Rechtliches

Voraussetzungen für Druckkündigung des Arbeitgebers

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Dieses Urteil zeigt, dass Drohungen aus der Belegschaft, Eigenkündigungen auszusprechen, wenn ein Kollege nicht entlassen würde, allein nicht ausreichen, um dieser Person eine Druckkündigung auszusprechen.[1]

Eine Frau war seit Mai 2002 in einer Kindertageseinrichtung als Heilpädagogin, ab 2007 als Erzieherin und seit Anfang 2017 als Leiterin der Einrichtung tätig. Im Jahr 2018 gab es in der Einrichtung Supervisionen, die die Teambildung fördern sollten. Im September 2021 beschwerten sich Belegschaftsmitglieder der Einrichtung beim Bürgermeister der Arbeitgeberin über den Führungsstil der Leiterin und ihren Umgang mit der Belegschaft.

Ihr wurde vorgeworfen, zu spät zur Arbeit zu kommen, sich nicht an Arbeitszeiten zu halten, keine Arbeitszeitnachweise zu führen und private Dinge bei der Arbeit zu erledigen. An die von ihr vorgegebene starre Urlaubsplanung halte sich die Leiterin selbst nicht. Sie behandle die Mitarbeiter ohne Respekt und von oben herab und verfüge über keinerlei Selbstreflexion. Im September und November 2021 kam es zu arbeitgeberseitigen Gesprächen mit der Leiterin und einem Mediationsverfahren, das aber nach einer halben Stunde abgebrochen wurde. Die Leiterin erkrankte und wurde unter Fortzahlung der Vergütung von der Arbeit freigestellt.

Vertrauensbefragung der Belegschaft

Die Arbeitgeberin verteilte einen Fragebogen an die Belegschaft der Kindertageseinrichtung, in der darum gebeten wurde, das Fehlverhalten der Leiterin zu benennen, sich zu erklären, ob eine Fortsetzung der Zusammenarbeit vorstellbar sei und was es für die berufliche Zukunft bedeuten würde, wenn die Leiterin die Möglichkeit bekommen würde, Mängel in der Einrichtungsleitung abzustellen. Nach Angaben der Arbeitgeberin hätte die Fragebogenaktion ergeben, dass nur eine Mitarbeiterin keine Schwierigkeiten mit der Leiterin hatte.

Acht Personen hätten bekundet, dass das Verhältnis zwischen Leiterin und ihnen gestört sei und sie sich eine Fortsetzung der Zusammenarbeit nicht vorstellen könnten. Weitere neun Personen hätten von einem extrem gestörten Verhältnis zur Leiterin berichtet und acht Mitarbeiterinnen hätten angegeben, eine Eigenkündigung einzureichen, wenn die Leiterin in der Einrichtung verbliebe. Die Arbeitgeberin kündigte auch unter Einbeziehung der Ergebnisse der Umfrage und des Abbruchs der Teilnahme der Leiterin an der Gruppensupervision sowie einer Beschwerde der Elternsprecherin über mangelnde Elternarbeit das Arbeitsverhältnis nach Einbeziehung des Personalrats fristlos und hilfsweise fristgemäß.

Voraussetzungen einer Druckkündigung seien nicht gegeben

Die Arbeitgeberin meinte, ihr drohten durch die avisierten Kündigungen erhebliche Schäden, da sie im Falle der Kündigung von mehr als acht Arbeitnehmern nicht mehr in der Lage sei, den gesetzlichen Anspruch der Bürger auf eine Kinderbetreuung ab dem vollendeten ersten Lebensjahr bis zum Schuleintritt zu gewährleisten. Ihr drohten Schadenersatzansprüche der Eltern, deren Kinder nicht mehr betreut werden könnten. Die Leiterin meinte hingegen, es bestünde kein Grund für eine Kündigung, insbesondere lägen die Voraussetzung einer sog. Druckkündigung nicht vor.

Die Corona-Pandemie hätte dazu geführt, dass sie ihr Arbeitszeitkonto nicht hätte ausgleichen können und der Bürgermeister angeordnet habe, ihr Arbeitszeitkonto auf 0 zu stellen. Zur Gruppenarbeit sei sie nicht verpflichtet gewesen und der Fragebogen habe allein die Zielrichtung gehabt, ihr Fehlverhalten zu suchen und sie zu entlassen. Die beim Arbeitsgericht erhobene Klage war erfolgreich. Nach Auffassung des Arbeitsgerichts sind beide Kündigungen unwirksam. Es habe kein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung und auch kein Grund für eine ordentliche Kündigung vorgelegen.

Insbesondere die Voraussetzungen einer sogenannten echten (außerordentlichen) Druckkündigung lägen hier nicht vor. Um eine solche Kündigung handele es sich nach der Rechtsprechung, wenn Dritte unter Androhung von Nachteilen für den Arbeitgeber von diesem die Entlassung eines bestimmten Arbeitnehmers verlangten. An die Zulässigkeit einer sogenannten „echten Druckkündigung“ seien strenge Anforderungen zu stellen.

Der Arbeitgeber habe sich in einem solchen Fall zunächst schützend vor den betroffenen Arbeitnehmer zu stellen. Nur wenn auf diese Weise die Drohung nicht abgewendet werden könne und bei Verwirklichung der Drohung schwere wirtschaftliche Schäden für den Arbeitgeber drohten, könne eine solche Kündigung sozial gerechtfertigt sein. Dabei sei jedoch Voraussetzung, dass die Kündigung das einzige praktische in Betracht kommende Mittel sei, um die Schäden abzuwenden. Zu berücksichtigen sei auch, inwieweit der Arbeitgeber die Drucksituation selbst in vorwerfbarer Weise herbeigeführt habe.

Erklärungsmaßnahmen der Beklagten zweifelhaft 

Im vorliegenden Fall habe die Beklagte keinen Versuch unternommen, sich nach den Kündigungsdrohungen schützend vor die Klägerin zu stellen. Das Gegenteil sei der Fall: die Beklagte habe eine Umfrage mit suggestiven Fragen bei sämtlichen Mitarbeitern durchgeführt. Die Fragerichtung sei nicht offen und allgemein auf die Situation der Einrichtung bezogen gewesen.

Es sei nicht auszuschließen, insbesondere da die Umfrage anonym erfolgte, dass die Befragten erst und nur durch den Fragebogen motiviert wurden, eigene Kündigungen für den Fall des Verbleibs der Klägerin anzukündigen. Denn die Klägerin habe explizit danach gefragt, was es für die berufliche Zukunft der Befragten bedeuten würde, wenn die Klägerin in der Einrichtung verbliebe.

Auch die durchgeführten Supervisionen, Gespräche, Mediationen usw. führten zu keiner anderen Bewertung. Diese Maßnahmen seien alle erfolgt, bevor es zu einer konkreten eigenen Kündigungsandrohung für den Fall des Verbleibs der Klägerin kam. Schließlich hätte die Beklagte als milderes Mittel eine Änderungskündigung aussprechen können mit dem Ziel, die Klägerin wieder als Erzieherin einzusetzen. Denn die Probleme seien scheinbar erst entstanden, nachdem die Klägerin die Leiterin der Kindertagesstätte geworden sei.

Praxistipp

Bei einer vergleichbaren Druckkündigung muss also erst der Versuch unternommen werden, sich nach Abgabe der Drohung schützend vor die betroffene Person zu stellen und zu versuchen, die Drucksituation zu entschärfen. Welches Mittel zu wählen ist, bestimmt sich nach dem jeweiligen Einzelfall.

 

Entnommen aus RdW-Kurzreport, 22/2022, Rn. 363

[1] AG Nordhausen, Urteil vom 13.07.2022 – 2 Ca 199/22.