Rechtliches

Verfassungsbeschwerden gegen Impfnachweispflicht erfolglos

© harald.si- stock.adobe.com

Mit aktuellem Beschluss[1] hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Pflicht zum Nachweis einer Impfung gegen Masern in Kitas nicht verfassungswidrig ist.

Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um gemeinsam sorgeberechtigte Eltern sowie ihrer minderjährigen Kinder, die kommunale. Kindertagesstätten besuchen oder von einer Tagesmutter betreut werden wollen. Die beschwerdeführenden Kinder sind nicht gegen Masern geimpft, immun und es liegen auch keine medizinischen Gründe gegen eine Impfung vor.

Die Verfassungsbeschwerden wenden sich im Wesentlichen gegen Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes, die eine solche Betreuung an den Nachweis einer Impfung oder einer Immunität gegen Masern knüpfen: Nach § 20 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) müssen Kinder, die in einer Kindertageseinrichtung oder durch eine erlaubnispflichtige Kindertagespflege betreut werden, einen ausreichenden Impfschutz gegen Masern, eine Immunität oder Kontraindikation gegen eine Impfung aufweisen. Die Pflicht, einen solchen Impfschutz aufzuweisen, gilt auch, wenn ausschließlich Kombinationsimpfstoffe zur Verfügung stehen, die auch Impfstoffkomponenten gegen andere Krankheiten enthalten (§ 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG).

Die Kinder sind der Ansicht, in der Impfpflicht liege ein unverhältnismäßiger Eingriff in die körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 GG, dies vor allem vor dem Hintergrund, dass der in Deutschland verfügbare Impfstoff eine Vierfachimpfung sei, die neben der Masernimpfung auch eine Impfung von Röteln, Mumps und Windpocken umfasse. Die Eltern machen eine Verletzung ihres Rechts auf Entscheidungsfreiheit aus Art. 6 GG geltend. Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerden der Eltern und ihrer Kinder zurückgewiesen.

In der Begründung führten die Karlsruher Richter aus, dass der Gesetzgeber ohne Verstoß gegen das Verfassungsrecht dem Schutz durch eine Maserninfektion gefährdeten Menschen Vorrang vor den Interessen der beschwerdeführenden Eltern und Kindern gegeben habe. Der Senat stellte zunächst fest, dass durch die Regelungen im IfSG zwei mittelbare Eingriffe vorliegen, in das Elternrecht und das Recht der Kinder auf körperliche Unversehrtheit. Die Eingriffe seien jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt.

Grundrechtseingriffe nur bei verfassungskonformer Auslegung gerechtfertigt

§ 20 Abs. 8 Satz 3 IfSG müsse jedoch verfassungskonform ausgelegt werden, dass die daraus resultierende Pflicht zum Nachweis einer Masernimpfung bei ausschließlicher Verfügbarkeit von Kombinationsimpfstoffen nur dann gilt, wenn es sich dabei um solche handelt, die keine weiteren Impfstoffkomponenten enthalten als die gegen Masern, Mumps, Röteln oder Windpocken, sagten die Richter.

Schutz der Gemeinschaft geht vor

Die angegriffenen Vorschriften aus dem Infektionsschutzgesetz seien auch verhältnismäßig. Die im Infektionsschutzgesetz festgelegten Pflichten verfolgen den Zweck, vulnerable Personengruppen vor einer für sie gefährlichen Masernerkrankung zu schützen. Diese Annahme des Gesetzgebers, dass Personen ohne Immunität oder Impfschutz Gefahren für Leib und Leben anderer Personen darstellen, beruhe auf zuverlässigen Grundlagen und halte auch einer strengen verfassungsrechtlichen Prüfung stand, führten die Richter aus.

Der Gesetzgeber verfolge mit den Vorschriften demnach den Schutz eines überragend wichtigen Rechtsguts, dem Gesundheitsschutz. Dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung komme ein hohes Gewicht zu. Aus Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz ergebe sich eine staatliche Schutzpflicht, die eine Risikovorsorge gegen Gesundheitsschäden umfasse. Bei Masern sei die Gefahr einer Ansteckung und eines schweren Verlaufes sehr hoch.

Dieser Schutzpflicht ist der Gesetzgeber durch die entsprechenden Regelungen im Infektionsschutzgesetz nachgekommen.

 

Entnommen aus RdW-Kurzreport Heft 19/2022, Rn. 312.

[1] BVerfG, Beschluss vom 21.07.2022 – 1 BvR 469/20, 1 BvR 472/20, 1 BvR 471/20, 1 BvR 470/20.