Bundesinnenminister Thomas de Maizière stellte im Mai 2016 die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das Berichtsjahr 2015 vor. Insgesamt ist ein Anstieg der registrierten Straftaten um 4,1 Prozent gegenüber 2014 zu verzeichnen. Die Zahl der aufgeklärten Fälle stieg 2015 um fast sieben Prozent. Als unerfreulich zeigten sich die Entwicklungen im Bereich der Politisch Motivierten Kriminalität (PMK) sowie bei Einbrüchen.
Registrierte Delinquenz 2015
Die Polizei hat im vergangenen Jahr mehr Straftaten registriert als 2014. Die Zahl ist laut der polizeilichen Kriminalitätsstatistik 2015 um 4,1 Prozent auf 6,3 Millionen Fälle gestiegen. Ebenso stieg die Zahl der registrierten Tatverdächtigen nicht-deutscher Herkunft um fast 13 Prozent. Dieser starke Anstieg der Tatverdächtigen- und Fallzahlen resultiert aus der hohen Anzahl der ausländerrechtlichen Verstöße gegen das Asylgesetz (AsylG) und das Aufenthaltsgesetz (AufenthG), wie z.B. unerlaubte Einreise und unerlaubter Aufenthalt, die im Zusammenhang mit den Migrationsströmen der aktuell andauernden Flüchtlingskrise einhergehen. Die Anzeigen werden im Normalfall fallen gelassen, wenn ein Asylantrag gestellt wird.
Um differenzierte Aussagen zu ermöglichen, wurde in der Darstellung der Polizeilichen Kriminalstatistik 2015 deshalb erstmalig eine Unterscheidung getroffen in „Straftaten insgesamt“ und „Straftaten insgesamt ohne ausländerrechtliche Verstöße“. Registrierten die Polizeibehörden 2014 noch 157.000 Fälle sogenannter ausländerrechtlicher Taten, waren es demnach im vergangenen Jahr 402.000 Fälle. Ohne diese ausländerrechtlichen Delikte blieb die Gesamtzahl der registrierten Straftaten nahezu konstant bei 5,928 Millionen Fällen (2014: 5,926 Millionen). Auch die Zahl der Tatverdächtigen blieb mit insgesamt etwa zwei Millionen konstant. Laut der Statistik sind drei Viertel aller Verdächtigen Männer. 6,7 Prozent seien Zuwanderer, insgesamt 27 Prozent besitzen nicht die deutsche Staatsbürgerschaft.
Anstieg der Politisch Motivierten Kriminalität (PMK)
Die Zahl der in der PKS erfassten politisch motivierten Straftaten stieg 2015 insgesamt um 19,2 Prozent, die politisch motivierten Gewalttaten sogar um 30,7 Prozent. Während die erfasste Zahl der von Ausländern verübten politisch motivierten Straftaten um 20,5 % sank, stiegen die erfassten Straftaten politisch Links- und Rechtsorientierter. Wie gewohnt, liegen die rechten Straftaten weit über den linken. Um fast 35 Prozent steigt die Zahl rechtsmotivierter Delikte auf insgesamt 22.960, davon bezieht sich der Großteil auf sogenannte Propagandadelikte. Linke Straftaten stiegen insgesamt um gut 18 Prozent auf insgesamt 9.605.
Vor allem die Gewalttaten stiegen auf beiden Seiten an. Insgesamt stehen 2.246 (+ 34,9 %) linken Gewalttaten 1.485 rechten (+ 44,3 %) gegenüber. Körperverletzungen machen den größten Anteil der Gewalttaten aus. Diese sind mit insgesamt 3.007 Fällen (Vorjahr 2.285) deutlich um 31,6 Prozent angestiegen. Dabei entfielen 1.177 Körperverletzungsdelikte (2014: 900, + 30,7 %) auf rechte Gewalttäter und auf linke Gewalttäter 1.354 (2014: 924, + 46,5 %). Linke Gewalt richtete sich im Jahr 2015 vornehmlich gegen die Polizei (1.430 Gewaltdelikte) und gegen rechts (1.135 Gewaltdelikte). Ferner kam es 2015 in 20 Fällen zu versuchten Tötungsdelikten. Acht dieser Taten sind jeweils dem Bereich PMK-links und PMK-rechts, drei dem Bereich PM-Ausländerkriminalität und eine Tat dem Bereich PMK-sonstige zuzurechnen.
Die bisherigen Ermittlungen hätten ergeben, dass 90 Prozent der Täter männlich seien, 75 Prozent zwischen 18 und 30 Jahre alt, fast alle lebten in der Nähe der Tatorte und 44 Prozent seien vorher unauffällig gewesen.
Hasskriminalität
Fremdenfeindliche Straftaten im Bereich Hasskriminalität legten um mehr 116 Prozent zu. Angriffe auf bestimmte Gruppen, zum Beispiel religiöse, stiegen um fast 60 Prozent. Auch im Netz wird laut der Statistik zunehmend Hass verbreitet. Gegen welche Religionen oder auch Nationalitäten sich die im Internet und vor allem in sozialen Netzwerken artikulierten Hassattacken beziehen, wird nicht ersichtlich. Die Statistik weist eine Zunahme um 176 Prozent auf 3.084 Straftaten auf. Gerade diese Zahl muss kritisch hinterfragt werden, weil viele Hasskommentare nicht erfasst werden können.
Die Flüchtlingskrise schlug sich direkt in der PKS nieder. Um traurige 427 Prozent stieg die Zahl der rechten Straftaten gegen Aufnahmeeinrichtungen, gar um 580 Prozent die Zahl der Gewalttaten gegen Unterkünfte. Angriffe auf Asyl- und Flüchtlingsunterkünfte sind von 199 im Jahr 2014 auf 1.031 Straftaten im Jahr 2015 angestiegen, davon waren neun von zehn rechtsmotiviert. Wie viele Taten gegen unbewohnte und wie viele gegen bezogene Unterkünfte verübt wurden, wurde dabei aber nicht gesondert ausgewiesen. Im Vergleich zu den politisch motivierten Straftaten insgesamt ist bei Straftaten gegen Asylunterkünfte ein höherer Anteil schwerer Straftaten zu beobachten: Der Meldedienst verzeichnet für 2015 vier versuchte Tötungsdelikte, 60 Körperverletzungsdelikte, 94 Brandstiftungsdelikte und 8 Sprengstoffdelikte.
Drastischer Anstieg von Wohnungseinbrüchen und Diebstählen
Eigentumsdelikte wie Diebstahl und Wohnungseinbrüche, werden meistens von den betroffenen Opfern zur Anzeige gebracht. Insofern bietet die PKS gerade bei diesen Delikten einen guten Anhaltspunkt über das tatsächliche Kriminalitätsaufkommen. Wohnungseinbruchdiebstahl nahm im Vergleich zum Vorjahr um 9,9 Prozent auf 167.136 Fälle zu, der höchste Stand seit fast 20 Jahren. 391.401 Mal wurde in Geschäfte eingebrochen. Seit 2007 hat sich die Zahl der Einbrüche damit verdoppelt. Die Schadenssumme betrug 2015 530 Millionen Euro. Besonders häufig schlagen Einbrecher im Norden und Westen des Landes zu, seltener im Süden und Osten. Als „Einbruchs-Hochburg“ gilt Nordrhein-Westfalen. Für die Einbrüche werden vor allem organisierte Gruppen aus Süd- und Südosteuropa verantwortlich gemacht. Polizeivertreter beklagen in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern der Täter. Auskunftsersuchen an das europäische Ausland würden bisher mitunter erst nach Monaten beantwortet.
Auch die Zahl der Ladendiebstähle stieg um 7,1 Prozent auf 391.402, die Taschendiebstähle um 7 Prozent auf 168.142.
Gewalt gegen Kinder
Im Juni 2016 stellte die Kinderhilfe e.V. die registrierten Zahlen hinsichtlich der Gewalt gegen Kinder vor. Im Jahr 2015 wurden demnach in Deutschland 130 Kinder getötet dabei waren vier von fünf Opfern zum Zeitpunkt des Todes jünger als sechs Jahre alt. Bundesweit wurden 16 Morde an Kindern registriert, zudem 38 Totschlagsdelikte, 68 Fälle fahrlässiger Tötung und acht Körperverletzungen mit Todesfolge. Die Gesamtzahl lag damit deutlich über den 108 registrierten Fällen von 2014. Zudem sind auch Kinder vom Menschenhandel betroffen. So weist die BKA-Statistik für 2015 68 Fälle von Menschenhandel mit 77 minderjährigen Opfern aus.
Gravierend ist die Zahl von Misshandlungen gegen Kinder. Bei der sexuellen Gewalt gegen Kinder wurde 2015 ein geringfügiger Rückgang um 3,24 Prozent auf knapp 14.000 Fälle verzeichnet. Das sind umgerechnet noch immer noch 38 betroffene Kinder pro Tag. Auch hier spielt das Internet eine gefährliche Rolle, Kinderpornografie bleibt ein großes Problem. Die Behörden erfassten 2015 6.560 Fälle, ein halbes Prozent weniger als im Vorjahr. Pädophile Täter nutzen beim sogenannten „sexting“ und „grooming“ die Arg- und Sorglosigkeit von Kindern und Jugendlichen aus und animieren sie beispielsweise, intime Bilder von sich freizugeben.
Fazit und Ausblick
Die Flüchtlingskrise schlägt sich in der PKS zum einen in Aufenthaltsdelikten nieder, werden aber auch als mitursächlich für den Anstieg extremistischer Straftaten gesehen. Insofern sind die verzeichneten Delikte als Vorboten für das Jahr 2016 zu verstehen. Um die Einwirkungen der Flüchtlingskrise auf die Kriminalität in Deutschland insgesamt und auch in Bezug auf PMK, aber auch migrationsspezifische Gewalt (v.a. in den Lagern aufgrund von Clanfehden oder Ehrgewalt gegen Frauen) zu begreifen, bedarf es noch einer weiteren Aufschlüsselung in der statistischen Abbildung. Um ein Zusammenleben mit Flüchtlingen und Zuwanderern dauerhaft zu gewährleisten, müssen die Problemlage und Konfliktpotentiale auf allen Seiten offen dargestellt werden, um darauf aufbauend Interventionsmaßnahmen und Präventionskonzepte zu entwickeln.
Auch der Bereich Gewalt gegen Kinder bedarf in Zeiten des Internets gesteigerte Aufmerksamkeit und macht Handlungsbedarfe für Präventionsprogramme in Familien, aber auch Jugendämtern ersichtlich, um Kinder besser zu schützen.
In den Text eingeflossene Quellen:
Übersichten zur Kriminalstatistik (allgemein, PMK und Hasskriminalität); Informationen zur Gewalt gegen Kinder, s. unten stehende Links (zuletzt abgerufen am 7. Juni 2016)