Der Inhaber eines Küchenstudios war Halter verschiedener Lkws. Einer dieser Lkws wurde im Rahmen einer Verkehrskontrolle beanstandet, weil das Fahrzeug in der – nur für Fahrzeuge mit grüner Plakette zugelassenen – Umweltzone Stuttgart fuhr, obwohl es nur über eine rote Plakette verfügte. Eine Ausnahmegenehmigung lag für diesen Lkw nicht vor; durch Nachrüstung eines Partikelfilters hätte der Inhaber des Küchenstudios aber die Voraussetzungen für die Erteilung einer grünen Plakette schaffen können.
Gegen den Fahrer des Lkws wurde keine Geldbuße festgesetzt; gegen den Inhaber des Küchenstudios und Halter des Lkws wurde mit Bescheid der Landeshauptstadt Stuttgart der Verfall eines Geldbetrags von 3 700 € angeordnet. Bei der Bemessung des Betrags orientierte sich die Bußgeldbehörde an dem günstigsten von zwei im Internet eingeholten Angeboten einer Firma für die Nachrüstung eines Partikelfilters.
Gegen diesen Verfalls-Bescheid klagte der Inhaber des Küchenstudios und hatte damit beim Oberlandesgericht Stuttgart1 weitgehend Erfolg.
Anordnung des Verfalls
Hat der Täter für eine mit Geldbuße bedrohte Handlung etwas erlangt und wird gegen ihn wegen dieser Handlung keine Geldbuße verhängt, so kann gegen ihn der Verfall eines Geldbetrags bis zu der Höhe angeordnet werden, die dem Wert des Erlangten entspricht (vgl. § 29 a OWiG).
Vorteile aus der mit Geldbuße bedrohten Handlung sind Vermögenswerte, die dem Täter unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands zufließen.
Im vorliegenden Fall hatte der Inhaber des Küchenstudios jedoch keinen unmittelbaren Vermögensvorteil durch die Einfahrt in die Umweltzone ohne grüne Plakette erlangt. Er hatte durch die Verkehrsordnungswidrigkeit keine Aufwendungen für die Umrüstung seines Lkws erspart. Damit waren diese Kosten nicht als „erlangt“ aus der Ordnungswidrigkeit anzusehen.
Jedoch hielt es das Oberlandesgericht nicht für ausgeschlossen, dass im vorliegenden Fall noch Feststellungen getroffen werden könnten, auf die sich eine Verfallsanordnung stützen ließe. Auszugehen sei davon, dass die zugrundeliegende Ordnungswidrigkeiten-Vorschrift das Fahren eines Lkws mit roter Feinstaubplakette nicht überall, sondern nur innerhalb der Umweltzonen verbiete. Da der Halter des Lkws diesen also außerhalb der Umweltzonen fahren darf, kann der erlangte Vermögensvorteil nicht schematisch mit den ersparten Aufwendungen für den Einbau eines Partikelfilters gleichgesetzt werden. Der Halter des Lkw hat hier somit nur denjenigen Vorteil erlangt, dass sein Fahrzeug innerhalb einer Umweltzone eingesetzt wurde, die es an sich nicht befahren durfte.
Schätzung des Nutzungsvorteils
Das Oberlandesgericht verwies abschließend darauf, dass es möglich sei, diesen Nutzungsvorteil des unerlaubten Befahrens der Umweltzone gegebenenfalls durch Schätzung zu beziffern, zumal für die Anmietung vergleichbarer Lkws mit grüner Plakette ein Marktpreis zu ermitteln sei. Grundsätzlich komme zwar auch eine Abschöpfung des durch die Fahrt in die Umweltzone erwirtschaftenden Erlöses des Unternehmers in Betracht. Dies dürfte jedoch voraussetzen, dass ein Unternehmer in der Umweltzone ausschließlich oder weit überwiegend Beförderungs- oder Transportleistungen erbringe, wie dies etwa bei Taxidienstleistungen oder Paketauslieferung der Fall wäre.
Dass vorliegend eine solche Konstellation gegeben war, war aufgrund der tatsächlichen Feststellungen auszuschließen.
Anmerkung:
Das Amtsgericht, an das der Rechtsstreit nunmehr zurückverwiesen wurde, muss nun gegebenenfalls im Wege der Schätzung festlegen, wie hoch der ersparte Geldbetrag des Betreibers des Küchenstudios war. Die Schätzung dürfte sich auf die Erhebung von Tagesmietpreisen eines Lkws mit grüner Umweltplakette stützen.
1 Beschluss des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. März 2017 – 4 Rb 24 Ss 163/17, besprochen in RdW 2017 Rn. 250.