Nach einem Urteil des Berliner Landgerichts bedarf eine Eigenbedarfskündigung mit geplanter Wohnungszusammenlegung in einem Milieuschutzgebiet einer Erhaltungsgenehmigung. Weil die geplanten Umbaumaßnahmen dem Zweck der Milieuschutzverordnung zuwiderlaufen, erklärte das LG Berlin die Kündigung für unwirksam. Der Schutz der Bevölkerung vor Verdrängung in andere Stadtgebiete gehe vor.
In Berlin bewohnten zwei Mieter eine Wohnung, die in einem sogenannten Milieuschutzgebiet lag. Der Milieuschutz dient dem Erhalt der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung. Wenn bestimmte Stadtgebiete sich wandeln und die Zusammensetzung der Bevölkerung sich stark ändert, wirkt sich das meist auch auf die Preisgestaltung aus. Im Wege von Verordnungen oder Satzungen können dann gewisse Stadtgebiete für schutzwürdig erklärt werden. Danach erfordern bestimmte Änderungen der Wohnung einer Genehmigung, wie z.B. die Umwandlung von Wohnraum zu Gewerbe oder von Miet- zu Eigentumswohnungen. Diese Vorgaben dienen dem Schutz bestimmter Bevölkerungsschichten vor Verdrängung in andere Stadtgebiete.
Eigenbedarfskündigung der Vermieterin
Im April 2020 kündigte die Vermieterin den Mietern wegen Eigenbedarfs. Sie beabsichtigte die Wohnung der Mieter und die benachbarte Wohnung für die eigene Nutzung zusammenzulegen. Die Mieter weigerten sich, aus der Wohnung auszuziehen, sodass die Vermieterin Räumungsklage erhob. Das Amtsgericht Berlin-Mitte gab zunächst der Räumungsklage statt. Die dagegen eingelegte Berufung der Mieter war erfolgreich.
Räumungsklage erfolglos
Das Landgericht Berlin urteilte, dass die Mieter die Wohnung nicht räumen müssen, weil die Eigenbedarfskündigung unwirksam gewesen sei.[1] Insbesondere hätten die geplanten baulichen Änderungen im Einklang mit den öffentlich-rechtlichen Vorgaben stehen müssen. In dem Milieuschutzgebiet hätten der Rückbau, die Änderung und die Nutzungsänderung einer Genehmigung bedurft. Diese sei weder eingeholt noch erteilt worden.
LG Berlin: Kündigung unwirksam
Nach Auffassung des Gerichts hätte eine solche Genehmigung – selbst im Falle der Beantragung – auch nicht erteilt werden dürfen, denn die Zusammenlegung widerspräche den Vorgaben der Milieuschutzverordnung. Das Ziel der Erhaltungsverordnung sei es, die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erhalten. Das Nutzungsvorhaben laufe aber genau diesem Ziel zuwider.
Hintergrund
Um die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erhalten (Milieuschutz), haben die Städte und Kommunen eine Vielzahl an Instrumenten zur Hand. Neben der oben besprochenen Genehmigungspflicht bestimmter Umbaumaßnahmen ist z.B. in vielen Milieuschutzgebieten Eigentümern die Eigenbedarfskündigung zehn Jahre nach dem Immobilienkauf untersagt. Eine gängige Praxis zum Milieuschutz hat allerdings im vergangenen Jahr das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) faktisch gekippt.[2]
Um bei dem Verkauf von Wohnhäusern die Verdrängung von langjährigen Mietern zu verhindern, hielten die Berliner Bezirke ein Vorkaufsrecht inne. Nach diesem beachtenswerten Urteil des BVerwG ist das Vorkaufsrecht jedoch erheblich eingeschränkt. Danach dürfe das Vorkaufsrecht „von der Gemeinde nicht auf der Grundlage der Annahme ausgeübt werden, dass der Käufer in Zukunft erhaltungswidrige Nutzungsabsichten verfolgen werde“. Sprich: Die Erwartungshaltung, wie der Käufer mit der Liegenschaft in Zukunft umgehen werde, könne nicht Maßstab für das Vorkaufsrecht sein.
Entnommen aus RdW-Kurzreport, 21/2022, Rn. 352.
[1] LG Berlin, Urteil vom 26.04.2022 – 67 S 10/22.