Sicherheit

Rekrutierungsstrategien von Rechtsextremisten

Rechtsextremes Gedankengut als Angebot für Kinder und Familien

Vor allem in den neuen Bundesländern versucht sich die NPD als familienfreundliche Partei zu positionieren. Entsprechend werden Parteiveranstaltungen gerne in Angebote für die gesamte Familie eingebunden. Zudem erhalten Familien Unterstützung und Anleitung in erzieherischen Fragen, sie sollen eine Gemeinschaft bilden. Rekrutierungsbemühungen beziehen sich auch direkt auf Kinder.

Die Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts in Zeltlagern wurde spätestens 2009 deutschlandweit bekannt, als die „Heimattreue Deutsche Jugend“ (HDJ) verboten wurde. Doch werden Sommercamps noch nach wie vor organisiert. Neben Wanderungen und Grillfesten gehören „Rassenkunde“, Fahneneid und militärischer Drill zum Programm. Die Kinder sollen zudem abgehärtet und körperlich „gestählt“ werden.

Schule als Akquisepool

Von Zeit zu Zeit wird die Öffentlichkeit alarmiert, weil Rechtsextremisten an Schulgeländen kostenloses Werbematerial an Schüler verteilen. Solche Materialien sind die sog. „Schulhof-CDs“ mit Rechtsrockmusik, Comics oder auch Flugblätter mit dem Aufruf, sich in einer ihrer Gruppen zu engagieren. Die Macher provozieren bewusst Lehrer und Eltern und nutzen dies gleichzeitig dazu, um Jugendliche neugierig zu machen.

Damit erzielen sie zweierlei: zum einen gelingt ihnen eine öffentlichkeitswirksame Aktion, zum anderen bieten sie Jugendlichen, die sich im aktuellen Konflikt mit Schule und/oder Eltern befinden, eine anfängliche Plattform. Das Ziel ist es, die Schüler dauerhaft zu binden oder sich zumindest Unterstützer zu sichern.

Musik und Bekleidung mit rechtsextremen Botschaften

Die Verteilung der Rechtsrock-CDs an Schulhöfen erfolgte zum Teil mit Konzertterminen der Bands. Die Musikarten reichen dabei von Hardcore („Hatecore“) über Black Metal bis hin zu Schlagern, die nachgespielt mit neuen Texten versehen werden. Dabei arbeiten die Bands zusätzlich mit Symbolen, die sie für die Szene erkennbar machen. Solche und der Aspekt provokanter Statements stehen auch bei der Bekleidung im Vordergrund.

Beispielsweise ist auf einem Kapuzenpullover unter der Schrift „Nordic Walking“ ein Abbild marschierender Soldaten des „Dritten Reiches“ zu sehen. Der Kleidungsstil Bomberjacke und Springerstiefel sind nach wie vor der „Uniformstil“ in der Skinhead-Szene, jedoch ist das Angebot deutlich vielfältiger geworden und definiert sich mehr über Symboliken (z.B. die Zahlen 18 oder 88), die gegen keine strafrechtliche Norm verstoßen, jedoch die Zugehörigkeit innerhalb der Szene kenntlich machen.

Sport und Fußball

Um Jugendliche anzusprechen versuchen Rechtsextremisten zudem gezielt, unter den Fußballanhängern neue Anhänger und Sympathisanten zu rekrutieren. In Leipzig wurde „Gemeinschafts-Interessierten“ des „Aktionsbündnis Leipzig“ eine Kampfsport- und Selbstverteidigungs-AG angeboten, um verschiedene Kampfsportarten zu erlernen und somit etwas für „die eigene Wehrhaftigkeit“ zu tun.

Besonders im Umfeld des Fußballs sind die Extremisten aktiv. Längst sind personelle Überschneidungen und Berührungspunkte zwischen Rechtsextremisten und gewaltbereiten Fußballanhängern aus der Hooligan- und Fanszene bekannt. Auch die Fußball-WM 2006 nutzte die NPD, um Nachwuchs zu rekrutieren. Dazu verteilten sie Aufkleber (mit und ohne NPD-Logo) und eine CD, die aufgrund von Songs mit eindeutig strafrechtlich relevanten Textinhalten verboten wurde.

Aktivitäten im Internet

Das Internet ist für alle Formen von Extremismus das wichtigste Medium. Im Internet erreichen alle Interessierten Aufrufe für Kundgebungen und sonstige Veranstaltungen, die Anhänger mobilisieren und Neumitglieder generieren sollen. Rund 1.000 Homepages werden von deutschen Rechtsextremisten betrieben.

Um sich dem strafrechtlichen Zugriff zu entziehen, werden diese Seiten über ausländische Provider eingestellt. Neben solchen Seiten werden vor allem Foren zum Chatten werden genutzt. Auch hier zeigen sich die Bemühungen um neue Anhänger in ganz unterschiedlicher Form. Zudem tummeln sich Rechtsextremisten auch immer wieder in offenen Portalen, in denen Jugendliche ihre Fragen und Probleme anonym schildern können. Soziale Netzwerke wie Facebook oder auch Online-Plattformen wie Youtube werden entsprechend genutzt.

Auffangbecken für Gescheiterte

Extremisten jeglicher Couleur fokussieren sich gerne auf junge Menschen, die bereits Erfahrungen im persönlichen Scheitern gemacht haben. Hier sind Rechtsextremisten keine Ausnahme. Die Unzufriedenheit mit der persönlichen Situation lässt Jugendliche anfälliger für extremistisches Gedankengut werden. Eine junge Person, die beispielsweise keinen Ausbildungsplatz bekommt, wird zu einem potentiellen neuer Anhänger, sobald man ihr vermitteln kann, dass nicht sie Schuld für ihr Scheitern trägt. Rechtsextremisten schieben die Verantwortungen auf Ausländer und einen unfairen Staat. Sie signalisieren Verständnis mit der Situation des Jugendlichen und sichern sich auf diese Weise dessen Sympathien. Schuldzuweisungen sind ein sehr einfaches Mittel zur Rekrutierung, das gut funktioniert. Gleichzeitig bekommt der Jugendliche die Möglichkeit, in eine Gemeinschaft einzutreten.

Im Fokus: Die Wähler der NPD

Politische Frustration hält Menschen zum Teil davon ab, aktiv von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Andere sehen darin das einzige Mittel, ihren Unmut wirksam zu bekunden. Insbesondere die NPD kann von Wechselwählern profitieren. Personen, die ihre Stimme bei Wahlen der NPD schenken, sind nicht ausschließlich Rechtsextremisten, die zu Gewalt neigen. Mitunter handelt es sich um politisch frustrierte Menschen, die ihre Interessen in den Volksparteien nicht mehr vertreten sehen.

Dieses Wahlverhalten wird auch als „Protest-Wahl“ bezeichnet und von den Wählern als eine Art Rache verstanden. Der oder den zuvor gewählten Parteien soll damit vor Augen geführt werden, dass sie den Wähler enttäuscht haben. Nicht alle Protestwähler sind in der rechten Szene aktiv. Dennoch bilden sie mit einer Wahl der NPD das Unterstützermilieu.







Praxishinweise


  • Rechtsextremisten zielen bereits auf eine Indoktrination im Kindesalter ab.

  • Jugendliche sollen mit Themen, die sie interessieren (Sport, Musik, Freizeit, Fußball) angesprochen und in die rechte Szene eingeführt werden.

  • Rechtsextremistische Rekrutierung beinhaltet aktive Jugendarbeit. Um dieser entgegenzuwirken, bedarf es demokratisch orientierter Jugendarbeit und Aufklärung.

  • Die rechte Szene wird aus Sicht der Interessierten als Protestbewegung wahrgenommen. Dadurch erhält sie einen Kultstatus, der die Gefährlichkeit vernachlässigt.

  • Extremistische Parteien zielen auf frustrierte Wähler ab, die sich von den Volksparteien nicht (mehr) vertreten fühlen.

  • Das Landesamt für Verfassungsschutz des Freistaates Sachsen hat hierzu die Publikation „Jugend im Fokus von Rechtsextremisten“ – Aktionsfelder von Rechtsextremisten mit Bezug zu Jugendlichen sowie Handlungsempfehlungen und Kontaktmöglichkeiten – herausgegeben (vgl. nachstehenden Link).