Aufgaben und Zuständigkeiten der EU-Grenzschutzagentur FRONTEX
FRONTEX wurde beauftragt, einen gemeinsamen technischen Rahmen festzulegen, um in drei Phasen ein „Europäisches Grenzüberwachungssystems“ (European Border Surveillance System – EUROSUR) zu schaffen. Ziel dieses Systems ist es, die Mitgliedstaaten in ihren Bemühungen zu unterstützen, die Zahl der Drittstaatsangehörigen zu reduzieren, die illegal in das Hoheitsgebiet der EU gelangen. Dies soll erreicht werden, indem ein größeres Situationsbewusstsein für die Lage an den Außengrenzen entwickelt und die Reaktionsfähigkeit der Nachrichtendienste und Grenzschutzbehörden verbessert wird.
Zu den Zuständigkeiten von FRONTEX gehören:
- „Koordinierung der operativen Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten beim Schutz der Außengrenzen;
- Erstellung eines gemeinsamen und integrierten Modells zur Bewertung der Gefahren und Durchführung allgemeiner und spezieller Risikoanalysen;
- Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Ausbildung von Grenzschutzbeamten durch Festlegung gemeinsamer Ausbildungsnormen, durch Schulungsmaßnahmen auf europäischer Ebene für nationale Ausbilder von Grenzschutzbeamten sowie durch Abhaltung von Seminaren und Bereitstellung einer Zusatzausbildung für nationale Grenzschutzbeamte;
- Verfolgung der für die Kontrolle und Überwachung an den Außengrenzen maßgeblichen Entwicklungen in der Forschung;
- Unterstützung von Mitgliedstaaten, die sich einer Situation gegenübersehen, die eine verstärkte operative und technische Unterstützung an den Außengrenzen erfordert;
- Bereitstellung der notwendigen Unterstützung für die Mitgliedstaaten bei der Organisation gemeinsamer Rückführungsaktionen. Die Agentur kann Finanzmittel der Union nutzen, die für Rückführungszwecke zur Verfügung stehen. Zu diesem Zweck muss sie eine Bestandsaufnahme der bewährten Praktiken für die Abschiebung von illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen vornehmen;
- Entsendung von Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke in Mitgliedstaaten, die sich einer Ausnahme- und Notsituation, z.B. dem massiven Zustrom illegaler Zuwanderer, gegenübersehen.“
Aufgaben des EUROSUR-Netzes
Das europäische Grenzkontrollsystem (EUROSUR) wird die Mitgliedstaaten darin unterstützen, ein vollständiges „Situationsbewusstsein“ über die Lage an ihren Außengrenzen zu erlangen. Das Situationsbewusstsein misst die Fähigkeit der nationalen Behörden, grenzüberschreitende Bewegungen aufzudecken und hinreichende Gründe für Kontrollmaßnahmen zu finden.
Dies wird auch die „Reaktionsfähigkeit“ der Strafverfolgungsbehörden erhöhen. Die Reaktionsfähigkeit misst, welche Zeitspanne erforderlich ist, um grenzüberschreitende Bewegungen zu kontrollieren, sowie welche Zeit und Mittel erforderlich sind, um angemessen auf ungewöhnliche Umstände zu reagieren.
EUROSUR wird einen gemeinsamen technischen Rahmen bieten, der es ermöglicht, die tägliche Kooperation und Kommunikation zwischen den Behörden der Mitgliedstaaten zu rationalisieren und den Einsatz von Spitzentechnologien zur Überwachung der Grenzen zu erleichtern. Operationelles Schlüsselziel wird der Austausch von Informationen, mit Ausnahme personenbezogener Daten, zwischen den nationalen und europäischen Systemen sein.
Umsetzung in drei Phasen
Die Umsetzung von EUROSUR wird in drei parallel laufenden Phasen erfolgen. Die Phasen 1 und 2 werden sich auf die See- und Landesaußengrenzen erstrecken, während sich Phase 3 ausschließlich auf den maritimen Bereich konzentrieren wird. Soweit es in der Mitteilung um die Überwachung der Seeaußengrenzen geht, fügt sich dieser Ansatz in den Gesamtrahmen ein, der durch die integrierte Meerespolitik für die Europäische Union vorgegeben ist.
PHASE 1: Ziel dieser Phase ist die Vernetzung und Straffung bestehender Überwachungssysteme und -mechanismen auf nationaler Ebene.
Die Mittel des Europäischen Außengrenzenfonds werden dafür eingesetzt werden, die nationalen Grenzüberwachungssysteme zu modernisieren, auszubauen und nationale Zentren zur Koordinierung der Grenzkontrollen in den Mitgliedstaaten an den südlichen und östlichen Außengrenzen der EU einzurichten. Errichtet wird ein gesichertes computergestütztes Kommunikationsnetz, damit Daten in EUROSUR ausgetauscht und die Koordination der Tätigkeiten zwischen den nationalen Zentren sowie mit FRONTEX gewährleistet wird. Darüber hinaus wird die Möglichkeit geprüft werden, bestimmte benachbarte Drittstaaten finanziell und logistisch zu unterstützen, um die operationelle Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten bei der Grenzüberwachung zu erleichtern.
PHASE 2: Ziel dieser Phase ist es, den Einsatz der Überwachungsinstrumente auf EU-Ebene zu verbessern.
Im Rahmen der europäischen Forschungs- und Entwicklungsprogramme sollen die Überwachungsinstrumente und Sensoren (wie Satelliten, unbemannte Luftfahrzeuge [UAV] usw.) technisch weiter verfeinert werden. Darüber hinaus werden den Behörden der Mitgliedstaaten durch eine gemeinsame Nutzung der Überwachungsinstrumente mehr und verlässlichere Informationen über die Lage an den Außengrenzen und im Grenzvorbereich zur Verfügung stehen. Durch die Kombination nachrichtendienstlicher Erkenntnisse mit den durch Überwachungsinstrumente gewonnenen Informationen wird ein gemeinsames Informationsbild des Grenzvorbereichs entwickelt werden.
PHASE 3: Ziel dieser Phase ist die Schaffung eines gemeinsamen Informationsraums im maritimen Bereich der EU.
In diese Phase sollen sämtliche Melde- und Überwachungssysteme in Seegebieten im Einzugsbereich der Gerichtsbarkeit der Mitgliedstaaten sowie in angrenzenden Hochseegebieten in ein größeres Netzwerk eingebunden werden, damit die Grenzkontrollbehörden von den Vorteilen einer integrierten Nutzung verschiedener Systeme profitieren können. Da der Migrationsdruck weiter anhält, sollte sich dieses integrierte Netzwerk zunächst auf das Mittelmeer, den südlichen Atlantik (Kanarische Inseln) und das Schwarze Meer beschränken. Es sollte sich auf die innere Sicherheit konzentrieren, indem Grenzkontrollbehörden sowie andere Behörden, die Sicherheitsinteressen und Verantwortlichkeiten im maritimen Bereich wahrnehmen, miteinander verbunden werden.
Später könnte das integrierte Netz der Melde- und Überwachungssysteme auf den gesamten maritimen Bereich der EU ausgedehnt werden, und nicht nur grenzbezogene Aspekte sondern sämtliche maritime Tätigkeiten wie Seeverkehrssicherheit, Schutz der Meeresumwelt, Fischereikontrolle und Rechtsdurchsetzung erfassen.
Die Schaffung von EUROSUR ist ein entscheidender Schritt zur fortschreitenden Errichtung eines gemeinsamen integrierten europäischen Grenzverwaltungssystems. Bei der Umsetzung der in der Mitteilung der EU-Kommission beschriebenen Maßnahmen wird der Außengrenzenfonds der wichtigste Solidaritätsmechanismus der Mitgliedstaaten zur Lastenteilung in der Europäischen Union sein.
Weitere Ausbauschritte des EU-Grenzschutzes
Es kann damit gerechnet werden, dass FRONTEX weitere Schritte unternehmen wird, um das Informationsmanagement zu straffen und die Risiko-Analyse zu verbessern. Nicht zuletzt Analysen auf strategischem Gebiet werden die Fortentwicklung von FRONTEX zu einem nachrichtendienstlichen Sicherheitsinstrument beschleunigen.
Dabei werden künftig auch Aspekte der Nachrichtengewinnung und Aufklärung (NG&A) durch FRONTEX an Bedeutung gewinnen. Dies versetzt FRONTEX in die Lage, dem EU-Military Staff (EUMS) und dem EU-Crisis Center unabhängig von anderen Quellen ein stets aktuelles Lagebild über die Entwicklung der EU-Außengrenzen zur Verfügung zu stellen und damit als Nachrichtendienst der EU zu agieren. Auch wird die Zusammenarbeit von FRONTEX mit dem EU-Satelliten-Zentrum in Torreón bei Madrid zur Qualität der Lageinformationen beitragen.
Die Zusammenarbeit mit Drittstaaten auf dem Gebiet des Grenzschutzes und der Gefahrenabwehr durch FRONTEX wird in den nächsten Jahren intensiviert werden. Nicht auszuschließen ist, dass FRONTEX künftig auch Zugang zu Kommunikations-Daten erhalten wird, die im Rahmen der Kommunikationsüberwachung (Lawful Interception, LI) in Staaten der EU gewonnen werden. Ob und inwieweit FRONTEX künftig auch weitere Zugriffsmöglichkeiten auf bereits vorhandene Datenbestände der EU erhalten wird, ist noch nicht abzusehen, erscheint aber wahrscheinlich. Dies könnte auch für das in Planung befindliche Projekt „INDECT“ der EU gelten. Auch wirft der geplante Einsatz von „Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke“ eine Reihe von Verfahrensfragen auf.
Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke (Rapid Border Intervention Teams, RABIT) – Stellung und Zuständigkeit der Teammitglieder
Die Mitglieder der Teams, die Personenkontrollen an den Außengrenzen vornehmen und diese Grenzen überwachen sind verpflichtet, das Gemeinschaftsrecht und die Rechtsvorschriften des Einsatzmitgliedstaats einzuhalten. Während des Einsatzes unterstehen die Teammitglieder dem Einsatzmitgliedstaat, dessen Anweisungen sie befolgen. Sie üben ihre Befugnisse nur in Gegenwart der nationalen Grenzschutzbeamten aus. Die Teammitglieder bleiben Beamte des nationalen Grenzschutzes ihrer Herkunftsmitgliedstaaten und dürfen daher ihre Dienstwaffe und ihre eigene Uniform tragen. Sie sind jedoch an einer blauen Armbinde mit dem Abzeichen der Europäischen Union und FRONTEX zu erkennen. Sie dürfen die Datenbanken des Einsatzmitgliedstaats abfragen und gegebenenfalls Gewalt anwenden.
Praxishinweise
- Die Vernetzung der EU-Sicherheitssysteme wird in Zukunft zunehmen, wobei es möglich ist, dass Drittstaaten Zugriff auf sensitive Daten der EU-Bürger erhalten.
- Inwieweit nationale Regierungen auf Grund bilateraler Abmachungen Daten mit Drittstaaten oder deren Diensten direkt austauschen, ist wegen fehlender Offenlegung der Vertragsbedingungen nicht abschließend zu klären.
- Anfang 2013 bestanden Arbeitsbeziehungen von FRONTEX zu folgenden Staaten: Russische Föderation, Ukraine, Kroatien, Mazedonien, Serbien, Albanien, Bosnien-Herzegowina, Moldawien, Georgien, Montenegro, USA, Weissrussland, Kanada, Kapverden, Nigeria, Armenien, Türkei , dem Oberkommando der Grenztruppen der russischen Föderation und dem MARRI-Regionalzentrum im westlichen Balkan.
- Die Aufnahme von Arbeitsbeziehungen durch FRONTEX ist mit folgenden Staaten vorgesehen: Libyen, Marokko, Senegal, Mauretanien, Ägypten, Brasilien, Tunesien und Aserbeidschan.
Quellen
- Europäische Agentur für den Schutz der Außengrenzen – FRONTEX, Europa – Zusammenfassungen der EU-Gesetzgebungen
- Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates vom 26. Oktober 2004 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union
- FRONTEXFRONTEXFRAN Quarterly, Quarter 2, April – June 2 2013, Warsaw, 2013
- Verordnung (EG) Nr. 863/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über einen Mechanismus zur Bildung von Soforteinsatzteams für Grenzsicherungszwecke und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2007/2004 des Rates hinsichtlich dieses Mechanismus und der Regelung der Aufgaben und Befugnisse von abgestellten Beamten