Die Kassiererin war bei der kommunalen Sparkasse als Kassiererin beschäftigt. Sie hatte sich ferner um die Bargeldversorgung der Sparkasse zu kümmern. Im Zusammenhang mit dieser Tätigkeit nahm sie einen Geldbehälter in Empfang, in dem sich nach dessen Öffnung – wie sie einem Kollegen 20 Minuten nach dessen Anlieferung mitteilte – anstatt Geld lediglich Babynahrung und Waschmittel befunden haben sollten. Den Behälter hatte die Klägerin entgegen einer Anweisung der Sparkasse nicht im Beisein einer anderen Person geöffnet.
Im Zuge der polizeilichen Untersuchungen stellte sich heraus, dass die Konten der Frau, ihres Ehemanns und ihrer Mutter einen hohen Gesamtschuldenstand aufwiesen. Die Kriminalpolizei nahm Hausbesuche bei der Kassiererin vor und untersuchte u. a. mehrmals ihr Bankschließfach. Auch die interne Revision der Sparkasse nahm Untersuchungen auf. Man stellte fest, dass eine gewisse Anzahl von Bareinzahlungen auf die Konten der Mitarbeiterin und ihrer Angehörigen erfolgt sei. Der Geldbetrag, der sich in dem Geldbehälter befunden haben soll, blieb verschwunden. Die Kassiererin wurde nach dieser Untersuchung verdächtigt, das Geld entwendet zu haben.
Die in diesem Zusammenhang ausgesprochene außerordentliche bzw. ordentliche Verdachtskündigung hielten die Vorinstanzen in der nachfolgenden arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzung für unwirksam. Das Bundesarbeitsgericht1 sah dies anders und hob die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts auf. Das Verfahren muss nun vor dem Landesarbeitsgericht erneut verhandelt werden.
Anhörung zwingend
Das Bundesarbeitsgericht hob hervor, dass anders als bei einer sog. Tatkündigung Voraussetzung für die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung die vorherige Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers notwendig sei. Die Annahme, dass für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unabdingbare Vertrauen sei bereits aufgrund des Verdachts eines erheblichen Fehlverhaltens des Arbeitnehmers zerstört, sei es zumindest so lange nicht gerechtfertigt, wie der Arbeitgeber die zumutbaren Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts nicht ergriffen habe. Dazu gehöre es insbesondere, dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme zu den Verdachtsmomenten zu geben, um dessen Einlassungen bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen zu können. Versäume der Arbeitgeber dies, könne er sich im Prozess nicht auf den Verdacht eines pflichtwidrigen Verhaltens des Arbeitnehmers berufen. Die darauf gestützte Kündigung sei dann unwirksam.
Die Anhörung habe im Zuge der gebotenen Aufklärung des Sachverhalts zu erfolgen. Zwar sei dafür ein objektiver Maßstab aus Sicht eines verständigen Arbeitgebers zugrunde zu legen. Entscheidend seien aber die Umstände des Einzelfalls. Der Arbeitgeber müsse den Arbeitnehmer zu erkennen geben, zur Aufklärung welchen Sachverhalts ihm Gelegenheit gegeben werden solle. Der Arbeitnehmer müsse die Möglichkeit haben, bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen ggf. zu bestreiten oder den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so zur Aufhebung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen. Erforderlich sei allein, dass der Arbeitnehmer erkennen könne, welchen Sachverhalt der Arbeitgeber für aufklärungsbedürftig hielte.
Es bedürfe auch keines ausdrücklichen Hinweises auf das Bestehen eines entsprechenden Verdachts, wenn nach den konkreten Umständen kein Zweifel daran bestehen könne, welchen Sachverhalt der Arbeitgeber für aufklärungsbedürftig halte. Dies sei im vorliegenden Fall erfolgt, wenn der Arbeitgeber die Kassiererin tatsächlich auf die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen hingewiesen habe. Ihr müsse wegen der Durchsuchung ihrer Wohnung klar gewesen sein, dass ein Verdacht zumindest auch gegen sie bestünde und die Sparkasse hierauf Bezug nehme. Die Umstände zur Anhörung der Kassiererin müsse das Landesarbeitsgericht nun aufklären. Hinzu komme in diesem Fall eine besondere Pflicht der Frau zur Rücksichtnahme auf die Interessen der beklagten Sparkasse, weil die Sparkasse den gesetzlichen Vorschriften zur Verhinderung der Geldwäsche unterliege. Nach den bisherigen Feststellungen sei die zweiwöchige Frist zum Ausspruch einer außerordentlichen Kündigung nach § 626 Abs. 2 BGB wohl eingehalten. Die Frist beginne in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlange. Stehe im Raum, dass sich der Arbeitnehmer strafbar gemacht habe, dürfte der Arbeitgeber den Fort- und Ausgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten und abhängig davon in dessen Verlauf zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt kündigen. Für die Wahl des Zeitpunkts bedurfte es eines sachlichen Grundes.
Praxistipp:
Wenn auch nicht ausdrücklich, so erteilt das Bundesarbeitsgericht scheinbar denjenigen eine Absage, die fordern, dass der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer vor einer Anhörung in Textform mitteilen müsse, dass er ihn im Rahmen eines bestimmten Verdachts anhören wolle. Es empfiehlt sich aber in jedem Fall, dem Arbeitnehmer klarzumachen, worum es genau gehen solle.
1 Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 25. April 2018 – 2 AZR 611/17, besprochen in RdW 2019 Rd. 8