Rechtliches

Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung

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Im Jahr 2017 erhob eine spanische Arbeitnehmervereinigung, die Teil einer spanischen Gewerkschaft war, eine nach spanischem Recht zulässige Verbandsklage gegen die in Spanien tätige Deutsche Bank. Mit dieser Klage begehrte die Arbeitnehmervereinigung die Feststellung, dass die Deutsche Bank nach einer bestimmten gesetzlichen Vorschrift des spanischen Arbeitnehmerstatuts’ verpflichtet sei, ein System zur Erfassung der von ihren Mitarbeitern geleisteten täglichen Arbeitszeit einzurichten. Diese gesetzliche Vorschrift bestimmt, dass für die Berechnung der Überstunden die Arbeitszeiten des Arbeitnehmers täglich aufgezeichnet und zu dem für die Zahlung der Vergütung festgelegten Zeitpunkt zusammengezählt werden müssen, wobei dem Arbeitnehmer eine Kopie der Aufstellung im Beleg zur entsprechenden Zahlung zu übermitteln ist.

Der mit diesem Fall befasste spanische Gerichtshof legte den Fall dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH)1 vor.

Die Entscheidung

Der EuGH entschied, dass die europäischen Richtlinien über die Arbeitszeitgestaltung, die Charta der Grundrechte der Europäischen Union und die Richtlinie über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit Regelungen der Mitgliedstaaten entgegenstünden, nach denen die Arbeitgeber nicht verpflichtet seien, ein System einzurichten, mit dem die von jedem Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden könne. Die Mitgliedstaaten müssten innerhalb des ihnen eingeräumten Spielraums die Arbeitgeber also verpflichten, ein objektives, verlässliches und zugängliches System einzurichten, mit dem die von jedem Arbeitnehmer geleistete tägliche Arbeitszeit gemessen werden könne. Es obliege den Mitgliedstaaten, die konkreten Modalitäten zur Umsetzung eines solchen Systems, insbesondere dessen Form, zu bestimmen.

Kein Handlungsbedarf in Deutschland

In Deutschland führt diese Entscheidung für die Praxis in den Unternehmen derzeit zu keinem unmittelbaren Handlungsbedarf. Denn in Deutschland gibt es keine entsprechende gesetzliche Vorschrift, die die Unternehmen zur Messung, also zur Aufzeichnung des Beginns und Endes der täglichen Arbeitszeit, verpflichtet. Nach § 16 Arbeitszeitgesetz besteht lediglich die Verpflichtung, die über die werktägliche Arbeitszeit von 8 Stunden hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen. Diese Verpflichtung zur Aufzeichnung dieser hinausgehenden Arbeitszeit kann bekanntlich auf die Arbeitnehmer übertragen werden, wobei regelmäßig kontrolliert werden muss, ob die Arbeitnehmer die Aufzeichnungspflicht ordnungsgemäß erfüllen. Zudem trifft den Arbeitgeber die Verpflichtung, bei Überschreitungen der Arbeitszeit regulierend einzugreifen.

Praxistipp:

Es muss abgewartet werden, wie der deutsche Gesetzgeber auf diese, nach dem Votum des Generalanwalt im Januar 2019 nicht ganz unerwartete Rechtsprechung reagiert. Dass mit dieser Entscheidung das Ende der Vertrauensarbeitszeit eingeläutet wurde, ist zwar eine häufig geäußerte Annahme. Zwingend ist das nicht, wenn auch anzunehmen ist, dass die Einführung einer solchen Aufzeichnung mit Kosten und administrativem Aufwand verbunden ist.

Ob diese Verpflichtung alle Unternehmen erfasst oder es Ausnahmen geben wird, ist derzeit noch offen. Unklar ist ferner, wann sich die Regierung dieses Themas annehmen wird. Auch bleibt abzuwarten, wie die Arbeitsgerichte in Streitigkeiten um die Erfassung von Arbeitszeiten reagieren, wenn es noch keine deutschen Regeln gibt, die die Entscheidung des EuGH umsetzen.

1 Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 14. 05. 2019 – C-55/18, besprochen in RdW 15/2019, Rn. 276.