Interne Ermittlungen in Unternehmen, Haftung im Unternehmen und Scheinselbstständigkeitsfragen bildeten drei Schwerpunkte des Syndikusanwaltstages 2018, der wichtigsten Veranstaltung für Unternehmensjuristen.
Wozu interne Ermittlungen?
Besteht der Verdacht strafrechtlich relevanter Vorgänge in einem Unternehmen, darf die Unternehmensleitung nicht untätig bleiben. So ist einem Verdacht nachzugehen und der Sachverhalt ist zu ermitteln, um Verstöße zu ahnden, wirksame Abhilfemaßnahmen ergreifen zu können und drohende Sanktionen zu vermeiden.
Der Ermittlungsaufwand richtet sich nach Intensität und Verdachtsgrad des Ermittlungsanlasses, wobei die Unternehmensleitung grundsätzlich ein weites Ermessen hat. Ob intern aufgeklärt wird, externe Berater zugezogen oder die Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet werden, muss nach den Umständen des Einzelfalles beurteilt werden.
Haftung für unternehmerische Tätigkeit?
In Zeiten einer zunehmenden Verankerung von Compliance kann es auch passieren, dass ganze Geschäftsmodelle auf den Prüfstand zu stellen sind. So sind Gestaltungen denkbar, wonach ein Geschäftsmodell eine behördliche Genehmigung erfordert, diese aber nicht vorliegt. Das Wissen um ein rechtswidriges Geschäftsmodell und das Mitmachen – auch auf einer unteren Hierarchieebene – kann dazu führen, dass eine strafrechtlich relevante Beihilfehandlung auch dann vorliegt, wenn eine eigene Tatherrschaft ausgeschlossen werden kann. Zudem ist festzustellen, dass unglückliche unternehmerische Entscheidungen ebenso wie falsche Wertansätze, z. B. bei Verrechnungspreisen, heute häufiger strafrechtlich eskaliert werden, also Strafbarkeitsbereiche ausgedehnt werden.
Neue Entwicklungen bei der Scheinselbstständigkeit
Seit 01.04.2017 gibt es einen neuen § 611 a Abs. 1 BGB. Dieser lautet wie folgt:
»Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.«
Prüft man die Abgrenzungskriterien, so sprechen z. B. für eine persönliche Abhängigkeit:
– ein Auftraggeber
– Ständige Dienstbereitschaft
– Pflicht zur persönlichen Leistung
– Wettbewerbsverbote und Beschränkungen
– Kein unternehmerisches Risiko
– Keine oder beschränkte Haftung/Mängelgewährleistung
– Weisungsgebundenheit.
Dagegen, also für eine persönliche Unabhängigkeit sprechen:
– Mehrere Auftraggeber
– Freiheit bei der Auftragsannahme
– Einsatz von Hilfskräften bzw. Vertretung ist vertraglich erlaubt
– Freiheit zur Annahme von Aufträgen Dritter
– Unternehmerrisiko. Dies bedeutet Einsatz von Kapital, kein Entgelt bei fehlenden Aufträgen, Urlaub und Krankheit etc.
– Volle Haftung und Mängelgewährleistung
– Weitgehende Weisungsfreiheit.
Bei dem Merkmal »Weisungsgebundenheit « kommt es auf die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit an. Weisungsgebundenheit scheidet z. B. aus bei dem Einsatz von Spezialisten. Weiterhin, wenn der Leistungsort oder die zeitliche Lage der Tätigkeit vorgegeben sind.
Das Merkmal der »Fremdbestimmung« liegt z. B. vor, wenn Dinge vorgegeben sind, an denen der Betreffende nichts ändern kann. Also wenn z. B. in eine fremde Betriebsorganisation und deren Arbeitsabläufe eingegliedert wurde, Betriebsmittel des Arbeitgebers bzw. Auftragsgebers genutzt werden, es eine Pflicht zur Meldung und zur Einholung von Zustimmungen für Urlaub und Abwesenheit gibt. Weiterhin wenn die Rahmenbedingungen der Arbeit z. B. über den Einsatz von Dienstkleidung, den Eintrag im Telefonverzeichnis, der Stellung einer Visitenkarte etc. definiert sind.
Selbstbestimmung ist dagegen anzunehmen, wenn die Leistung mit einer eigenen Organisation und Organisationshoheit erbracht wird, eigene Betriebsmittel genutzt werden, Mitteilungs- und Abstimmungspflichten nach Vertrag erfüllt werden und eine überwiegende Freiheit hinsichtlich der Rahmenbedingungen der Arbeit besteht. Die gesetzlichen Kriterien haben durch die Veränderungen der Arbeitswelt teilweise ihre Bedeutung, wenn nicht gar ihre Sinnhaftigkeit verloren. Das machen vor allem neue Arbeitsformen deutlich.
Das Merkmal der »wirtschaftlichen (Un-) Abhängigkeit« ist ebenso wie das der sozialen Schutzbedürftigkeit kein allgemeines Abgrenzungsmerkmal. Es ist gesetzlich so nicht geregelt, wurde und wird aber in verschiedenen Entscheidungen immer wieder herangezogen.
Interessant und schwierig einzuordnen sind neue Formen insbesondere der Vermittlung von Tätigkeiten unter Plattformen wie z. B. beim sog. Crowdworking. Hier gibt es zwischen dem Erbringer der Leistung und dem Endkunden regelmäßig keinen Vertrag, was aber die Qualifizierung der Tätigkeit als Arbeits-/oder Beschäftigungsverhältnis nicht ausschließt. Vorsicht und Beratung ist angezeigt, da solche Leistungen häufig über den Einkauf geordnet werden, ohne dass eine arbeitsrechtliche Prüfung stattfindet.
Interessant sind Tools, wie man sie bei dem einen oder anderen größeren Unternehmen findet, wo in einem automatisierten Verfahren über die Beantwortung von Fragen durchaus valide Ergebnisse zu erzielen sind.
Auf die weitere Entwicklung darf man gespannt sein. Der nächste Syndikusanwaltstag findet am 7./8.11.2019 in Berlin statt.
Quelle: RdW 2019-02