Rechtliches

EuGH: Speicherung personenbezogener Nutzerdaten durch den Bund?

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Ein Nutzer klagt vor deutschen Gerichten dagegen, dass die von ihm abgerufenen Websites von Einrichtungen des Bundes seine Internetprotokoll-Adressen („IP-Adressen“) sowie den Zeitpunkt des Zugriffs aufzeichnen und speichern. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) hierzu liegt nun vor.

„Dynamische“ IP-Adressen geschützt?

Der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) wollte vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) wissen, ob in diesem Zusammenhang auch „dynamische“ IP-Adressen für den Betreiber der Website personenbezogene Daten darstellen, so dass sie den für solche Daten vorgesehenen Schutz genießen. Eine „dynamische“ IP-Adresse ist eine IP-Adresse, die sich bei jeder neuen Internetverbindung ändert. Anders als statische IP-Adressen erlauben es dynamische IP-Adressen nicht, eine Verbindung zwischen einem Computer und dem vom Internetzugangsanbieter verwendeten physischen Netzanschluss herzustellen. Somit verfügt ausschließlich der Internetzugangsanbieter über die zur Identifizierung erforderlichen Informationen.

Speicherung von personenbezogenen Daten der Nutzer?

Der Bundesgerichtshof möchte ferner wissen, ob der Betreiber einer Website zumindest grundsätzlich die Möglichkeit haben muss, personenbezogene Daten der Nutzer zu erheben und zu verwenden, um die generelle Funktionsfähigkeit seiner Website zu gewährleisten. Von der deutschen Lehre wird die einschlägige Regelung des § 15 TMG (Telemediengesetz) überwiegend dahin ausgelegt, dass die Daten am Ende des jeweiligen Nutzungsvorgangs zu löschen seien, soweit sie nicht für Abrechnungszwecke benötigt werden.

Die Entscheidung des EuGH

I. Mit seinem Urteil äußert sich der Europäische Gerichtshof zunächst zu den dynamischen IP-Adressen, die von einem „Anbieter von Online-Mediendiensten“ – d. h. vom Betreiber einer Website, hier den Einrichtungen des Bundes – beim Zugriff auf seine allgemein zugängliche Website gespeichert werden. Für den Betreiber stelle die IP-Adresse ein personenbezogenes Datum dar, wenn er über die rechtlichen Mittel verfüge, den Nutzer anhand der Zusatzinformationen (über die dessen Internetzugangsanbieter verfügt) bestimmen zu lassen. In Deutschland gebe es diese rechtlichen Möglichkeiten. Diese erlauben es dem Anbieter von Online-Mediendiensten, sich insbesondere im Fall von Cyberattacken an die zuständige Behörde zu wenden, um die fraglichen Informationen vom Internetzugangsanbieter zu erlangen und anschließend die Strafverfolgung einzuleiten.

II. Zweitens antwortet der Gerichtshof, dass das Unionsrecht einer Regelung eines Mitgliedstaats entgegenstehe, nach der ein Anbieter von Online-Mediendiensten personenbezogene Daten eines Nutzers ohne dessen Einwilligung nur erheben und verwenden dürfe, soweit dies erforderlich sei, um die konkrete Inanspruchnahme der Dienste zu ermöglichen und abzurechnen.

Die Verarbeitung personenbezogener Daten sei nach dem Unionsrecht rechtmäßig, wenn sie zur Verwirklichung eines berechtigten Interesses erforderlich sei, sofern nicht das Interesse oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person überwiegen. Die deutsche Regelung schränke – nach ihrer in der Lehre überwiegend vertretenen Auslegung – die Tragweite dieses Grundsatzes ein, indem sie es ausschließe, dass der Zweck (generelle Funktionsfähigkeit des Online-Mediums) Gegenstand einer Abwägung mit dem Interesse oder den Grundrechten und Grundfreiheiten der Nutzer sein könne. Die Einrichtungen des Bundes, die Online-Mediendienste anbieten, könnten ein berechtigtes Interesse daran haben, die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der von ihnen allgemein zugänglich gemachten Websites über ihre konkrete Nutzung hinaus zu gewährleisten, um sich gegen Cyberattacken zu verteidigen.

Über das Verfahren zum EuGH

Im Wege eines Vorabentscheidungsersuchens können die Gerichte der Mitgliedstaaten in einem bei ihnen anhängigen Rechtsstreit dem Gerichtshof Fragen nach der Auslegung des Unionsrechts oder nach der Gültigkeit einer Handlung der Union vorlegen. Der Gerichtshof entscheidet nicht über den nationalen Rechtsstreit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, über die Rechtssache im Einklang mit der Entscheidung des Gerichtshofs zu entscheiden. Diese Entscheidung des Gerichtshofs bindet in gleicher Weise andere nationale Gerichte, die mit einem ähnlichen Problem befasst werden.

Quelle:

Pressemitteilung des EuGH Nr. 112/16 vom 19.10.2016 (zuletzt abgerufen am 02.11.2016)