Gefahrenabwehr Rechtliches

Medizinisches Zeugnis bei Zweifeln an Waffenbesitzeignung

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Angesichts der Nichtvorlage eines zu Recht geforderten ärztlichen Gutachtens bestätigte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdeverfahren eines Waffenbesitzers gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarten die Rechtmäßigkeit des Widerrufbescheids, da keine besonderen Umstände vorlägen, die eine abweichende Entscheidung zum nach § 45 Abs. 5 WaffG bestehenden grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses rechtfertigten.

Aufgrund verschiedener Vorfälle forderte das Landratsamt (LRA) einen Waffenbesitzer erstmals mit Schreiben vom 24.11.2022 auf, die daraus hervorgehenden Bedenken gegen seine persönliche Eignung nach § 6 Waffengesetz (WaffG) durch ein amts- oder fachärztliches oder fachpsychologisches Zeugnis auszuräumen. Daraufhin teilte der Waffenbesitzer mit, er habe keinen Schlaganfall, sondern eine transitorische Attacke mit sekundenlanger Bewusstseinsstörung erlitten und sei in psychologischer Betreuung.

Das LRA forderte ihn am 09.01.2023 erneut auf, ein entsprechendes ärztliches Gutachten beizubringen. Der Waffenbesitzer legte daraufhin ein psychiatrisches Gutachten zum Vollzug des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) und der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) eines Allgemeinarztes vom 07.06.2022 und ein ärztliches Attest eines Arztes für Neurologie und Psychiatrie vom 08.03.2023 vor.

Keine Vorlage des geforderten Gutachtens

Des Weiteren beauftragte er einen weiteren Arzt zur Erstellung eines Gutachtens mit der Frage „Liegen die im Umgang mit Waffen und Munition zu stellenden Eignungsvoraussetzungen vor?“. Nachdem der Waffenbesitzer dieses Gutachten nicht vorlegte, widerrief das LRA mit Bescheid vom 13.07.2023 gegenüber dem Waffenbesitzer die Waffenbesitzkarten und traf diesbezüglich verschiedene Nebenanordnungen.

Der Waffenbesitzer habe das zu Recht geforderte Gutachten nicht vorgelegt und sei daher nach § 4 Abs. 6 Satz 1 der Allgemeinen Waffengesetz-Verordnung (AWaffV) als nicht geeignet anzusehen. Über die gegen den Bescheid vom 13.07.2023 erhobene Klage gegen den Widerruf der Waffenbesitzkarten hat das Verwaltungsgericht Ansbach (VG) noch nicht entschieden. Den diesbezüglichen Eilantrag hatte das VG abgelehnt.

Beschwerde beim VGH erfolglos

Der Bescheid erweise sich voraussichtlich als rechtmäßig, da der Waffenbesitzer kein dem § 4 AWaffV entsprechendes Gutachten vorgelegt habe. Dagegen wendete sich die Beschwerde des Waffenbesitzers beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (VGH). Er machte geltend, das Gutachten hätte nicht angeordnet werden dürfen, da keine durch Tatsachen begründeten Bedenken gegen seine persönliche Eignung bestehen würden.

Aus den vorgelegten Gutachten und Attesten ergebe sich, dass er auch waffenrechtlich geeignet sei. Zudem sei er selbst Arzt und könne seine gesundheitliche Situation daher selbst einschätzen. Das LRA verteidigte den angefochtenen Beschluss und teilte im Beschwerdeverfahren mit, die Waffen seien mittlerweile sichergestellt worden.

Zusätzliche Aufbewahrungsverstöße

Dabei seien zahlreiche Aufbewahrungsverstöße zutage getreten und deshalb sei auch ein Widerrufsverfahren gegen den Waffenbesitzer wegen fehlender Zuverlässigkeit eingeleitet worden. Die zulässige Beschwerde blieb ohne Erfolg.

Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung des VGH gem. § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, rechtfertigten es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern. Nach der gebotenen summarischen Prüfung war vielmehr davon auszugehen, dass der Bescheid des LRA vom 13.07.2023 hinsichtlich des Widerrufs der Waffenbesitzkarten rechtmäßig ist, denn der Waffenbesitzer hat das zu Recht geforderte ärztliche Gutachten nicht vorgelegt.

Nach den Feststellungen des VGH sind das LRA und das VG davon ausgegangen, dass die bekannt gewordenen Umstände, nämlich Auffälligkeiten bei einer Waffenkontrolle im Jahr 2022, Auffälligkeiten bei einer Verkehrskontrolle sowie die eigenen Angaben des Waffenbesitzers zu seinem gesundheitlichen Zustand und die weiteren Feststellungen der Bediensteten des LRA in ihrer Gesamtschau Tatsachen sind, die die Annahme gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3WaffG rechtfertigen, dass er aufgrund in seiner Person liegender Umstände mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren kann oder dass die konkrete Gefahr einer Fremd- oder Selbstgefährdung besteht.

Kein Ermessen für Waffenbehörde

Das LRA musste dem Waffenbesitzer daher nach § 6 Abs. 2 WaffG die Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über seine geistige oder körperliche Eignung aufgeben. Ein Ermessen bestand diesbezüglich nicht.

Es kann also weder aufgrund der vorgelegten Atteste noch aufgrund des Umstandes, dass der Waffenbesitzer selbst Arzt ist, von der Anforderung eines entsprechenden ärztlichen Zeugnisses abgesehen werden. Das LRA hat den Waffenbesitzer auch gem. § 45 Abs. 4 WaffG i. V. m. § 4 Abs. 6 Satz 1 AWaffV auf die Rechtsfolgen hingewiesen.

Ungeachtet der gegenwärtig fehlenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids konnte die Beschwerde auch deshalb keinen Erfolg haben, weil bei der gebotenen Interessenabwägung die differenzierte gesetzgeberische Wertung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO einerseits und § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO andererseits zu berücksichtigen ist.

Vollzugsinteresse überwiegt Suspensivinteresse

Aus diesem Grund überwiegt hier das Vollzugsinteresse des LRA das Suspensivinteresse des Waffenbesitzers. Der Gesetzgeber hat mit § 45 Abs. 5 WaffG einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet, da er den Sofortvollzug ausweislich der Gesetzesmaterialien für dringend angezeigt hält.

Es bedarf deshalb besonderer Umstände, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Hiervon ausgehend hat der Waffenbesitzer keine Gründe vorgetragen, die über die im Regelfall mit der Anordnung sofortiger Vollziehung verbundenen Umstände hinausreichen.

Zudem wurde mittlerweile zusätzlich auch noch ein Widerrufsverfahren wegen fehlender Zuverlässigkeit gem. § 5 WaffG gegen ihn eingeleitet, da nach im Beschwerdeverfahren unwidersprochenen Feststellungen des LRA bei der Sicherstellung der Waffen erhebliche Aufbewahrungsverstöße festgestellt wurden.

Dieses öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug aus Gründen der Gefahrenabwehr besteht auch, wie regelmäßig, für die nicht vom gesetzlich angeordneten sofortigen Vollzug erfassten, mit der Widerrufsentscheidung verbundenen notwendigen waffen- und vollstreckungsrechtlichen Nebenentscheidungen.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschl. v. 11.10.2023 – 24 CS 23.1565

Entnommen aus der Fundstelle Baden-Württemberg 8/2024, Rn. 97.