Abmahnung – BAG modifiziert frühere Rechtsprechung
Das BAG hat in einem Urteil die frühere Rechtsprechung zum Thema Anspruch auf Entfernung aus der Personalakte modifiziert (BAG vom 19.07.2012 – 2 AZR 782/11).
Das BAG bestätigt zunächst seine Rechtsprechung, nach der der Arbeitnehmer Anspruch auf Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung haben kann. Dieser Anspruch besteht, wenn die Abmahnung
- inhaltlich unbestimmt ist oder
- unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält oder
- auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht oder
- der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt wird.
Es existiert keine feste Frist, nach deren Ablauf ein Arbeitnehmer die Entfernung einer berechtigten Abmahnung aus seiner Personalakte beanspruchen kann. Vielmehr kommt es stets auf den Einzelfall an. Daran hält das BAG auch in einem jetzt veröffentlichten Urteil weiterhin fest. Damit erteilt es zugleich der in der Praxis vielfach üblichen Vorstellung, eine Abmahnung müsse – wenn das gerügte Verhalten sich nicht wiederholt habe – nach zwei Jahren entfernt werden.
Bei einer zu Recht erteilten Abmahnung besteht der Abmahnungsanspruch dagegen nur dann, wenn kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte besteht.
Abmahnung wegen Verlusts des Kassenbuchs
2007 war der Klägerin das Kassenbuch abhanden gekommen. Dies war aufgefallen, als sie anlässlich ihres Jahresurlaubs ihrer Urlaubsvertreterin ein von ihr selbst ausgestelltes Kassenbuch übergab, in dem sich nur ein oder zwei Eintragungen befanden. Fast ein Jahr später erteilte der beklagte Arbeitgeber der Klägerin deswegen eine Abmahnung. Die Klägerin verlangt deren Rücknahme und ihre Entfernung aus der Personalakte.
Entfernung kann erst verlangt werden, wenn das abgemahnte Verhalten völlig bedeutungslos geworden ist
Das Arbeitsgericht und das LAG haben der Klage stattgegeben. Auf die Revision des Beklagten hat das BAG das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Ein Arbeitnehmer könne nur in Ausnahmefällen die Entfernung auch solcher Aktenvorgänge verlangen, die auf einer richtigen Sachverhaltsdarstellung beruhen. Ein solcher Fall liege (nur) vor, wenn eine Interessenabwägung im Einzelfall ergebe, dass die weitere Aufbewahrung zu unzumutbaren beruflichen Nachteilen für den Arbeitnehmer führen könnte, obwohl der beurkundete Vorgang für das Arbeitsverhältnis rechtlich bedeutungslos geworden ist.
Der Anspruch auf Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung setze nicht nur voraus, dass die Abmahnung ihre Warnfunktion verloren hat. Der Arbeitgeber dürfe auch kein berechtigtes Interesse mehr an der Dokumentation der gerügten Pflichtverletzung haben. Der Arbeitnehmer könne die Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung aus seiner Personalakte nur dann verlangen, wenn sie für die Durchführung des Arbeitsverhältnisses unter keinem rechtlichen Aspekt mehr eine Rolle spielen kann. |
Das durch die Abmahnung gerügte Verhalten müsse für das Arbeitsverhältnis in jeder Hinsicht rechtlich bedeutungslos geworden sein. Das sei nicht der Fall, solange eine zu Recht erteilte Abmahnung etwa für eine zukünftige Entscheidung über eine Versetzung oder Beförderung und die entsprechende Eignung des Arbeitnehmers, für die spätere Beurteilung von Führung und Leistung in einem Zeugnis oder für die im Zusammenhang mit einer möglichen späteren Kündigung erforderlich werdenden Interessenabwägung von Bedeutung sein kann.
Darüber hinaus könne es im berechtigten Interesse des Arbeitgebers liegen, die Erteilung einer Rüge i.S. einer Klarstellung der arbeitsvertraglichen Pflichten weiterhin dokumentieren zu können. Demgegenüber verlangten die schutzwürdigen Interessen des Arbeitnehmers nicht, einen Anspruch auf Entfernung einer zu Recht erteilten Abmahnung schon dann zu bejahen, wenn diese zwar ihre Warnfunktion verloren hat, ein Dokumentationsinteresse des Arbeitgebers aber fortbesteht.