Rechtliches

Überstunden-Duldung durch Führungskraft

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Überstunden-Duldung durch Führungskraft

Im Streitfall war eine Arbeitnehmerin mit einem Gehalt von € 2.000,- brutto bei ihrer Einstellung von ihrem Vorgesetzten dazu aufgefordert worden, Arbeitsbeginn und Arbeitsende in eine im Computer hinterlegte Anwesenheitsliste einzutragen.

Sachverhalt

Die täglichen Arbeitsstunden und Mehrarbeitszeiten waren unter Berücksichtigung von Pausenzeiten durch das Programm errechnet worden, wobei das Programm auf volle fünf Minuten auf- bzw. abrundete. Da der Arbeitgeber etwa 380 Überstunden, die sich auf dieser Grundlage errechneten, nicht bezahlen wollte, zog die Arbeitnehmerin vor Gericht. Das Arbeitsgericht Berlin gab der Klage weitgehend statt, denn der Arbeitgeber müsse sich das Verhalten des Vorgesetzten der Klägerin zurechnen lassen. Daher sei von einer Duldung der erbrachten Überstunden durch den verklagten Arbeitgeber auszugehen.

Das sah auch das LAG Berlin-Brandenburg so. Die Stundenaufzeichnungen waren vom Vorgesetzten der Klägerin veranlasst worden, d.h. der Vorgesetzte bestand auf dieser Art von Zeiterfassung und kannte sie, ohne ihre Richtigkeit vor Erhebung der Klage jemals beanstandet zu haben. Dann aber kann der verklagte Arbeitgeber im Prozess nicht einwenden, er wüsste von nichts. Und auch die ins Blaue hinein angestellte Mutmaßung des Arbeitgebers, die Arbeitnehmerin hätte während der als Arbeitszeiten erfassten Überstunden gar nicht gearbeitet, ist dann rechtlich bedeutungslos.







Praxishinweis

Ohne konkrete tägliche Arbeitszeiterfassung sind Überstunden-Zahlungsklagen meist chancenlos. Gibt es dagegen eine solche Arbeitszeiterfassung und kennt der Arbeitgeber oder ein Dienstvorgesetzter sie, ist es anders. Dann kann der Arbeitgeber im Prozess meist kaum noch

etwas gegen den Überstunden-Vortrag des Arbeitnehmers einwenden.




Werden Arbeitszeiten nicht automatisch erfasst, wie z.B. mit einer Stempeluhr, fällt es normalen Arbeitnehmern bereits schwer, sich konkret an ihre Arbeitszeiten der vergangenen Wochen zu erinnern. Erst recht weiß man normalerweise nicht, wie lange man in den letzten zwölf oder 24 Monaten im Betrieb anwesend war. Und schon gar nicht weiß man, welche Aufgaben man an jedem einzelnen Tag nach Dienstschluss noch erledigt hat, und/oder dass der Arbeitgeber konkrete Anweisungen gegeben hat, solche Überstunden abzuleisten.

Der Arbeitgeber seinerseits erinnert sich bei einer Überstunden-Zahlungsklage vor Gericht meist an keine einzige Überstunde. Das ist meist keine böse Absicht, sondern entspricht schlicht der Wahrheit, wenn der Arbeitgeber nämlich keine Aufzeichnungen über die täglichen Arbeitszeiten der einzelnen Arbeitnehmer führt.

Hier helfen Stundenzettel oder andere Aufzeichnungen über die Arbeitszeit, vorausgesetzt, sie werden einigermaßen regelmäßig geführt und sind dem Arbeitgeber bekannt. Denn wenn der Arbeitgeber auf einer solchen Arbeitszeiterfassung weiß, wie lange einzelne Arbeitnehmer über das reguläre Dienstende hinaus arbeiten, dann gehen die Gerichte davon aus, dass er diese ihm bekannten Arbeitszeiten bzw. Überstunden „duldet“. Und ein solches Dulden von Überstunden durch den Arbeitgeber genügt vor Gericht, d.h. es hat dieselbe rechtliche Bedeutung wie eine ausdrückliche Anordnung von Überstunden.