Kampf um die Informationsüberlegenheit in den US-Nachrichtendiensten?
Der Direktor der National Security Agency/Central Security Agency (NSA/CSS), der zugleich auch die Funktion des Commander US- Army Cyber Command wahrnimmt, hat in einem Interview vom Juni 2013 umfassende Reorganisationsmaßnahmen in den Bereichen Signals Intelligence (Technische Aufklärung) und Cyber-Operationen des US-Verteidigungsministeriums angekündigt. Demnach sollen diese Fähigkeiten unter der Führung der NSA zusammengeführt werden und sich gegenseitig ergänzen.
Signalerfassende Aufklärung und Kommunikationsüberwachung durch die NSA
Im Rahmen ihres Auftrages ist die NSA mit der weltweiten „Signalerfassenden Aufklärung” und „Kommunikationsüberwachung“ betraut. Sie wird hierbei durch die US-Army, die US-Air Force, die US-Navy, die über eigene Komponenten der “Signalerfassenden Aufklärung“ (SIGINT) verfügen, unterstützt. Die NSA betreibt auch eigene Systeme, insbesondere zur Auswertung der durch SIGINT und Kommunikationsüberwachung (Lawful Interception-LI) gewonnenen Meta-Daten. Hierzu wurde eigens das UTAH-Data-Center errichtet.
Daneben werden in den USA eine Vielzahl weiterer Data-Center, teils in eigener Regie oder durch andere Regierungsorganisationen, so z.B. durch das Department of Homeland Security und Vertragsunternehmen betrieben. Damit dürfte die NSA über den größten Datenpool aller US-Nachrichtendienste verfügen.
Central Intelligence Agency (CIA) als auch das Federal Bureau of Investigations (FBI), die keine Signalerfassende Aufklärung betreiben, sind auf die durch die NSA relativ gefahr- und zeitverzugslos zu beschaffenden Informationen angewiesen.
Informationsmonopol NSA
Die durch die Nachrichtenbeschaffung mit verdeckten Quellen verfügbaren Informationen bei CIA und FBI sowie bei den anderen 14 US-Nachrichtendiensten anfallenden Informationen, fallen demgegenüber weniger ins Gewicht. Die NSA verfügt gegenüber den anderen Diensten der USA über ein Informationsmonopol, dessen einzigartiger, operationeller Wert nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Nicht zuletzt auch die Zusammenarbeit der NSA mit Partnerdiensten in aller Welt, so mit dem britischen Partnerdienst Government Communications Headquarters – GCHQ und anderen Diensten weiten die Erkenntnisbasis der NSA aus.
Dies zeigte sich auch durch jüngste Veröffentlichungen in der Presse, die eine enge Zusammenarbeit zwischen NSA und GCHQ im Rahmen des Programms „PRISM“ (vgl. Sicherheitsmelder “PRISM” – Globales Kommunikationsüberwachungsprogramm von NSA und FBI [Günther K. Weiße] vom 11.6.13 offenlegten.
Bereits in der Vergangenheit beim Betrieb des Systems „ECHELON“ waren NSA und das GCHQ in Großbritannien wie auch andere, im Rahmen der UKUSA-Vereinbarungen teilnehmenden „Third Parties“, am Informationsaustausch beteiligt. Auch mit den, durch das GCHQ im Jahr 2009 beim G-20 Gipfel mit dem Programm „TEMPORA“ in Echtzeit gewonnen Informationen konnte die NSA ihr Erkenntnisbild ergänzen. Diese dürften unverzüglich an die politisch Verantwortlichen in den USA weitergereicht worden sein.
Fähigkeiten der US-Streitkräfte zu Cyber-Operationen
Die NSA verfügt mit dem in Personalunion General Alexanders unterstehenden US-Army Cyber Command über ein schlagkräftiges Instrument zur Führung weltweiter Cyber-Operationen aller Art. Nicht zuletzt die dem Cyber-Command zur Verfügung stehenden Daten über fremde Systeme, die durch die NSA weltweit gewonnen werden, dienen eigenen Operationen des US-Cyber Command.
Daneben verfügen sowohl die US-Army als auch die US-Air Force und die US-Navy wie auch das US-Marine Corps über organische Kräfte zur Führung von Cyber- Operationen, die im Bedarfsfalle vom US-Cyber-Command koordiniert werden. Nicht zuletzt die US-Cyber-Range spielt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung neuer Strategien und Erprobung von Verfahren wie auch Forschung und Industrie der USA.
United States Special Operations Command
Das dem US- Verteidigungsministerium unterstehende United States Special Operations Command (USSOCCOM) kann bei Bedarf in Cyber-Operationen des US-Cyber-Command eingebunden werden. Auch wird das USSOCCOM bei Auslandsmissionen durch die NSA zur Verfügung gestellten Informationen, insbesondere zu missionskritischen Fragen der Kommunikationsumwelt im Einsatzgebiet, unterstützt werden. Es ist davon auszugehen, dass die NSA auch über wie weltweit umfangreichste Datenbasis über elektronische Systeme aller Art und deren Parameter verfügt.
Weltweite Trends in der elektronischen Informationsgewinnung
Waren früher elektronische, über drahtlose Kommunikationskanäle geführte Ausstrahlungen aller Art Hauptquellen und Ansatzpunkte für die „technische Aufklärung“ durch die Dienste, haben sich die Formen der Informationsübermittlung mittlerweile gewandelt. Das Schwergewicht der weltweiten Kommunikation hat sich auf Glasfaserverbindungen, welche die Kontinente miteinander verbinden, verlagert. In diesen Lichtwellenleitern wird der Großteil der weltweiten Kommunikation abgewickelt.
Drahtlose Verbindungen, insbesondere der Mobilfunk und andere Anwendungen, beispielsweise W-LAN, haben nicht an Bedeutung verloren. Dies gilt gleichermaßen für die satellitengestützte Kommunikation, auf die noch nicht gänzlich verzichtet werden kann. Daher werden sich auch künftig die Überwachungsbemühungen der Nachrichtendienste auf die weltweiten Glasfaserverbindungen mit ihren Zugriffsmöglichkeiten auf Endgeräte, die „Cloud“ und „Big Data“-Datenbestände konzentrieren.
Soziale Netzwerke aller Art geraten nicht zuletzt in den Fokus der Überwacher. Nicht unterschätzt werden sollte auch der Austausch von personenbezogenen Daten aller Art zwischen den unterschiedlichen nationalen Behörden und „Dritten Parteien“ und die bereits nicht mehr überschaubaren Datenbestände in den europäischen Behörden, die meist auf bilateraler Basis durch fremde Stellen abgerufen und in andere, nicht kontrollierte Datenbestände, so z.B. „MAIN CORE“ bei der NSA, integriert werden und damit bisher nicht bekannte Verknüpfungen und damit Auswertemöglichkeiten bieten. Nicht zuletzt Programme der EU wie „INDECT“ und andere, bieten großen Anlass zur Sorge. Auch die britische Regierung späht im Rahmen des GCHQ-Programms „TEMPORA“ Kommunikationsbeziehungen und deren Inhalte weltweit aus.
Die Bedeutung der militärischen „Signalerfassende Aufklärung“
Nach wie vor sind Kommunikationsverbindungen und -verfahren sowie die Parameter militärischer Systeme aller Art, insbesondere in Krisengebieten von höchster militärischer Bedeutung für mögliche Einsätze in diesen Regionen. Daher wird auch die militärische „Signalerfassende Aufklärung“, auch in den nächsten Jahren nicht an Bedeutung verlieren. Allerdings müssen die Erkenntnisse der militärischen Signals Intelligence (SIGINT) durch Informationen aus anderen Quellen (Open Source – OSINT, INTERNET, Human Intelligence – HUMINT u.a.) ergänzt werden, um zu einem schlüssigen, auch von der Politik akzeptierten Lagebild zu gelangen. Ob dies dann in entsprechende militärische Aktionen umgesetzt wird, hängt von den nationalen politischen Entscheidungsgängen ab. Die militärische Seite wird derartige politische Entscheidungen wohl oder übel akzeptieren müssen, wenngleich diese auch zur Gefährdung der eingesetzten nationalen militärischen Kräfte führen kann. Entsprechende Beispiele sind aus Krisengebieten bereits hinreichend bekannt.
Die neue NSA-Strategie
Gleichwohl die von General Keith B. Alexander entwickelte Strategie sich noch im Entwicklungsstadium befindet, sind folgende Hauptziele bereits erkennbar:
- Übernahme der Gesamtverantwortung für die Cyber-Verteidigung der Vereinigten Staaten durch das Verteidigungsministerium,
- Übernahme der gesamten Verantwortung für die Signalerfassenden Aufklärung, Cyber Operationen und das Fernmeldewesen durch das Department of Defense,
- Zusammenführung von Signals Intelligence , Communications und Cyber Operations unter der Verantwortung der NSA, also letztendlich, des Verteidigungsministeriums,
- Entwicklung gemeinsamer Ausbildungsstandards,
- Schaffung eines „Global Joint Information Environment“,
- Gemeinsamer Zugang zu den Erkenntnissen des „Central Security Services“, des Teils der NSA, der für kryptologische Fragen verantwortlich ist.
Verbunden mit der Anwendung der von der NSA vorgeschlagenen Strategie sind fundamentale Veränderungen in der Kultur der Nachrichten und Sicherheitsdienste, die wohl noch einige Zeit brauchen werden.
Folgerungen
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Quellen:
Bundesministerium der Verteidigung, Bericht der Ad-hoc Arbeitsgruppe EURO HAWK, Seite 60 f., Berlin, 5. Juni 2013;
Ackermann, R.K.: Cyber Command Redefines the Art, AFCEA SIGNAL, Fairfax, V.A., June 2013,