Rechtliches

Überschreitung der Richtgeschwindigkeit: Mithaftung bei Verkehrsunfall

© Bjoern Wylezich - stock.adobe.com

Sofern der Unfallgeschädigte die Richtgeschwindigkeit auf der Autobahn deutlich überschritten hat und bei dessen Einhaltung der Unfall vermeidbar gewesen wäre, kommt eine Mithaftung in Höhe von 25 % in Betracht. Dies hat das Oberlandesgericht München entschieden.[1]

Aufgrund eines Spurwechsels kam es auf einer Autobahn zu einem Verkehrsunfall, welcher maßgeblich von dem Spurwechsler ausgelöst wurde. Strittig war, ob dem Unfallgeschädigten eine Mithaftung anzulasten sei, da dieser die Richtgeschwindigkeit von 130 km/h um 70 km/h überschritten hatte. Der zuständige Sachverständige bestätigte, dass bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit der Unfall hätte vermieden werden können.

LG geht von Alleinhaftung des Spurwechslers aus

Das Landgericht München (LG) jedoch entschied, dass der benannte Spurwechsler die alleinige Schuld an dem Unfall trage und daher nur er für die Unfallfolgen hafte, da ihm eine grobe Fahrlässigkeit anzulasten sei, sodass die Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs vollständig zurücktrete. Gegen diese Entscheidung richtete sich die Berufung des Beklagten.

OLG: Mithaftung des Klägers in Höhe von 25 Prozent

Das Oberlandesgericht München (OLG) hingegen urteilte zugunsten des Beklagten und entschied, dass dem Kläger eine Mithaftung in Höhe von 25% anzulasten sei. Den Spurwechsler treffe bei einem Verstoß gegen die Sorgfaltsanforderungen des § 7 StVO im Regelfall die Alleinhaftung, da die einfache Betriebsgefahr des anderen Kraftfahrzeugs hinter sein gewichtiges Verschulden zurücktrete.

Mithaftung wegen deutlicher Überschreitung der Richtgeschwindigkeit

Nach Auffassung des OLG müsse die deutliche Überschreitung der Richtgeschwindigkeit aufgrund der erhöhten Betriebsgefahr berücksichtigt werden. Die Entscheidung wurde außerdem dadurch begründet, dass der Unfall bei Einhaltung der Richtgeschwindigkeit vermeidbar gewesen wäre. Wer schneller als 130 km/h fährt, vergrößere in haftungsrelevanter Weise die Gefahr, dass sich andere Verkehrsteilnehmer auf diese Fahrweise nicht einstellen und insbesondere die Geschwindigkeit unterschätzen. Auch wenn die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit keinen Schuldvorwurf begründe, bedeute dies nicht die rechtliche Irrelevanz für das Haftungsrecht.

 

Entnommen aus RdW-Kurzreport, 20/2022, Rn. 334.

[1] OLG München, Urteil vom 01.06.2022 – 10 U 7328/21.