Aus- und Fortbildung

Rhetorische Deeskalation im öffentlichen Dienst

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Deeskalative Gesprächsführung

Um in einer angespannten Situation deeskalativ, sprich entspannend, wirken zu können, bedarf es dreier Voraussetzungen:

  • Erstens muss die Situation als eine solche wahrgenommen werden, die des Eingreifens bedarf. Um die Bedrohlichkeit herauszunehmen, muss die Situation richtig eingeschätzt werden können.
  • Zweitens muss der Gesprächspartner, der deeskalativ wirken möchte, die Befindlichkeit des Aggressors aufnehmen können, d.h., er muss sein Anliegen und seinen Ärger begreifen.
  • Drittens muss er die nötigen Mittel besitzen, um deeskalativ wirken zu können. Rein rhetorische Deeskalation funktioniert. Alle diese Punkte haben ihre Tücken in der Praxis.
1. Die Situation einschätzen

Um die Situation als Beteiligter oder zunächst Unbeteiligter zu erfassen, reicht es nicht aus, festzustellen, dass beispielsweise zwei Personen streiten und der Tonfall stetig lauter und aggressiver wird. In wenigen Augenblicken muss auch das Umfeld erfasst werden können. Wie tritt der Aggressor auf? Drohen Handgreiflichkeiten? Kann dessen Gegenüber aus der Situation austreten, gibt es eine Fluchtmöglichkeit? Steht eine Barriere zwischen den beiden (z.B. ein Service-Tresen oder ein Tisch), der für eine Distanz sorgt? Gibt es Personen im unmittelbaren Umfeld und wenn ja, wie verhalten sich diese?

2. Befindlichkeit des Aggressors

Nicht immer tut der Aggressor einem den Gefallen, klar zu formulieren, was sein Anliegen ist. Insbesondere bei psychisch kranken Menschen kann dieser Punkt sehr heikel sein, da man ihn schlichtweg nicht verstehen kann und dieses Unverständnis frontenverhärtend wirkt. Ist das Anliegen jedoch eindeutig erkennbar, kann dem Aggressor zunächst erklärt werden, dass man die Situation von ihm verstanden hat, sobald er eine Sprechpause einlegt. „Ich verstehe, dass Sie die Auszahlung der Leistungen umgehend benötigen“. Ohne der Person recht zu geben, wird bereits ein Stück weit Verständnis für seine Situation entgegengebracht. Nun ist er wieder dran. Vermutlich wiederholt er sich nun wieder und wieder. Genau zuzuhören, hilft für weitere Reaktionen und festigt das Empfinden des Aggressors, zumindest verstanden worden zu sein.

3. Kommunikation als Mittel zur Deeskalation

Bereits zuzuhören und Freundlichkeit zu zeigen, wirkt in vielen Situationen deeskalativ. Der Aggressor verbindet mit einer freundlich handelnden Person weniger das „Schurkensystem“, welches ihm verwehrt, was ihm doch eigentlich zusteht. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, nicht als Person mit einer Meinung aufzutreten. Geht es um Geldleistungen, sollte man nicht formulieren: „Ich muss Ihnen die Leistungen verweigern“ oder „Ich werde Sie aufgrund des Verstoßes gegen die Mitwirkungspflicht sanktionieren“. Als Mitarbeiter oder Beamter in einer öffentlichen Einrichtung handelt man stets im Auftrag, das muss man sich selbst und dem Gegenüber klar machen. So könnte man beispielsweise formulieren: „Das Jobcenter darf Leistungen nur nach Vorlage der Unterlagen bewilligen und Ihnen auszahlen“, oder: „Da Sie gegen die Mitwirkungspflicht verstoßen haben, sieht das Sozialgesetzbuch eine Kürzung Ihrer Leistungen vor“. Damit ist das Unterfangen i.d.R. noch nicht erledigt. Anspruch der Bediensteten sollte es sein, die Emotionalität auf neutralen Grund zu verlagern, damit sich die Aggressionen nicht gegen die eigene Person richten.

Deeskalative Rhetorik nur ein Baustein

Schulungen in deeskalativer Rhetorik können nur ein Baustein in einem Sicherheitskonzept sein, dass den Mitarbeitern öffentlicher Einrichtungen bestmöglichen Schutz bietet, ohne die Nutzer unter Generalverdacht zu stellen oder das Gebäude zu einem Hochsicherheitstrakt umzubauen. Damit die Mitarbeiter sich trotz Vorfälle verbaler oder gar physischer Gewalt sicherer fühlen können, bedarf es des Rückhaltes durch die Behördenleitung und Maßnahmen zur konkreten Sicherung am Arbeitsplatz, wie Bürogestaltung, Durchgangstüren, Alarmfunktion des PC etc. Zudem wäre eine Evaluation des tatsächlichen Auftretens von Gewalt in den öffentlichen Einrichtungen notwendig, um die Erscheinungsformen genauer zu untersuchen und auf dieser Basis ein Sicherheitskonzept zu gestalten.

Praxishinweise:

  • Rhetorische Deeskalation ist ein mildes Mittel, um schwierige Situationen für beide Seiten zu lösen.
  • Für verbale Deeskalationstechniken sollten die Mitarbeiter geschult werden und diese Strategien nur auf niedrigschwelliger Konflikteben anwenden.  
  • Deeskalative Rhetorik kann nur als ein Baustein in einem gesamten Sicherheitssystem gesehen werden.
Quellen:

Hücker, Fritz: Rhetorische Deeskalation. Deeskalatives Einsatzmanagement, Stress- und Konfliktmanagement im Polizeieinsatz.