Gefahrenabwehr Rechtliches

Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit bei Mitgliedschaft in „Die Heimat“

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Angesichts der Mitgliedschaft eines Waffenbesitzers in der Partei „Die Heimat“ bestätigte der Verwaltungsgerichtshof München die Rechtmäßigkeit des Widerrufs seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse durch das zuständige Landratsamt.

Sachverhalt

Am 07.12.2016 erteilte die zu dieser Zeit zuständige Stadt Weiden in der Oberpfalz (im Folgenden: Stadt) dem Antragsteller einen Kleinen Waffenschein. Der Antragsteller hatte bei einer polizeilichen Befragung im Jahr 2010 angegeben, zwar nicht Mitglied der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), aber deren Unterstützer zu sein.

Anfang des Jahres 2018 erkundigte sich der Antragsteller bei der Stadt hinsichtlich eines Jagdscheins und einer Waffenbesitzkarte. Mit Schreiben vom 23.04.2018 teilte das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz (im Folgenden: BayLfV) der Stadt mit, der Antragsteller sei seit 2007 bekannt und der NPD zuzurechnen. Er sei zusammen mit Patrick Schröder an der Gestaltung des rechtsextremen Internetsenders FSN-TV und der Nachfolge-Videos auf einem YouTube-Kanal beteiligt und fungiere als Ordner bei rechtsextremistischen Veranstaltungen.

Am 29.07.2017 sei er stellvertretender Versammlungsleiter einer rechtsgerichteten politischen Kundgebung gewesen. Aus einer polizeilichen Mitteilung vom 03.04.2018 ergibt sich, dass der Antragsteller für ein Rechtsrock-Konzert Ende Oktober 2017 Toilettenhäuschen angemietet hatte. Am 21.06.2018 erteilte ihm die Stadt einen Jagdschein und am 22.06.2018 eine Waffenbesitzkarte.

Mit Schreiben vom 25.06.2020 teilte das BayLfV der Waffenbehörde u. a. mit, der Antragsteller habe im Mai 2019 an einer von der NPD organisierten Veranstaltung und im Jahr 2018 am Europakongress der Jungen Nationalisten (JN), der Jugendorganisation der NPD, in Riesa/Sachsen teilgenommen und sei für das rechtsextremistische Medienprojekt FSN-TV („Frei-Sozial-National“) aktiv.

Antragsteller bekannter Rechtsextremist

Am 25.01.2021 verlängerte das nunmehr zuständige Landratsamt Neustadt a. d. Waldnaab (im Folgenden: Landratsamt) den Jagdschein des Antragstellers auf dessen Antrag hin bis 13.03.2024. Mit Schreiben vom 08.07.2022 teilte das BayLfV dem Landratsamt mit, der Antragsteller sei seit Jahren als Rechtsextremist bekannt und habe nach eigener Aussage am 14./15.05.2022 als gewählter Delegierter am Bundesparteitag der NPD in Altenstadt/Hessen teilgenommen.

Der Antragsteller sei nach eigener Aussage aus dem Jahr 2017 bereits seit 2007 Mitglied der NPD. Informationen zu seinen rechtsextremistischen Aktivitäten seien umfassend im Internet sowie in der nationalen und internationalen Presse aufzufinden.

Daraufhin widerrief das Landratsamt mit Bescheid vom 24.01.2023 unter Androhung von Zwangsmitteln den Kleinen Waffenschein und die Waffenbesitzkarte, erklärte den Jagdschein für ungültig und zog ihn ein, traf verschiedene Nebenanordnungen und ordnete den Sofortvollzug hinsichtlich der Nrn. 3 und 4 des Bescheids an.

Zur Begründung führt das Landratsamt aus, dem Antragsteller fehle gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG die erforderliche Zuverlässigkeit, da er Mitglied der NPD sei. Zudem sei auch noch § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c WaffG erfüllt, da der Antragsteller die NPD unterstütze und § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa WaffG, da er selbst gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtete Bestrebungen verfolge.

Über die gegen den Bescheid vom 24.01.2023 erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Regensburg noch nicht entschieden. Den Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 20.03.2023 abgelehnt. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde. Die Landesanwaltschaft Bayern tritt der Beschwerde entgegen.

Normen und Leitsatz

WaffG – §§ 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. a, b und c, 45 Abs. 1, Abs. 2

BJagdG – § 17 Abs. 1 Satz 2, § 18

1. Nachträgliche Tatsachen i. S. d. § 45 Abs. 2 WaffG liegen vor, wenn die Unterstützung für die Partei „Die Heimat“ (früher: NPD) intensiviert wird, auch wenn die Parteimitgliedschaft schon früher bestand.

2. Gegen § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG n. F. bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, auch soweit er auf eine Partei angewendet wird. Das Parteienprivileg schützt nicht das Besitzen von Waffen. Es ist nunmehr ausreichend für die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, wenn der Betreffende Mitglied einer Vereinigung ist, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt.

Verwaltungsgerichtshof München, Beschl. v. 20.09.2023 – 24 Cs 23.650

Aus den Gründen

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern. Nach der gebotenen summarischen Prüfung ist davon auszugehen, dass der Bescheid des Antragsgegners vom 24.01.2023 rechtmäßig ist, da der Antragsteller zum einen Mitglied der Partei „Die Heimat“ (früher: Nationaldemokratische Partei Deutschlands – NPD), die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt, ist und er diese Partei zum anderen auch unterstützt.

Die Interessenabwägung ergibt deshalb unter Berücksichtigung des gesetzlichen Sofortvollzugs, dass das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das private Interesse des Antragstellers überwiegt. Der Widerruf des Kleinen Waffenscheins ist bei summarischer Prüfung rechtmäßig, da nachträglich Tatsachen i. S. d. § 45 Abs. 2 Satz 1 des Waffengesetzes eingetreten sind, die zur Versagung hätten führen müssen.

Nachträgliche Tatsachen

In der Rechtsprechung ist diesbezüglich geklärt, dass Tatsachen i. S. d. § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG dann nachträglich eintreten, wenn sich nach Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis die tatsächlichen Umstände ändern. Die nachträglich geänderte Sachlage ist dann an der zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids gültigen Rechtslage zu messen. Gemessen daran liegen hier nachträgliche Tatsachen i. S. d. § 45 Abs. 2 WaffG vor, da der Antragsteller nach Erteilung des Kleinen Waffenscheins seine Unterstützung für die Partei „Die Heimat“ erheblich intensiviert hat.

Eine möglicherweise im Erteilungszeitpunkt schon bestehende Mitgliedschaft des Antragstellers in der Partei „Die Heimat“ führt nicht dazu, alle im Laufe der Zeit vorgenommenen Handlungen als Parteimitglied von vorherein als in der Mitgliedschaft bereits angelegte Tatsachen betrachten zu müssen und sie damit nicht mehr als nachträgliche Tatsachen i. S. v. § 45 Abs. 2 WaffG ansehen zu können.

Deshalb stellen die Unterstützungshandlungen des Antragstellers, die er nach Erteilung des Kleinen Waffenscheins vorgenommen hat, jeweils nachträgliche Tatsachen dar, die eine beachtliche Sachverhaltsänderung begründen, unabhängig davon, wann der Antragsteller tatsächlich der Partei „Die Heimat“ beigetreten ist.

Waffenbesitz nicht durch Parteienprivileg geschützt

Die geänderte Sachlage führt zur Unzuverlässigkeit des Antragstellers gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG (2020), da er Mitglied der Partei „Die Heimat“ ist. Bei dieser Partei handelt es sich um eine Vereinigung, die Bestrebungen verfolgt, die gegen die verfassungsmäßige Ordnung gerichtet sind. Dass die Partei durch das Bundesverfassungsgericht nicht verboten wurde, hindert nicht daran, die dortigen Feststellungen zu berücksichtigen; § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. b WaffG (2020) ist insoweit keine Vorschrift, die die Anwendung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG (2020) auf Parteien ausschließt.

Der Begriff einer Vereinigung i. S. d § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG (2020) bildet insoweit den Oberbegriff für Vereine und Parteien i. S. v. § 5 Abs. 2 Nr. 2 Buchst. a und b WaffG 2020. Gegen § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG (2020) bestehen bei summarischer Prüfung auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken und er muss nicht einschränkend ausgelegt werden, soweit er im konkreten Fall auf eine Partei als Vereinigung angewendet wird. Das Parteienprivileg schützt die politische Betätigung und nicht das Besitzen von Waffen.

Verfolgung verfassungsfeindlicher Bestrebungen

Es trifft zwar zu, dass nach dem im Jahr 2020 neu eingefügten § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b WaffG nunmehr ausreichend ist, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Betreffende Mitglied einer Vereinigung ist, die verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt, um eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit zu begründen und es demgegenüber bis zur Rechtsänderung darauf ankam, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass eigene Bestrebungen und Unterstützungshandlungen des Betreffenden i. S. d. § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG (2017) vorlagen.

Der Gesetzgeber hat diesbezüglich aber einen weiten Gestaltungsspielraum und es ist nicht zu beanstanden, dass er bei Personen, die einem verfassungsfeindlichen Spektrum zuzuordnen sind, in der Regel die waffenrechtliche Zuverlässigkeit nicht gegeben sieht. Denn der Umgang mit erlaubnispflichtigen Waffen erfordert eine stete Rechtstreue und Besonnenheit, woran bei einem solchen Personenkreis berechtigte Zweifel bestehen.

Darüber hinaus ist es bei einem Regeltatbestand auch möglich, die gesetzliche Vermutung durch die Darlegung von eine Ausnahme rechtfertigenden Umständen zu widerlegen. Darüber hinaus ist der Antragsteller auch gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. c WaffG (2020) unzuverlässig, da er die Partei „Die Heimat“ unterstützt (wird ausgeführt).

(…)

Den vollständigen Beitrag lesen Sie im Neuen Polizeiarchiv 4/2024, Lz. 893.