Nutzt ein Arbeitnehmer gefälschte Impfunterlagen, droht ihm die außerordentliche Kündigung seines Arbeitsverhältnisses. Zu diesem Ergebnis gelangen immer mehr Arbeitsgerichte.
Ein Küchenfachberater war seit dem 01.04.2013 in einem Einzelhandelsgeschäft tätig. Im Rahmen seiner Aufgaben hatte er Verkaufsgespräche mit Kunden vor Ort in der Filiale zu führen. Neben dem Kundenkontakt hatte er auch einen intensiven persönlichen Kontakt mit weiteren in der Filiale beschäftigten Arbeitnehmern. Im Betrieb war bekannt, dass er sich nicht gegen das Covid-19-Virus impfen lassen wollte.
Der Fall
Im November 2021 legte der Küchenfachberater eine Kopie seines Impfausweises vor, nach dem er über einen seinerzeit vollständigen Impfschutz verfügen sollte. Als Impfdaten waren der 06.03.2021 und der 28.05.2021 eingetragen. Anlässlich einer Prüfung aller Kopien der Impfausweise der Mitarbeiter fiel dem Geschäftsführer des Unternehmens auf, dass der Impfausweis des Küchenfachberaters gefälscht sein könnte.
Denn die im Impfausweis eingetragenen Impfstoffchargen waren ebenso bei einem weiteren Mitarbeiter des Unternehmens eingetragen. Nach Hinzuziehung der Polizei und einer Anhörung am 30.11.2021 konfrontierten der Geschäftsführer sowie der Vertriebsleiter den Küchenfachberater mit dem Sachverhalt. Der Küchenfachberater meinte, der Impfausweis sei nicht gefälscht und gab an, mit dem Impfstoff Moderna geimpft worden zu sein. Das Unternehmen schenkte dieser Behauptung keinen Glauben und kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30.11.2021 fristlos und hilfsweise fristgemäß zum nächstmöglichen Termin.
Der Küchenfachberater war der Meinung, die Vorlage der Kopie des gefälschten Impfausweises (er hatte mittlerweile die Fälschung eingeräumt) sei zum damaligen Zeitpunkt nicht strafbar gewesen. Zu seinen Gunsten sei zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis langjährig störungsfrei bestanden habe. Auch sei ihm die damals geltende 3-G-Regelung im Betrieb nicht bekannt gewesen. Schließlich sei von ihm kein höheres Ansteckungsrisiko ausgegangen. Seine Arbeitgeberin war hingegen der Meinung, mit dem gefälschten Impfausweis habe er sie getäuscht und das Vertrauensverhältnis zerstört. Durch sein Verhalten habe er die übrigen Beschäftigten sowie Kunden der Filiale einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt und damit deren Gesundheit gefährdet.
Klage des AN erfolglos
Nach Auffassung des Gerichts lag hier ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs 1 BGB vor, das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist zu kündigen.1 Denn der kündigungsrelevante Sachverhalt stelle „an sich“ schon einen typischen Grund für eine fristlose Kündigung dar. Auch wenn zum damaligen Zeitpunkt die Verwendung eines gefälschten Impfausweises noch nicht strafbewährt gewesen sei, liege gleichwohl eine schwerwiegende Pflichtverletzung gegen die arbeitsvertragliche Nebenpflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers vor.
Nicht ausschlaggebend sei, ob ein beanstandetes Verhalten eine Straftat darstelle. Denn es komme entscheidend darauf an, ob ein Verstoß gegen eine Haupt- oder Nebenpflicht und eine mit der Handlungsweise einhergehenden Störung des Arbeits- und Vertrauensverhältnisses erfolgt sei. Mit der Verwendung von gefälschten Impfausweisen in der derzeitigen Pandemielage gehe eine erhebliche Gefahr für den Gesundheitsschutz Dritter einher. Ein Arbeitgeber wolle nur solche Mitarbeiter beschäftigen, die keine Gefahr für andere darstellten und auf diese Weise so weit wie möglich vermeiden, dass sich seine Mitarbeiter mit dem Covid-19-Virus im Betrieb ansteckten. Zudem wolle ein Arbeitgeber das Risiko einer Haftung im Rahmen seiner Fürsorgepflicht umgehen.
Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze liege auch im konkreten Fall eine erhebliche Pflichtverletzung vor, die eine außerordentliche, fristlose Kündigung rechtfertige. Es sei auch nicht entscheidend, dass nicht ein gefälschter Impfausweis selbst, sondern nur eine Kopie vorgelegt worden sei. Weitere Rechtfertigungsgründe des Klägers bestünden nicht. Auch habe ihn die Beklagte nicht zuvor abmahnen müssen. Denn die Pflichtverletzung sei für ihn ohne weiteres erkennbar gewesen. Das hohe Infektionsrisiko mit gegebenenfalls schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen sei mit der über zwei Jahre andauernden Pandemielage jedermann bekannt. Zudem sei die Verwendung eines gefälschten Impfausweises mit einem hohen Maß an krimineller Energie verbunden.
Praxistipp
Auch wenn die Entscheidung einen Sachverhalt betrifft, in dem die mittlerweile ausgelaufene „3-G-Regelung“ galt, ist die Entscheidung nach wie vor bedeutend. Denn nach dem derzeit geltenden § 20 a Infektionsschutzgesetz ist in den in dieser Vorschrift aufgeführten Einrichtungen ein Impf- oder Genesenennachweis zu erbringen, um dort als sog. „Altbeschäftigter“ ohne behördliche Erlaubnis beschäftigt werden zu können. Auch andere Arbeitsgerichte sehen die Rechtslage ähnlich, sodass in vergleichbaren Fällen bei der seit dem 24.11.2021 strafbaren Verwendung von gefälschten Ausweisen die Berechtigung zur außerordentlichen Kündigung gegeben sein kann.
1 AG Düsseldorf, Urteil vom 18.02.2022 – 11 Ca 5388/21.
Entnommen aus RdW-Kurzreport 16/2022, Rn. 266