„Nach dem Bombenanschlag von Boston streitet die Koalition über schärfere Sicherheitsmaßnahmen in Deutschland. Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) forderte eine Ausweitung der Video-Überwachung von öffentlichen Plätzen. „Die Ereignisse in Boston zeigen erneut, wie wichtig die Überwachung des öffentlichen Raums durch Videokameras für die Aufklärung schwerster Straftaten ist“, sagte Friedrich der „Bild am Sonntag“. „Deshalb arbeiten wir zum Beispiel mit der Bahn daran, die Videoüberwachung an den Bahnhöfen zu stärken.“ Auch BKA-Chef Jörg Ziercke betonte die Bedeutung der Videoüberwachung zur Abschreckung und Aufklärung von Anschlägen.“
Die Überwachungs-Branche erlebt in den letzten Jahren einen Boom und rechnet nach Aussage des Handelsblatts (02.05.12) bis 2016 mit einem Umsatz von 25 Milliarden Dollar – verglichen mit den derzeit erreichten Umsätzen von 16 Milliarden Dollar ist das fast eine Verdoppelung.
Was ist bei der Videoüberwachung erlaubt und was nicht?
Es besteht insbesondere bei den Kunden und den Errichtern immer mehr Unsicherheit, was man darf und was nicht. Daher sollen im Folgenden in Kurzform ein paar wichtige Aspekte aufgegriffen werden.
Zulässigkeit von Videoüberwachungsanlagen (VÜA)
Grundsätzlich ist der Betrieb einer VÜA möglich und zulässig. Man muss allerdings darauf achten, dass sie das sinnvollste Mittel zur Zweckerreichung darstellt, d.h., wenn ein Eingriff in die Privatsphäre anderer wahrscheinlich ist, darf es keine Alternativen geben, die ähnlich geeignet wären und es muss das „mildeste“ Mittel sein – „Nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen“ – Beispiel: Raucherüberwachung / Arbeitstempo / Toiletten-Verhalte.
Anwendbare gesetzliche Regelungen
Es gibt keine eigene gesetzliche Regelung zur Videoüberwachung. Folgende Rechte und Gesetze können von der Videoüberwachung aber verletzt werden:
- das Persönlichkeitsrecht aus dem Grundgesetz nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1
- Kunden in Geschäften und Arbeitnehmer können sich beide auf ihre Grundrechte berufen: Das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sind hier zu nennen. Beide finden ihre Grundlage in Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG (Grundgesetz).
- Arbeitgeber werden sich hingegen auf Berufsfreiheit und Eigentumsrechte aus Art. 12 und 14 GG berufen.
- das Bundesdatenschutzgesetz (§ 6b und NEU § 32 BDSG)
- das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB)
- die Arbeitsgesetze
- die EU-Datenschutzrichtlinie
- die EU-Grundrechte.
Entscheidung über die Videoüberwachung
Die aktuellen Pläne der Bundesregierung, eine offene Videoüberwachung am Arbeitsplatz weitgehend zuzulassen, sind wegen erheblicher Proteste vorerst vom Tisch. Ebenfalls sind die Pläne, das umfassende Verbot der verdeckten Videoüberwachung durchzubringen, damit hinfällig geworden.
Folgende Ausführungen sollen helfen, die Entscheidung über die Videoüberwachung, auch von Angestellten und Mitarbeitern, zu treffen und stützen sich dabei auf die höchstrichterliche Rechtsprechung sowie den neuen Gesetzesentwurf zum Datenschutz (§32 BDSG):
Private VÜ
- Das eigene Gelände, Haus und die Wohnung dürfen von offensichtlich angebrachten Kameras überwacht werden, wenn dies dem Hausrecht und Schutz des Eigentums dient.
- Der Vermieter und der Mieter müssen sich über die Videoüberwachung abstimmen.
- Es muss sichergestellt sein, dass nicht gleichzeitig eine Überwachung der Nachbarn oder der öffentlichen Straßen/Gehwege stattfindet.
- Die Datenschutzvorgaben sind strikt einzuhalten.
Öffentliche VÜ
- Zur Videoüberwachung von öffentlich zugänglichem Gelände (Anwendungsbereich des §6b BDSG) bedarf es besonderer Vorkommnisse, wie Sachbeschädigungen, Einbrüche oder Einbruchsversuche, Wahrung des Hausrechts.
- Die Hinweispflicht auf die VÜA muss beachtet werden.
- Sind Arbeitnehmer betroffen, ist an § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) zu denken, wonach der Betriebsrat im Falle der „Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen”, ein Mitbestimmungsrecht hat.
- Der neue Gesetzesentwurf zum Datenschutz gestattet die offensichtliche Videoüberwachung des Betriebsgeländes zur Wahrnehmung wichtiger betrieblicher Interessen.
- Voraussetzung für die legale, verdeckte Videoüberwachung von Mitarbeitern und Angestellten sind im Moment nur verhältnismäßige Umstände, welche schlüssig begründbar sind.
- Insbesondere Fälle von Diebstahl oder Kassendifferenzen rechtfertigen den Einsatz von Kameras am Arbeitsplatz.
- Empfehlung: Einsatz von verdeckter Videoüberwachung nur bei beweisbaren Tatsachen wie Inventur- und Kassendifferenzen oder Sachbeschädigungen.
Arbeitgeber sollten auch folgende Grundsätze beachten:
- Erforderlichkeit der Datenerhebung zur Aufdeckung
- Verhältnismäßigkeit von Art und Ausmaß der Überwachung
- Notwendigkeit einer Vorabkontrolle
- Dokumentation der Anhaltspunkte für den Tatverdacht
Kamera-Attrappen
Für den Datenschutz macht es grds. keinen Unterschied, ob die VÜA echt oder nur vorgetäuscht ist. Da aber mit einer Attrappe keine Beobachtung mit optisch-elektronischen Einrichtungen durchgeführt werden kann, ist § 6b BDSG nicht unmittelbar anwendbar. Dennoch können sich Passanten durch die vermeintliche Beobachtung zu Verhaltensänderungen veranlasst sehen und in ihrem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt sein. Unter diesem Gesichtspunkt sind Attrappen durchaus kritisch zu beurteilen. In diesem Fall sind u.U. zivilrechtliche Schritte nach §§ 823, 1004 BGB möglich. Es ist auch hier ratsam, die strengen Vorgaben, die für jede reguläre VÜA gelten, einzuhalten.
Web-Cams
Solange diese Bilder so unscharf sind, dass weder die Identifizierung dargestellter Personen noch personenbezogene Daten, z.B. Kfz-Kennzeichen, erkennbar sind, sind diese Web-Cams datenschutzrechtlich unbedenklich. Sind dagegen Personen erkennbar oder können diese durch Aufnahmesteuerung oder Bildbearbeitung erkennbar gemacht werden, dürfen die Bilder nur mit der wirksamen Einwilligung aller abgebildeten Personen oder – sofern es diesen an der erforderlichen Einwilligungsfähigkeit fehlt, z.B. bei Minderjährigen, – ihrer Erziehungsberechtigten im Internet veröffentlicht werden.
Praxishinweise
Den Errichter trifft als Fachfirma immer als Nebenpflicht – zu seiner Installation und Wartung – eine Hinweis- und Aufklärungspflicht zur aktuellen Rechtslage. Wenn der Betreiber diese dann rechtswidrig verwendet, kann dies nicht zum Nachteil des Errichters sein.
Quellen:
Milliardengeschäft mit Kameras, Handelsblatt vom 02.05.2013