Rechtliches

Die Netzpolitik.org-Affäre und der Eingriff des Justizministers

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Generalbundesanwalt Harald Range hatte Ermittlungen wegen des Verdachts des Landesverrats gegen Journalisten des Blogs Netzpolitik.org aufgenommen. Die Presse kritisierte das Vorgehen größtenteils scharf und sah einen Einschnitt in die Pressefreiheit. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und Innenminister Thomas de Maizière distanzierten sich von Range. Bundesjustizminister Heiko Maas machte schließlich von seinem Weisungsrecht Gebrauch und stoppte ein beauftragtes Gutachten des Generalbundesanwaltes. Darin sah Range eine politische Beeinflussung und übte scharfe Kritik. Daraufhin entließ Maas Range in den vorzeitigen Ruhestand. Die Diskussion um Pressefreiheit geriet dabei in den Hintergrund.

Der Vorwurf des Landesverrates

Der Blog „Netzpolitik.org“ veröffentlichte im Februar und im April 2015 zwei Artikel, in denen Auszüge aus Dokumenten des Verfassungsschutzes zitiert wurden. Nach deren Kenntnis erstattete der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, Anzeige gegen unbekannt beim LKA-Berlin wegen des Verdacht des Landesverrates nach § 94 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Nach ihrem Bekanntwerden sorgten die Anzeige und die aufgenommenen Ermittlungen gegen die Betreiber von Netzpolitik.org für einen regelrechten Aufschrei in der deutschen Presselandschaft und verursachten innerpolitische Unruhen. Insbesondere Angehörige der Parteien Die Linke und Bündnis 90 Die Grünen empörten sich öffentlich und forderten den Rücktritt des Verfassungsschutzpräsidenten Maaßen.

Anfangsverdacht und Gutachten

Nach der Strafanzeige durch Verfassungsschutzpräsident Maaßen wurde zunächst ein Prüfvorgang angelegt. Mit diesem sollte die Zuständigkeit der Bundesanwaltschaft geklärt werden, die nur dann gegeben ist, wenn es sich um Geheimnisverrat und damit um die Offenlegung eines Staatsgeheimnisses handelt. Das interne Behördengutachten des BfV stützte das Vorliegen eines Staatsgeheimnisses bei den von Netzpolitik.org dargestellten Dokumenten. Die Bundesanwaltschaft kam dann zu dem Schluss, dass der Anfangsverdacht über zureichende tatsächliche Anhaltspunkte verfüge und leitete ein Ermittlungsverfahren ein. Generalbundesanwalt Range sah aufgrund des hohen Stellenwertes der Presse- und Meinungsfreiheit die Einholung eines externen Gutachtens für notwendig an.  Gegenstand war weiterhin die Frage, ob es sich im vorliegenden Fall tatsächlich um die Preisgabe eines Staatsgeheimnisses durch Journalisten handelte. Dieses externe Gutachten wurde am 19. Juni in Auftrag gegeben und am 3. August durch Bundesjustizminister Heiko Maas gestoppt. Dieses soll von einem internen Gutachten des Justizministeriums ersetzt werden. Maas machte damit von seinem politischen Weisungsrecht gem. § 147  GVG gegenüber der Bundesstaatsanwaltschaft Gebrauch und griff damit in die laufenden Ermittlungen ein.

Brisanz und Dynamik

Während sich Medien und Politiker nun ob der Ungeheuerlichkeit des Vorwurfes erzürnten und immer wieder Parallelen zur Spiegel-Affäre 1962 gezogen hatten, spitzte sich nun auch Verhältnis zwischen dem Bundesjustizminister und dem Generalbundesanwalt zu. Am 4. August 2015 teilte Range via Pressestatement mit, er sei von Maas dazu aufgefordert worden, das Gutachten zurückzuziehen, obwohl sein Gutachter zu der vorläufigen Annahme gekommen sei, dass es sich im vorliegenden Fall um Staatsgeheimnisse gehandelt habe. In seiner Stellungnahme äußerte Range zudem sehr deutliche Kritik an der „unerträglichen“ Einmischung, die er als eindeutig politisch motiviert betrachtet. Daraufhin entließ Maas den Generalbundesanwalt in den vorzeitigen Ruhestand.

Klare Worte und eine Strafanzeige

Indes stützen populäre Vertreter die Auffassung Ranges. Dieser habe völlig korrekt gehandelt, das Verfahren eingeleitet und aufgrund des diffizilen Sachverhaltes ein externes Gutachten in Auftrag gegeben. Dabei fand der Deutsche Richter Bund (DRB) besonders deutliche Worte zur Intervention des Bundesinnenministers. Der Vorsitzende des DRB Christoph Frank erklärt die Einflussnahme aus politischen Interessen als nicht hinnehmbar. Ähnlich äußerte sich der Bund Deutscher Kriminalbeamten (BDK). Deren Vorsitzender André Schulz stellte zudem die Anzeige durch den Verfassungsschutzpräsidenten Hans-Georg Maaßen als absolut korrekt heraus und kritisierte die Haltung des Bundesinnenministers de Maizière und des Bundesjustizministers Maas, die beide von Anfang an Kenntnis über den Vorgang hatten und sich nun aufgrund des öffentlichen Drucks distanzierten. Auch der Berliner Justizsenator Thomas Heilmann sieht Maas Handeln kritisch. Die Politik dürfe, abseits der Befugnisse des § 147 GVG, nicht in politische Verfahren eingreifen. Daher prüft die Berliner Staatsanwaltschaft den Anfangsverdacht einer Strafvereitelung im Amt.

Fazit

Rechtliche Schritte gegen die Presse als sog. vierte Macht sind stets sensibel. Doch das sind als geheim eingestufte Dokumente des Verfassungsschutzes auch. In diesem Fall hat ein rechtlich korrektes Verfahren zu einer Einflussnahme durch Politiker, in erster Linie den Bundesjustizminister, geführt. Im Endeffekt ging es dabei nicht mehr um Verletzungen der Pressefreiheit einerseits oder Geheimnis- und damit Landesverrat andererseits. Die Intervention durch Heiko Maas hat den Eindruck hinterlassen, dass viel Wirbel der Presse politische Intervention bedürfe, die im Zweifel auch Recht und Gesetz durch politische Macht zu Kann-Bestimmungen degradieren. Die Aufarbeitung der Netzpolitik.org-Affäre sollte daher nicht mit der Entlassung des Generalbundesanwaltes erledigt sein. Auch die Tragweite eines § 147 GVG als politisches Instrument müsse diskutiert und hinterfragt werden.

Quellen:

Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK): Bauernopfer Harald Range – Bundesjustizminister Maas versagt auf ganzer Linie, Presseerklärung vom 05. August 2015, online verfügbar, unter: https://www.bdk.de/der-bdk/aktuelles/pressemitteilungen/bauernopfer-harald-range-bundesjustizminister-maas-versagt-auf-ganzer-linie (letzter Zugriff am 09.08.2015).

Erklärung des Generalbundesanwalts zu den Ermittlungen wegen der möglicherweise strafbaren öffentlichen Bekanntgabe eines Staatsgeheimnisses vom 4. August 2015, online verfügbar unter: http://www.generalbundesanwalt.de/de/showpress.php?newsid=560 (letzter Zugriff am 09.08.2015). 

Müller-Neuhof, J.: Ein Justizminister, der die Justiz verrät, in: tagesspiegel.de vom 08. August 2015, online verfügbar, unter: http://m.tagesspiegel.de/politik/affaere-um-staatsgeheimnisse-ein-justizminister-der-die-justiz-verraet/12163668.html (letzter Zugriff am 09.08.2015)