Grundlagen Rechtliches

Schutz von ehrenamtlich Tätigen durch gesetzliche Unfallversicherung

Tablet mit dem Text Arbeitsunfall auf dem Display
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Das Bundessozialgericht (BSG) hatte in einem Verfahren die Gelegenheit, näher darzulegen, unter welchen Voraussetzungen im Ehrenamt Tätige durch die gesetzliche Unfallversicherung geschützt werden. Zugrunde lag der Fall eines Mannes, der Vorsitzender eines Ortsvereins des Deutschen Roten Kreuzes e. V. (DRK) ist.

Unfall auf Fahrt zu anderem DRK-Ortsverband

Der Mann ist Mitglied des DRK und ehrenamtlicher Vorsitzender eines DRK-Ortsvereins. Der Ortsverein pflegt seit 25 Jahren eine Freundschaft mit einem anderen DRK-Ortsverein. Die Mitgliedsverbände des DRK sind die Landesverbände, die wiederum in Gliederungen in Form von Kreisverbänden und Ortsvereinen zusammengeschlossen sind.

Hier gehörten beide Ortsverbände zum Landesverband Badisches Rotes Kreuz e. V. Die Mitglieder der Ortsvereine besuchen sich regelmäßig wechselseitig zu ihren Generalversammlungen und führen gemeinsame Veranstaltungen durch.

Auf eine Einladung hin fuhren der Mann und fünf weitere Mitglieder seines Ortsvereins an einem Samstagabend im März 2017 im Mannschaftsbus zur Generalversammlung des anderen Ortsvereins. Dabei kollidierte der Mannschaftsbus mit einem anderen Fahrzeug. Eine Insassin des Mannschaftsbusses wurde getötet, der Mann und die anderen Insassen wurden z. T. schwer verletzt.

Der beklagte Unfallversicherungsträger lehnte die Anerkennung eines Arbeitsunfalls ab. Bei der Teilnahme an der Generalversammlung sei von einem unversicherten, rein gesellschaftlichen Anlass und der Pflege rein freundschaftlicher Beziehungen auszugehen.

Anerkennung als Arbeitsunfall durch BSG

Das BSG kam dagegen zu dem Ergebnis, dass das Unfallereignis als Arbeitsunfall anzuerkennen war. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.

Ein Arbeitsunfall setzt also voraus, dass die Verrichtung zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, sie zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis geführt hat und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursachte.

Versicherung bei Tätigkeit in Hilfeleistungsunternehmen

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 12 SGB VII sind Personen kraft Gesetzes versichert, die in Unternehmen zur Hilfe bei Unglücksfällen oder im Zivilschutz unentgeltlich, insbesondere ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen dieser Unternehmen einschl. der satzungsmäßigen Veranstaltungen, die der Nachwuchsförderung dienen, teilnehmen.

Hilfeleistungsunternehmen sind solche Unternehmen, die der Abwendung drohender Gefahren für den Einzelnen oder die Allgemeinheit oder der Beseitigung von Unfallfolgen, der Bergung von Toten und Verletzten, dem Transport von Verletzten in ärztliche Behandlung dienen. Erfasst werden alle Einrichtungen, deren Zweck es ist, bei Unglücksfällen Dritter aktive Hilfe zu leisten und ihre personellen und sachlichen Mittel gerade zu diesem Zweck einzusetzen.

Auf der Grundlage dieser Grundsätze sind das DRK (Bundesverband) sowie die in ihm organisierten Landes-, Kreis- und Ortsvereine in ihrem Kernbereich typische Hilfeleistungsunternehmen.

Weiter Anwendungsbereich des Begriffs der Unentgeltlichkeit

Der Mann war als Vorsitzender seines Ortsvereins für den DRK unentgeltlich tätig. Unentgeltlich ist eine Leistung, der keine echte Gegenleistung gegenübersteht und die „vergütungsfrei“ oder „für Gotteslohn“ erbracht wird. Aufwandsentschädigungen oder ein Auslagenersatz werden dadurch nicht ausgeschlossen. Seinem Sinn und Zweck nach führt der Begriff der Unentgeltlichkeit zu einem weiten Anwendungsbereich der Vorschrift.

Im Vordergrund steht der Schutz von Personen, sich im Interesse der Allgemeinheit bzw. aus ideellen Gründen heraus zum Schutz Einzelner oder der Allgemeinheit einsetzen, ohne eine Gegenleistung dafür zu erhalten. Sie erbringen ihre Tätigkeit freiwillig und gemeinwohlorientiert und verrichten eine gesellschaftlich nützliche und wichtige Arbeit.

Die aufopferungsgleiche Tätigkeit, die ansonsten von staatlichen Organen erfüllt werden müsste, ist mehr als nur eine fremdnützige Freizeitaktivität oder die Erfüllung von gesetzlich nicht versicherten, rein mitgliedschaftlichen Pflichten in einem privaten Verein. So verhält es sich auch dann, wenn sich die Art der Tätigkeit nach außen hin nicht oder kaum unterscheidet.

Wertende Betrachtung notwendig

Zwischen dieser Tätigkeit und der Fahrt des Mannes zu der Generalversammlung des Ortsvereins B bestand ein innerer Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen.

Maßgebende Zurechnungsgesichtspunkte sind die objektivierte Handlungstendenz, der Schutzzweck der Norm sowie die Grundprinzipien der Unfallversicherung. Darüber hinaus können in die Wertung auch kausale Kriterien sowie gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Aspekte einfließen.

Zwar verunglückte der Mann nicht bei einer dem Kernbereich seines Ortsvereins als Hilfeleistungsunternehmen zugehörigen Tätigkeit. Der Versicherungsschutz ist hierauf aber nicht begrenzt. Erfasst sind darüber hinaus sonstige Tätigkeiten, die den Zwecken des Hilfsdienstes wesentlich dienen oder dessen Angelegenheiten wesentlich fördern.

Veranstaltungen mit allein geselligem Charakter nicht geschützt

Den Zwecken des Unternehmens wesentlich dienen kann auch die Pflege und Stärkung bestehender oder der Aufbau neuer Beziehungen einzelner Untergliederungen des Hilfeleistungsunternehmens untereinander, unabhängig davon, ob sie unmittelbar organisatorisch miteinander verbunden sind. Die hier gegenständliche Generalversammlung diente ihrem Inhalt nach nicht allein einem gesellschaftlichen Anlass oder der Pflege rein freundschaftlicher Beziehungen.

Die Tagesordnung enthielt unternehmens- und vereinsbezogene Berichte, Wünsche und Anträge sowie Grußworte der Gäste. Dass ehrenamtliche Tätigkeit überdies auch aus persönlichen Motiven (Freude, Leidenschaft, Hobby, Gewinn von Erfahrungen, Entwicklung neuer Fähigkeiten, Darstellung des eigenen Engagements) wahrgenommen wird, ist Grundlage jeder ehrenamtlichen Tätigkeit und steht dem Versicherungsschutz nicht entgegen.

Zum Unfallzeitpunkt hat der Mann bereits einen (mit-)versicherten Betriebsweg in Ausübung der versicherten Tätigkeit zurückgelegt (§ 8 Abs. 1, Abs. 2 SGB VII). Denn er ist zusammen mit anderen Vereinsmitgliedern mit dem DRK-Mannschaftsbus gefahren. Anhaltspunkte dafür, dass die Fahrt mit privatwirtschaftlicher Handlungstendenz erfolgte, sind nicht ersichtlich.

Bundessozialgericht, Urt. v. 08.12.2022 – B 2 U 14/20 R

Entnommen aus der Fundstelle Baden-Württemberg 17/2023, Rn. 216.