des zusätzlichen WLAN-Signals belästigend, jedoch nicht unzumutbar.

Eine Vertragsverstoß liege nicht vor, weil es an einer Beeinträchtigung der vertraglich ausbedungenen Leistungen fehle. Eingriffe in die Privatsphäre, Eigentum oder Besitzrechte der Verbraucher seien nicht zu erkennen.

Die belästigende Wirkung der Handlungen liege in der aufgedrängten geschäftlichen Handlung, um die der Kunde nicht nachgesucht habe und für deren Vornahme auch seine Entscheidung nicht abgewartet wurde (so der BGH im oben aufgeführten Fall der unverlangt zugesandten Kreditkarten). Allerdings müsse das Tatbestandsmerkmal der „Unzumutbarkeit“ der Belästigung kumulativ hinzutreten, um zu einer Unzulässigkeit der geschäftlichen Handlung zu kommen.

Dies liege nach der Systematik des § 7 UWG und dem Willen des Gesetzgebers immer dann vor, wenn im Falle elektronischer und telefonischer Werbung gegenüber Verbrauchern das vom Gesetzgeber eingeführte Opt-in Gebot (§ 7 II Nr. 2 und 3 UWG) missachtet werde. Bei allen anderen „belästigenden Geschäftshandlungen“ gelte es abzuwägen, ob das Tatbestandsmerkmal der „Unzumutbarkeit“ vorliege.

Da Unitymedia den Kunden ein jederzeitiges „Opt-out“ Recht zu der Signalaufschaltung einräume und die Sachlage klar und verständlich geschildert habe, liege keine wettbewerbsrechtliche Unzumutbarkeit vor. Die Interessenabwägung führe auch mit Blick auf die Art und Weise der Ansprache durch Unitymedia nicht zu einer Bewertung der Geschäftshandlungen als nicht hinnehmbare, aggressive Geschäftspraktik. Die Revision zum BGH wurde zugelassen, weil grundsätzlich zu klären war, welche Zugriffsrechte Anbietern von Geräten zustehen, die sie ihren Kunden während der Vertragslaufzeit in deren Privaträumen zur Verfügung stellen.

Der BGH hat die Revision der Klägerin am 25.4.19 (I ZR 23/18) mit einer leicht differenzierten Argumentation zurückgewiesen.

Die Aktivierung eines zweiten WLAN-Signals sei keine Belästigung iSd § 7 I UWG. Eine ausschließliche Router Nutzung durch die Verbraucher sähen die Verträge über Internetzugangsleistungen nicht vor. In der Aktivierung des Signals liege auch keine zusätzliche, aufgedrängte Dienstleistung. Anhaltspunkte für Sicherheitsgefährdungen, Leistungseinschränkungen oder Mitwirkungspflichten der Kunden seien nicht ersichtlich. Insbesondere durch die jederzeitige Opt-out Möglichkeit der betroffenen Verbraucher sei das Vorgehen von Unitymedia wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden.

Fazit

Aus einer rein rechtlichen Sicht ist die Argumentation des BGH schlüssig.

Allerdings hat der Senat, ähnlich wie das Berufungsgericht, die technischen Vorgänge und ihre Folgeabschätzungen von dem Anschreiben und seinen psychologischen Wirkungen auf den Durchschnittsverbraucher getrennt. Für diesen stellt sich der unerwartete und damit latent unerwünschte Vorgang als nicht wirklich einschätzbares und damit lösbares Dilemma heraus. Ein privat genutzter Router in den eigenen Privaträumen ist eine Vorkehrung für sorgsam privat gehaltene Internetnutzungen. Damit einher gehen die bisherigen dramatischen Warnungen vor Missbräuchen unberechtigter Dritter und vor Haftungsfragen, wenn eine ungenügende Verschlüsselung zu strafbaren Handlungen führt. Dazu kommen die fast täglichen Warnungen vor invasiven Eingriffen, vor Kaperungen, vor Hacking, vor Versklavungen von Routern und den möglichen finanziellen und strafrechtlichen Folgen.

Und jetzt die nonchalante Aufschaltung eines öffentlich zugänglichen Signals an der Schnittstelle zu höchst privaten und sorgsam verschlüsselten Internetanwendungen. Die einfache Zusicherung, all das sei getrennt und völlig sicher und werde keinerlei Haftung oder Schäden mit sich bringen, verstört den Laien. Nur die befassten Gerichte verstört es nicht, vielleicht, weil auch sie technische Laien sind und Unitymedia glauben möchten.

Allzu oft ist man bei den neuen Spielarten ausgeklügelter Sicherungssysteme – von angeblich unknackbaren Bankalgorithmen bis zu elektronischen Wegfahrsperren – eines Besseren belehrt worden.

Wahrscheinlich wäre vor diesem Hintergrund die Vorsichtslösung hin zu einer zwingenden Opt-in Lösung angemessener gewesen. Die Büchse der Pandora zu öffnen, hat sich selten als ratsam erwiesen.