Sicherheit

Anonyme Hinweise: Zur Aufklärung von Compliance nutzen!

© Arcady - Fotolia.com

Mit telefonischen oder schriftlichen Hinweisen ohne Absender gehen Empfänger sehr unterschiedlich um. Es gibt Unternehmer und Manager, die mit dem Ausdruck „igitt“ die Nachricht dem Papierkorb anvertrauen. Aus Sicht der Unternehmensverantwortlichen stellt sich jedoch die Pflicht, Hinweise auf strafbare Handlungen oder Vertragsverletzungen aufzuklären, Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen und das „Leck“ abzudichten.

Art. 91 Abs. 2 KonTraG, §§ 91, 93 AktG und § 43 GmbHG sprechen hierzu eine sehr deutliche Sprache. Am Ende droht persönliche Haftung – etwa nach § 130, § 9 OWiG dann, wenn Schaden nicht verhindert, also dem Hinweis zur Aufdeckung nicht nachgegangen wurde.

Die Sorge vor Denunziation ist weitestgehend unberechtigt

Im Regelfall hat der interne Hinweisgeber rechtlich nichts zu befürchten, solange er in gutem Glauben handelt. Den rechtlichen Rahmen bilden die bestehenden Gesetze, etwa zum Schutz vor Verleumdung, übler Nachrede oder die Strafbarkeit wegen falscher Verdächtigung – um nur einige zu nennen. Der Empfänger, der verständlicherweise neben seinem Interesse an dem Wahrheitsgehalt der Information auch eines hinsichtlich der Identität des Whistleblowers hat, ist seinerseits frei – im rechtlich zulässigen Rahmen – beidem auf den Grund zu gehen: einerseits, weil er hinsichtlich der behaupteten Missstände rechtlich verpflichtet ist (s.o.) und andererseits, weil der Hinweisgeber selbst strafrechtlich bzw. arbeitsrechtlich herangezogen werden soll, wenn die Behauptung böswillig und falsch war. Die Suche nach dem Informationsgeber ist unproblematisch zulässig. Es sind jedoch die üblichen äußeren und inneren Mitbestimmungspflichten sowie Datenschutzregelungen zu beachten.  

Die Sorge vor Denunziation ist weitestgehend unberechtigt, wie die Erfahrungen aus der Praxis zeigen. Freilich ist sehr wichtig, auch  diese Vorwürfe zu untersuchen: Wenn dem/den/der Beschuldigten eine „weiße Weste“ bescheinigt werden kann, ist der Verdacht ausgeräumt und die weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit wieder gewährleistet.

Während bei schriftlichen Hinweisen konkrete Angaben vorliegen und für die Untersuchung als Basis benutzt werden können, sind bei telefonischen Informationen oftmals am Ende der „stillen Post“ durch evtl. viele Stationen bis zum zuständigen Empfänger Details verloren gegangen – oder sie kommen beeinflusst endlich am Ziel an.

Der Umgang mit schriftlichen Hinweisen

Schriftliche Hinweise sollten in erster Linie der Aufklärung erhobener Vorwürfe, Beschuldigungen o.ä. dienen. Für Consulter spielt es keine Rolle, wer es gut mit dem Unternehmen, dem Empfänger der Botschaft, meint. Das ist in der Tat das häufigste Motiv für Hinweisgeber. Eine meist mit Verbindung zum Opfer (das Unternehmen) an Aufklärung interessierte Person erkennt nicht selten, ob ihrem Hinweis folgend „etwas“ passiert ist, also Konsequenzen gezogen bzw. Verbesserungen für mehr Sicherheit eingerichtet wurden. Sofern sich der Whistleblower also bestätigt fühlt, ist er daran interessiert, weitere Tipps zu geben – immer im Interesse pro Firma.

Im Umkehrschluss (also ohne Reaktion auf Seiten der Empfänger) ist davon auszugehen, dass weitere Hinweise mit dem Gedanken entfallen …dann sollen die doch mit ihren Problemen leben… Schade, denn die Erfahrung zeigt, dass große Werte erst nach anonymen Hinweisen (schriftlich oder telefonisch) gerettet oder Regress genommen werden konnte. Dies sollte das vorrangige Ziel sein.

Über Sachverständige und Gutachter lassen sich Schriftstücke mit erkennbar falscher Beschuldigung in vielfacher Hinsicht auswerten. Die Suche nach dem/der VerfasserIn hat dann Priorität. Dafür stehen bei gedruckten Schreiben neben Fingerabdruckspuren auch Ergebnisse aus der Suche u.a. nach dem Geschlecht, dem benutzen Papier/Umschlag sowie dem Druckersystem etc. zur Verfügung. Es bietet sich dabei auch ein Abgleich mit Schriftstücken aus Vergangenheit und Gegenwart im Unternehmen an. Handschriftliche anonyme Hinweise lassen sich zusätzlich forensisch untersuchen und liefern auf diesem Wege weitere Aufklärungschancen.

Der Umgang mit telefonischen Hinweisen

Auf die Problematik bei telefonischen Hinweisen wurde eingangs bereits hingewiesen. Hier entstehen ungewollt Verzerrungen, Details gehen unter – evtl. kommt auch die eigene Meinung der Empfänger hinzu. Außerdem fehlen bei der Übermittlung Hinweise auf wichtige Details wie Umweltgeräusche (etwa Verkehrslärm), den Dialekt des Anrufers/der Anruferin, Namen (richtige Schreibweise erfragen!) oder sonstige Interna.  

Aus diesem Grunde wurde ein Protokoll-Formular entwickelt, das nach Auskunft des LKA NRW dem amtlicherseits benutzen Vordruck für anonyme Telefonate in großen Teilen entspricht. Auch dort werden anonyme Hinweise selbstverständlich ernst und zum Anlass für Untersuchungen genommen. In den Anleitungen dieses Protokolls stecken Anregungen für viele Rückfragen, um auch möglichst viele Anhaltspunkte für eine gezielte Untersuchung zu erhalten. Die Rechnung geht auf, ist doch der Hinweisgeber durch seinen Anruf bereit, sich mitzuteilen – und genau das gilt es im Sinne der Aufklärung zu nutzen, solange das Gespräch aufrecht erhalten werden kann.

Das Protokollformular an sich dient der schnellen Notiz etwa in der Telefonzentrale und somit dem Erhalt möglichst authentischer Aussagen. Es verhindert Verluste und Einfluss von Meinungen oder gar Ergänzungen durch den/die Überbringer. Aus diversen Details lässt sich dann erkennen, ob der Anrufer Insider ist oder nicht. Das hilft auch bei der Frage seiner Glaubwürdigkeit und der Verlässlichkeit der Nachricht.

Praxishinweise:

Das Protokoll-Formular kann hier kostenlos angefordert werden.  Wichtig ist, dass die betreffenden Personen am Telefon mit dem Umgang des Protokolls vertraut sind – also geschult wurden – und auch im Nachhinein durch praktische Übungen trainiert werden, um den größtmöglichen Nutzen als Basis für aufklärende Untersuchungen zu erreichen.