Die Frage nach der Haftung für von Tieren verursachte Schäden ist älter als das deutsche Recht, sie ist letztlich so alt wie die Zivilisation, denn seit die Menschheit sich das Tier untertan gemacht hat, führt dessen Verhalten immer wieder zu Unglücksfällen. Schon frühe bekannte Rechtstexte enthielten deshalb entsprechende Regelungen (wie etwa der Codex Hammurapi aus dem 18. Jhdt. v. Chr. zur Frage, was passiert, wenn ein Ochse einen Sklaven tötet).
Der folgende Beitrag beschäftigt sich nach einer kurzen, allgemeinen Einführung in die Tierhalterhaftung mit der Frage, wer heute in Deutschland zahlen muss, wenn in einen Unglücksfall mehrere Hunde verwickelt sind.
Die Tierhalterhaftung als verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung
Die zentrale Regelung zu dieser Thematik ist § 833 Satz 1 BGB. Dieser sieht vor, dass grundsätzlich, wann immer ein Mensch durch ein Tier verletzt oder gar getötet wird, der Halter dieses Tieres, soweit vorhanden, die dadurch entstandenen Schäden zu ersetzen hat. Hierbei handelt es sich um eine sogenannte Gefährdungshaftung, es geht also nicht darum, ob der Tierhalter falsch, unvorsichtig und somit schuldhaft handelt. Ebenso wenig ist es von Bedeutung, ob dem Tier selbst ein Fehlverhalten zur Last liegt, etwa ob ein Hund nicht folgt oder ein Pferd bockt. Vielmehr geht man davon aus, dass jedem Tier eine sogenannte „Tiergefahr“ innewohnt. Diese Gefahr ist auf das unberechenbare und selbstständige Wesen des Tieres zurückzuführen und ist deshalb nicht vollständig kontrollierbar. Wer ein Tier hält, ist also auch dafür verantwortlich, dass diese Gefahr existiert und muss haften, wenn sie sich verwirklicht, selbst wenn ihm im konkreten Fall nichts vorgeworfen werden kann.
Ausnahmen hiervon gibt es lediglich für Nutztiere, also alle Tiere, die der Halter für seinen Beruf oder Unterhalt braucht. Diese Tierhalter, wie etwa Landwirte, können sich durch den Beweis, dass die eingetretene Verletzung nicht ihre Schuld ist, entlasten. Alle anderen jedoch, und somit auch private Hundehalter, haften unabhängig von ihrem eigenen Verhalten für Personenschäden, die ihr Haustier verursacht hat.
Viele Tiere, viele Halter: wer haftet?
Wenn also jeder, der privat einen Hund hält, haftet, wenn durch dessen Verhalten ein Mensch zu Schaden kommt, ist damit noch nicht gelöst, was passiert, wenn Hunde im Rudel auftreten oder sich gegenseitig jagen und bekämpfen und es dabei zu Verletzungen von Menschen kommt. Grundsätzlich gilt hier, dass mehrere Halter als sogenannte Gesamtschuldner haften und somit den Schaden gemeinsam tragen. Dies trifft etwa dann zu, wenn zwei Hunde kämpfen und ein Mensch, der zu schlichten versucht, gebissen wird. Aber hat diese gemeinsame Haftung Grenzen?
Wenn nur ein Hund spielen will, soll auch nur dessen Halter haften
Das OLG München hatte in einem Fall zu entscheiden, in dem eine Fahrradfahrerin bei dem Versuch, einem Hund auszuweichen, stürzte und sich schwer am Kopf verletzte. Die Halterin des Hundes (bzw. ihre Versicherung) beglich den Schaden und wollte nun einen Teil des Geldes wiederhaben von der Besitzerin eines zweiten Hundes, mit dem der erste soeben noch herumgetollt war. Das Gericht machte hier klar, dass, wenn sich Hunde im sogenannten „Jagdspiel“ befänden, es für die Frage der Haftung irrelevant ist, welcher Hund nun gerade der Gejagte und welcher der Jäger ist und somit auch, welches Tier nun konkret den Unfall verursacht.
Abgewiesen hat es die Klage dennoch. Die Besitzerin des zweiten Hundes hatte nämlich vorgetragen, ihr Hund, der ältere der beiden, sei erschöpft gewesen, das jüngere Tier habe ihn durch Herumhüpfen versucht, zum Weiterspielen zu animieren. In einem solchen Fall, so das OLG, müssten nicht beide Halter haften, denn die reine physische Präsenz eines Tieres reiche alleine noch nicht aus, um von einer „Tiergefahr“, die sich verwirklicht hätte, zu sprechen. Beim „Jagdspiel“ erhöhe sich die beiderseitige spezifische Tiergefahr und wirke sich so insgesamt auf das Unfallgeschehen aus. Wenn nur einer von beiden tollt, sei das nicht der Fall.
Wertung und Schlussfolgerung
Diese Entscheidung überrascht. Denn es gibt durchaus Fälle, in denen die reine physische Präsenz eines Hundes einem Gericht ausgereicht hat, um eine Haftung seines Halters zu begründen, etwa wenn ein Männchen über die Straße läuft, um ein läufiges Weibchen zu decken oder wenn sich ein Tier auf die Straße legt. Ersteres wird mit den von der Hündin ausgehenden Düften erklärt, letzteres damit, dass dem Liegen eine aktive Bewegung vorausgegangen ist. Mit ähnlichen Begründungen wäre demnach auch ein anderes Ergebnis im eben besprochenen Fall begründbar gewesen.
Nichtsdestotrotz zeigt dieses Urteil, dass Halter von Tieren der Gefährdungshaftung entgehen können, wenn sie ausreichend darstellen, warum ihr Tier für den haftungsauslösenden Schaden nicht mitursächlich war. In ähnlich gelagerten Fällen werden deshalb wohl zukünftig Hundebesitzer bzw. deren findige Anwälte darzulegen versuchen, dass ihr Tier sich mit einem anderen nicht habe abgeben wollen. Dies minimiert die generelle Gefahr für Hundehalter, wegen einem schädigenden Verhalten ihres Tieres belangt zu werden, jedoch nur minimal und kann insbesondere nicht dazu führen, dass Vorsicht oder Sorgfalt vernachlässigt werden dürfen.
Quelle: OLG München, Urteil vom 23.06.2017 – 10 U 4540/16