Sicherheit

Strategische Behördenkooperation zur Bekämpfung von OK-Strukturen

© stockpics - stock.adobe.com

Die Razzien der vergangenen Monate als Maßnahme gegen Clankriminalität wurden und werden nicht alleine von der Polizei durchgeführt. Sie sind Bestandteil einer koordinierten Behördenstrategie, in der beispielsweise Polizei, Zoll, Finanzämter und Stadtverwaltungen zusammenarbeiten. Dieses integrative Modell ist zur Behandlung von Organisierter Kriminalität (OK) in Deutschland als flächendeckender Standard notwendig, jedoch gestalten sich entsprechende überregionale Bündnisse als problematisch.

Organisierte Kriminalität in Deutschland

Organisierte Kriminalität ist ein für die Bevölkerung diffuses Feld und wenig greifbar.  Nach Definition der Gemeinsame Arbeitsgruppe Justiz/Polizei (GAG) aus dem Jahr 1990 ist OK folgendermaßen zu beschreiben:

„Organisierte Kriminalität ist die von Gewinn- oder Machtstreben bestimmte, planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind, wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig

a) unter Verwendung gewerblicher oder geschäftsähnlicher Strukturen,

b) unter Anwendung von Gewalt oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel oder

c) unter Einflussnahme auf Politik, Medien, öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken.“

Die Kriminalitätsfelder sind derweil vielfältig und reichen von klassischen Feldern wie Drogenhandel/-Schmuggel, Menschenhandel, Prostitution, Waffenhandel, illegalem Glücksspiel, Umweltkriminalität und diversen Betrugsformen bis hin zur Steuerhinterziehung und gehen häufig noch mit Ordnungswidrigkeiten einher.

Egal, um welche OK-Gruppen es in der Betrachtung geht, ob Rocker, Clans oder andere kriminell agierende Zusammenschlüsse: Kennzeichnende Merkmale sind stets die Vielfalt krimineller Methoden und der Geschäftsfelder und deren Intensität. Das Repertoire reicht von einfachen Ordnungswidrigkeiten bis hin zu kapitalen Delikten. Zudem werden illegale mit legalen Geschäftsfeldern vermischt, um die Herkunft der inkriminierten Gelder zu verschleiern. Auch Terrorismusfinanzierung funktioniert nach diesem Prinzip der multifaktoriellen Strategien. Gerade diese Strukturen nutzen wiederum bestehende Hürden des behördlichen Austauschs aufgrund unterschiedlicher Systeme und datenschutzrechtlicher Regeln für ihre Zwecke aus. Aufwendige Strafprozesse haben sich in den vergangenen Jahren häufig als verhältnismäßig wenig ergiebig erwiesen. Entsprechend stellt sich die Frage nach den jeweiligen Schwachstellen und wie unterschiedliche Behörden diese mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln treffen können.

Konzentrierte Maßnahmen unterschiedlicher Behörden

OK-Strukturen haben stets den Zweck der Gewinnmaximierung. An dieser Stelle setzen behördliche Kooperationen an. Nach dem Prinzip „Follow the money“ geht es nicht nur um das Aufspüren inkriminierter Gelder und Besitztümer, sondern vor allem um deren Wegnahme. Auch bei terroristischen Vereinigungen sind Geldströme Gegenstand staatlicher Bekämpfungsstrategien. Denn sowohl terroristische als auch OK-Gruppen benötigen Geld, um zu funktionieren und weiter wachsen zu können. Alleine mit polizeilichen Mitteln kann man solchen übergreifenden Kriminalitätsphänomenen und deren Geldflüssen jedoch nicht dauerhaft entgegentreten.

Entsprechend notwendig ist die Bündelung der behördlichen Kräfte, um an unterschiedlichen Stellen anzusetzen und den Strukturen die Gelder zu entziehen. Neben der Polizei können zur Einhaltung der Rechtsordnung kommunale Behörden wie die Ordnungsämter herangezogen werden, um polizeiliche Maßnahmen zu flankieren. Beispielsweise können sie Überprüfungen niedergelassener Gewerbe und Betriebe, die OK-Strukturen zuzuordnen sind, vornehmen. Im Rahmen der Steueraufsicht besitzen die zuständigen Finanzbehörden bereits unterhalb der Schwelle des strafrechtlichen Anfangsverdachts Möglichkeiten zur gezielten Überprüfung. So können ohne Erlass Kassennachschauen oder lohnsteuerliche bzw. umsatzsteuerliche Nachschauen vorgenommen werden. Besonders wichtige Befugnisse im Kampf gegen OK besitzt der Zoll, der beispielsweise für Straftaten mit Grenzbezug, sowie der Bekämpfung von Schwarzarbeit zuständig ist. Die Bündelung gerade dieser drei Behörden (Polizei, Zoll und Finanzbehörden) ist notwendig, um illegal erlangte Gewinne abzuschöpfen. Weitere Behörden und Einrichtungen können hinzugezogen werden, wie beispielsweise Jobcenter der Agentur für Arbeit (AfA) oder der Kommunen, um systematischen Sozialleistungsmissbrauch aufzudecken.

Zum Zweck der gezielten Bekämpfung von Clankriminalität wurde in Essen bereits im Jahr 2017 die Initiative „Interbehördlicher Koordinierungskreis“ (IBK) gegründet. In diesem arbeiten Polizei, Zoll, Finanzverwaltung NRW sowie die Städte Essen und Mülheim zusammen. Die Kooperation unterstützt polizeiliche Maßnahmen beispielsweise durch Beschlagnahme von Barmitteln aus illegalen Geschäften oder unversteuertem Tabak. Die Zusammenarbeit hat gezeigt, dass es gerade Ordnungswidrigkeit und Steuerdelikte sind, die direkt mit Geldstrafen belegt werden können, ohne dass dafür aufwendige Strafprozesse notwendig werden. Die lokale Kooperation trägt somit dem Gedanken der angewandten Vermögensreduzierung krimineller Strukturen Rechnung.

Notwendigkeit und Grenzen

Interbehördliche und gemeinsame Bekämpfungsstrategien bedürfen neben einem langen Atem und viel Pioniergeist auch einer guten Fehlerkultur. Das Bewegen in unterschiedlichen Rechtskreisen kann leicht zu Verfahrensfehlern führen. Der Austausch untereinander obliegt zudem den Hürden des Datenschutzes, die rechtskonform behandelt werden müssen. OK-Strukturen als lernende Systeme zu begreifen bedeutet einzukalkulieren, dass sie ihrerseits auf Taktiken reagieren und die Behörden erneut zum Umdenken und Anpassen ihrer Maßnahmen zwingen werden. Entsprechend müssen alle Handlungskonzepte regelmäßig auf ihre Wirksamkeit hin überprüft und bei Bedarf nachjustiert werden.

Funktionieren entsprechende Bündnisse auf lokaler Ebene, wie in Essen, ist die Übertragung auf größere Gebiets- oder gar Landesstrukturen ungleich schwieriger. Während sich kriminelle Gruppen wenig um administrative Zuständigkeitsgrenzen innerhalb Föderal- und Staatenstrukturen kümmern, bzw. die sich daraus ergebenden Einschränkungen für ermittelnde Behörden ausnutzen, schränken gerade diese die wirksame Verbrechensbekämpfung ein. Gegenwärtige Grenzen bestehen für sämtliche behördliche Kooperationen bisweilen in organisatorischen Hemmnissen durch unterschiedliche Zuständigkeitsbezirke, unterschiedliche Datenverwaltungssysteme und in den Regelungen des Datenschutzes, die die Arbeit und insbesondere den notwendigen Informationstransfer häufig erschweren. Zudem ist die Personalstärke solcher Behörden ein Dauerthema: Oben beschriebene Kooperationen sind zeit- und personalaufwendig. Der Staat muss sich an dieser Stelle entscheiden, wieviel er tatsächlich bereit ist, in eine effektive Bekämpfung von Organisierter Kriminalität zu investieren.

Verwendete Quellen:
  • Mader, Thomas: So tut man Clans und Rockern weh – über die Steuern vom 25. Mai 2019 (Stand: 04. Juni 2019).
  • Polizeipräsidium Essen (Hrsg.): IBK – Entstehung, Mitwirkende. Essen, ohne Datumsangabe.