Im Phänomenbereich islamistischer Terrorismus werden von den zuständigen Sicherheitsbehörden – Polizeien, Verfassungsschutzbehörden, Bundesnachrichtendienst, EUROPOL – die Begriffe islamistische(r) „Gefährder“, Foreign Fighter(s) (auch Jihad-Reisende) und Relevante Personen (RP) benutzt. Aus Jihad-Gebieten wie dem Irak und Syrien zurückgekehrte Foreign Fighters (Jihad-Reisende) können – müssen aber nicht – von den deutschen Sicherheitsbehörden als islamistische „Gefährder“ eingestuft werden. Einige dieser „Gefährder“ werden einer Risikobewertung mit dem Instrument „RADAR-iTE“ (regelbasierte Analyse potenziell destruktiver Täter zur Einschätzung des akuten Risikos – islamistischer Terrorismus) durch die deutschen Sicherheitsbehörden unterzogen, was eine Einschätzung des von diesen Personen ausgehenden Terrorismusrisikos in „hoch“, „auffällig“ und „moderat“ ermöglichen soll.
Gefährder und Relevante Personen
Die Bundesregierung antwortete auf die Frage der Kleinen Anfrage im Bundestag „wie viele Personen werden nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit als Gefährder sowie als Relevante Person (RP) geführt (untergliedert in Führungspersonen, Unterstützer bzw. Logistiker, Akteur oder Kontakt- bzw. Begleitperson)“ mit: „Derzeit sind 767 Personen als Gefährder und 470 als Relevante Personen eingestuft. 58 Relevante Personen haben den Funktionstyp Führungsperson, 165 den Funktionstyp Unterstützer/Logistiker, 118 den Funktionstyp Akteur und 188 den Funktionstyp Kontakt-/Begleitperson“.
Die Antwort der Bundesregierung auf die Frage „wie viele Frauen und wie viele Männer sind dies nach Kenntnis der Bundesregierung jeweils“ lautet: „734 Gefährder sind männlich, 33 weiblich, 379 Relevante Personen sind männlich, 91 weiblich“.
Die Antwort auf die Frage „wie viele Gefährder und Relevante Personen halten sich nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit in Deutschland auf, und wie viele hiervon sind in Haft?“ lautet: „Bei 840 Gefährdern und Relevanten Personen wird derzeit davon ausgegangen, dass sie sich in Deutschland aufhalten. Davon sind 186 in Haft“.
Auf die Frage nach der Verteilung nach dem Terrorismusrisiko in „hoch“, „auffällig“ und „moderat“ zitiert die Bundesregierung das Bundeskriminalamt bei 386 analysierten Personen mit Hohes Risiko: Etwa 40%, Auffälliges Risiko: Etwa 10 % und Moderates Risiko: Etwa 50%.
Foreign Fighters
Nach Angaben der Europäischen Union sind ca. 5000 Personen aus Mitgliedsstaaten der Europäischen Union nach Syrien und in den Irak gereist, um dort für den „Islamischen Staat“ und die Al Qaida zu kämpfen oder diese beiden jihadistischen Organisationen anderweitig zu unterstützen (Jihad-Reisende, auch Foreign Fighters genannt). Gemäß dem Dokument „Islamistisch motivierte Reisebewegungen in Richtung Syrien/Irak“ des Bundesamtes für Verfassungsschutz waren davon mehr als 1050 Foreign Fighters (Jihad-Reisende) aus Deutschland. Mehr als ein Fünftel der von Deutschland ausgereisten Jihadisten ist weiblich, der überwiegende Teil davon jünger als 30 Jahre.
Rückkehrer
Etwa ein Drittel der deutschen Jihadisten befindet sich momentan wieder in Deutschland, zu über 110 der bisherigen Jihad-Rückkehrern liegen den Sicherheitsbehörden Erkenntnisse vor, wonach diese sich aktiv an Kämpfen in Syrien oder im Irak beteiligt oder eine terroristische Ausbildung absolviert haben. Bei den sich noch vor Ort in Syrien oder dem Irak befindenden Foreign Fighters (Jihad-Reisende) dürfte sich auf Grund der fortschreitenden Gebietsverluste des „Islamischen Staats“ eine verstärkte Rückreisetendenz abzeichnen. EUROPOL schätzt in die EU zurückkehrende Foreign Fighters (Jihad-Reisende) als teilweise kampferfahren und gewaltbereit ein.
Rekrutierung und Radikalisierung
Neben dem potenziellen Risiko für terroristische Anschläge in Europa geht von diesen Jihad-Rückkehrern auch das Potential für die Rekrutierung und Radikalisierung zukünftiger Jihadisten aus. Dies trifft auch auf jihadistische „Gefährder“ zu, die sich nach ihrer Rückkehr nach Europa in Haft befinden und dort Mitinhaftierte radikalisieren könnten. EUROPOL schreibt den Foreign Fighters (Jihad-Reisende) einen gestiegenen Gefechtswert im Orts- und Häuserkampf, ein gestiegenes Know-how im Bereich Umgang mit Sprengstoff, Umgang mit militärischen Waffen sowie Handstreichs- und Hinterhaltstaktiken zu. Anders als die ersten Jihad-Rückkehrer der Jahre 2014 und 2015, die teilweise unzufrieden mit der Situation im zeitgenössischen Kalifat des IS waren, waren die Jihad-Rückkehrer der Jahre 2016, 2017 und 2018, die deutlich länger den IS unterstützt und/oder aktiv für ihn gekämpft haben, weiterhin ideologisch eng mit der salafistisch-jihadistischen Ideologie verbunden.
Fazit
Zusammenfassend müssen islamistische „Gefährder“, Relevante Personen und Foreign Fighters (Jihad-Reisende) als aktuell und zukünftig besondere Herausforderung – qualitativ und quantitativ – für die deutschen Sicherheitsbehörden und die Justizvollzugsanstalten (Radikalisierungsrisiko von Mitinhaftierten) bezeichnet werden.
Verwendete Quellen:
Bundesamt für Verfassungsschutz 2018: Islamistisch motivierte Reisebewegungen in Richtung Syrien/Irak; Stand: 18.12.2018, (zuletzt abgerufen am 15.01.2019).
Deutscher Bundestag 2018: Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage Drucksache 19/5202 – Drucksache 19/5648
European Parliamentary Research Service 2018: The return of foreign fighters to EU soil.
European Union 2018: European Union Terrorism Situation And Trend Report.